Drucksache - IX-0855

Integrationsfördernde Standorte für Flüchtlingsunterkünfte finden

Das Bezirksamt wird ersucht, Standorte für die Unterbringung von Geflüchteten zu suchen, die eine menschenrechtskonforme Versorgung und integrationsfördernde Umgebung gewährleisten. Dabei sollen Standorte gesucht werden, die eher kleine Unterkünfte für nicht mehr als 200 Bewohner*innen ermöglichen. Diese Standorte soll das Bezirksamt der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen mitteilen. Dabei soll das Bezirksamt deutlich machen, dass diese Standorte vorrangig betrachtet werden sollen, wenn erneut Standorte geplant werden und alle neuen Standorte mindestens eine menschenrechtskonforme Versorgung gewährleisten müssen.

An den Standorten sollen folgende die Menschenrechte sichernde und integrationsfördernde Kriterien erfüllt sein oder zügig hergestellt werden können:

1)      ÖPNV-Anbindung, die leistungsstark genug ist, um Bewohner*innen und Anwohner*innen zu Schule, Kita, Arbeit und Ämterterminen zu befördern.

2)      Genügend Grundschulplätze im Umfeld oder leicht mit dem ÖPNV erreichbar.

3)      Kitaplätze im Umfeld oder die Möglichkeit zeitnah zusätzliche Kitaplätze im Umfeld oder an dem Standort selbst zu schaffen.

4)      Spielplätze in Laufnähe oder die Möglichkeit einen neuen Spielplatz am Standort zu errichten.

5)      Grüne Infrastruktur, Sitzgelegenheiten und Verschattung.

6)      Soziale Einrichtungen, die zusätzliche Angebote schaffen können, ohne ihr bisheriges Angebot für die Anwohnenden maßgeblich einzuschränken oder die Möglichkeit sozialen Trägern Räume für neue Stützpunkte zur Verfügung zu stellen.

7)      Möglichst Sprach- und Integrationskurse, die unkompliziert mit dem ÖPNV erreichbar sind.

8)      Begegnungsorte für Anwohnende und Flüchtlinge

Vorzugsweise sind dabei Bezirksregionen zu betrachten, die bisher nur wenige Menschen aufgenommen haben. Dabei sollen auch Standorte in Betracht kommen, wo nur eine geringe Anzahl von Bewohner*innen (50-100) unterkommen kann, kleinere Brachen für Containerbauten genauso wie einzelne Büroetagen.

gez. BV Almuth Tharan, BV Christoph Göring, BV Hannah Wettig


Begründung:

Berlin wird auch in kommenden Jahren eine hohe Zahl an Geflüchteten aufnehmen müssen. Insbesondere in den unmittelbar an die EU angrenzenden Regionen kommt es seit zwei Jahrzehnten immer wieder zu Aufständen, Repression und politischer Verfolgung. Es ist davon auszugehen, dass der zunehmende Kampf um Ressourcen angesichts drastischer Klimaveränderungen diese Konflikte noch deutlich verschärfen wird. Die Entdemokratisierung vieler Länder kann zu zusätzlichen Fluchtbewegungen führen.

Um diesen Zuzug zu bewältigen, brauchen wir eine tragfähige Struktur, die gewährleistet, dass Menschen zügig in die Gesellschaft integriert werden. Zugleich erfordert auch der zunehmende Arbeitskräftemangel eine deutlich zügigere Integration.

Wenn Menschen aber über Monate und Jahre in Massenunterkünften, häufig fernab der gewachsenen Wohnviertel, von der einheimischen Bevölkerung segregiert werden, kann eine sinnvolle Integration nicht gelingen. Die Feuerwehrpolitik des Senats bei jeder neuen Krise Massenunterkünfte an den Stadtrand oder in Gewerbegebiete zu setzen, muss daher durch eine menschengerechtere Planung ersetzt werden. Dies ist auch deshalb dringend geboten, da inzwischen an vielen Massenstandorten menschenrechtswidrige Bedingungen entstehen, wenn etwa Kinder nicht beschult werden können.

Die Erfahrung vieler Kommunen in Deutschland zeigt, dass für eine schnelle Integration eine dezentrale Unterbringung nach dem Leverkusener Modell am günstigsten ist; also die Unterbringung in regulären Wohnungen in Häusern, wo auch Einheimische wohnen. Allerdings sind die Bedingungen dafür angesichts des Wohnungsmangels in Berlin nicht gegeben. Darum muss eine Unterbringung geplant und vorangetrieben werden, die diesem Modell zumindest ein Stück weit näherkommt. Dafür sind kleine Unterkünfte für 50-100 Personen, allenfalls 200 Personen, in denen die Bewohner*innen das Zusammenleben mitorganisieren können und Kontakte zur einheimischen Bevölkerung befördert werden, anzustreben. In Unterkünften für mehr als 200 Personen lassen sich gewalttätige Konflikte, Übergriffe und menschenunwürdige Bedingungen häufig nicht vermeiden und eine menschenrechtskonforme und integrationsfördernde Infrastruktur ist für solche Standorte ungleich schwerer zu schaffen.

In Pankow gibt es eine Reihe solcher Standorte, wo 50-200 Personen untergebracht werden könnten, auch in der Innenstadt bzw. in Innenstadtnähe, wo viele Anwohnende gerne bei der Integration unterstützen würden. Solche Standorte wurden bisher nicht ins Auge gefasst, weil das Land vor der Herausforderung steht, tausende von Flüchtlingen in der gesamten Stadt unterzubringen und deshalb Massenunterkünfte favorisiert. Eine Liste solcher Standorte des Bezirksamts soll den Impuls setzen, diese Praxis zu ändern und die Bedürfnisse und Rechte von Ankommenden und eingesessener Bevölkerung stärker zu berücksichtigen.