Gastbeitrag der Bürgermeisterin Dr. Cordelia Koch

Kürzungen von Haushaltsmitteln in den Geschäftsbereichen Jugend, Familie und Soziales

Seit Januar dieses Jahres diskutieren wir in Pankow über mögliche Defizite im Haushaltsjahr 2023 und die Erforderlichkeit von Einsparungen im Doppelhaushalt 24/25. Seither beschäftigt sich das Bezirksamt mit Einsparpotentialen in den Geschäftsbereichen.

Am 12.4.2024 teilte uns die Senatsverwaltung für Finanzen das Jahresergebnis 2023 mit. Demnach „schulden“ wir dem Senat für die Haushaltsjahre 2024 und 2025 13,75 Millionen Euro. Nach Abzug unserer Rücklagen in Höhe von 2,7 Millionen Euro bleibt ein Defizit in Höhe von ca. 11 Millionen Euro.

Die entscheidenden Faktoren für das Defizit sind Mehrausgaben bei den Hilfen zur Erziehung in Höhe von 4 Millionen Euro, bei der Gebäudebewirtschaftung in Höhe von 3 Millionen Euro und von 2,2 Millionen Euro bei der Eingliederungshilfe, die von der Senatsfinanzverwaltung nicht anerkannt werden.

Nach Konsultationen mit der Senatsfinanzverwaltung dürfen wir dieses Defizit durch die Verschiebung von Investitionen ausgleichen, oder indem uns nachträglich Bauvorbereitungsmittel zurückerstattet werden. Übrig bleiben 2 Millionen €, die in diesem und dem nächsten Jahr insgesamt in der laufenden Haushaltsbewirtschaftung eingespart werden müssen. Die Betonung liegt auf dem Wort „Haushaltsbewirtschaftung“, weil wir uns dabei im Rahmen des Haushaltes bewegen, der von der Bezirksverordnetenversammlung beschlossen wurde. Wir hatten im Bezirksamt zuerst vier Modelle besprochen, wie diese Einsparungen auf die sechs Geschäftsbereiche verteilt werden können.

Das erste Modell richtet sich nach dem Haushaltsvolumen. Hier hat der Bereich Gesundheit und Soziales die meisten Ausgaben durch die Sozialleistungen, insbesondere zur Grundsicherung. Das sind Pflichtaufgaben, gesetzlich verbriefte individuelle Ansprüche, die nicht reduziert werden können. Eine Bemessung nach Haushaltsvolumen hätte den Sozialbereich also übermäßig belastet, deshalb haben wir dieses Modell nicht weiter verfolgt.

Das zweite Modell war die Verschiebung von Investitionen. Das hätte bedeutet: wir bauen keine Schulen mehr und verschieben die Sanierungen. Wir müssen aber Schulen bauen, weil wir zu wenig Schulplätze haben und wir müssen sanieren, um die Energiekosten zu senken, die uns ja eben vom Senat nicht anerkannt werden, wie bereits gesagt.

Das dritte Modell orientiert sich am steuerbaren Teil des Haushaltsvolumens. Das sind die Haushaltstitel A05 – bewegliches Vermögen, A09 – pauschale Ausgaben und T – Transferausgaben an Einrichtungen, die Leistungen für Bürger erbringen. Dieses Modell wäre insofern fair, weil alle Geschäftsbereiche innerhalb ihres steuerbaren Haushaltes im gleichen Verhältnis sparen müssten.

Das vierte Modell teilt die 2 Millionen durch die sechs Geschäftsbereiche. Das ist solidarisch gegenüber den Bereichen mit hohen Transferkosten, belastet aber diejenigen Bereiche mit weniger steuerbaren Anteilen am Haushalt. Das liefe darauf hinaus, dass jeder Geschäftsbereich insgesamt 333 Tsd. Euro sparen müsste, also 167 Tsd. Euro pro Jahr.

Unabhängig, welches Modell zu Grunde gelegt wird, ist es wichtig zu sagen, dass jeder Geschäftsbereich selbst entscheiden kann, bei welchem Haushaltstitel er spart oder wo er vielleicht auch Einnahmen erhöht, um Einsparungen zu vermeiden. Niemand ist gezwungen, bei Transferkosten zu sparen.

Entschieden haben wir uns dann für ein fünftes Modell: für eine Verteilung, die sich am Anteil der Geschäftsbereiche am KLR-Defizit des Bezirkes orientiert. Das bedeutet im Einzelnen:

GB 1, Bürgermeisterin, Finanzen, Personal, Weiterbildung und Kultur, Wirtschaftsförderung:  (19% vom KLR-Defizit 2023): 380.000 € (190.000 € je Haushaltsjahr)

GB 2, Schule, Sport und Facility Management (kein KLR-Defizit): 0 €

GB 3, Ordnung und Öffentlicher Raum:  (15% vom KLR-Defizit 2023): 300.000 € (150.000 € je Haushaltsjahr)

GB 4, Stadtentwicklung und Bürgerdienste: (18% vom KLR-Defizit 2023): 360.000 € (180.000 € je Haushaltsjahr)

GB 5, Soziales und Gesundheit (21% vom KLR-Defizit 2023): 420.000 € (210.000 € je Haushaltsjahr)

GB 6, Jugend und Familie (27% vom KLR-Defizit 2023): 540.000 € (270.000 € je Haushaltsjahr)

Da im Geschäftsbereich 5 das Defizit in Höhe von 2,2 Mio. € durch die nicht steuerbaren Produkte der Eingliederungshilfe entstanden ist und in GB 6 die Produkte der Hilfe zur Erziehung in Pankow durch das Planmengenmodell strukturell benachteiligt werden, beteiligt sich das gesamte Bezirksamt im Jahr 2024 an den notwendigen Einsparungen in den GB 5 und 6.

Folgende solidarische Maßnahmen unterstützen die GB 5 und 6 bei der Erfüllung ihrer Einsparvorgaben im Jahr 2024:

Obwohl der GB 2 als einziger GB ein positives KLR-Jahresergebnis hat, hat sich dieser bereit erklärt, 70.000 Euro im Jahr 2024 einzusparen. Diese 70.000 Euro werden auf das Defizit der GB 5 und 6 angerechnet.

Trotz ihre großen Defizit-Anteile von 21 bzw 27 % des Jahresergebnisses müssen die GB 5 und 6 im Jahr 2024 den kleinsten Betrag einsparen, nämlich jeweils 100.000 €.

Woher kommt der Rest der eigentlich errechneten 210 bzw 270 t €?

Wir haben als Bezirksamt entschieden, die Bereiche Jugend und Soziales über die 70.000 Euro des GB 2 hinaus im Jahr 2024 von Einsparungen zu entlasten. Die eigentlich noch einzusparenden 210.000  Euro werden über die nicht verausgabten Raten aus der pauschalen Zuweisung für Investitionen aufgelöst. Dieses Geld könnten wir als Polster gebrauchen, um weitere Einsparungen abzufedern. Wir haben aber entschieden, die GB 5 und 6 damit bereits im Jahr 2024 zu unterstützen.

Eine Benachteiligung im Bereich Jugend und Soziales, die in den Raum gestellt wird, sähe anders aus.

Es geht schlicht und ergreifend um Folgendes:

Während der Haushalt des Bezirks Pankow in den Jahren bis 2017 konsolidiert wurde, verschuldete Pankow sich in den dann folgenden Jahren immer weiter. Das fiel deshalb nicht auf, weil das Abgeordnetenhaus die Schuldenhaushalte in 2020 und 2021 neutral gestellt hat und Pankow mit einer roten Null nach Hause ging. Das war eine politische Entscheidung, die für das Haushaltsjahr 2023 so nicht mehr getroffen wurde. Schlussendlich war der Haushalt im Jahr 2023 mit 14 Millionen Euro überzeichnet. Die von dieser BVV beschlossene Kreditaufnahme im Höhe von 14 Millionen Euro bei SenFin, die zu einem Defizit von annähernd derselben Größenordnung führte, muss niemanden verwundern. Am wenigsten diese BVV.  Nun muss der Kredit zurückgezahlt werden. Und das heißt Sparen! Sparen tut weh. Jedem und in allen Geschäftsbereichen.

Wenn es um Einsparungen geht, wird sich gesorgt um die sozialen Angebote in Pankow, insbesondere die Stadtteil- und Gemeinwesenarbeit, die Selbsthilfe, die Projekte, Initiativen und Träger, die mit Ehrenamtlichen zusammenarbeiten. Es werden oft auch genannt die Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen, die Familienzentren, die Stadtteilzentren, die Freiwilligenagentur, die Pflegestützpunkte, die Beratungsstellen, die Senioren-Begegnungsstellen. Wichtig finde ich auch, und deshalb ergänze ich: die Schulen, die Musikschule, die Volkshochschule. Wir stehen gerade vor der Herausforderung, dass die Heinrich-Roller-Schule wegen Baufälligkeit gesperrt werden musste und wir jetzt die Kinder an anderer Stelle regelrecht stapeln müssen, bis wir die Schule wieder repariert haben.

Wenn ich im Bereich Schule spare, müssen Kinder und Jugendliche weiter in überfüllten Klassenräumen sitzen. Weil das Geld für die Sanierung einer Schule fehlt.

Wenn ich im Bereich Stadtentwicklung spare, können keine neuen Wohnungen gebaut werden – und das obwohl in Berlin hundertausende Wohnungen dringend benötigt werden. Was sagen wir den Eltern, Kindern und Jugendlichen dann, wenn sie eingepfercht in viel zu kleinen Wohnungen sitzen, weil sie keine größeren finden? Auch das müssen wir im Haushalt beachten und auch hier geht es um Kinder und Jugendliche

Natürlich möchte niemand gern im Bereich Jugend oder Soziales sparen. Wir wissen sehr genau, welche Leistung für unsere Demokratie die freien Träger durch Ihre Arbeit erbringen. Aber seien wir ehrlich: überfüllte Klassen und mangelnder Wohnraum machen deren Arbeit noch schwerer, denn diese Probleme belasten die Kinder und Jugendlichen nun einmal auch.

Und es ist richtig, dass sich so viele Menschen für die Jüngsten dieser Gesellschaft einzusetzen, die selbst viel zu wenig gehört werden, aber ich tue es eben auch. Nur muss ich eben das Gesamtbild betrachten und kann nicht einen Bereich bevorzugen, wenn ich weiß, dass damit der Rest des Bezirks gefährdet ist.

Es ist nämlich so: Die Entscheidung des Bezirksamtes belastet den Geschäftsbereich Stadtentwicklung stärker als bei den anderen Modellen, die wir diskutiert haben. In Summe und damit auch im Verhältnis. Weil der Geschäftsbereich relativ wenige steuerbare Mittel hat.

Und die verfügbaren steuerbaren Mittel dieses Geschäftsbereiches sind Gutachtenmittel, die eigentlich gebraucht werden, um Wohnungen zu bauen.

Das ist die Abwägung, die wir getroffen haben! Wir belasten alle Geschäftsbereiche, weil es unsolidarisch ist, wenn ein Geschäftsbereich komplett ausgenommen wird.

Die sechs Geschäftsbereiche des Bezirksamtes haben nun die Aufgabe, innerhalb dieses beschlossenen Haushaltes Einsparungen zu erbringen. Dabei ist ganz und gar nicht ausgemacht, dass Leistungen zum Beispiel von Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen oder von Schulsozialarbeitern gestrichen werden müssen. Ich zum Beispiel spare im GB 1 weitgehend im internen Bereich. Die zuständigen Stadträtinnen und Stadträte werden in ihren Ausschüssen ganz sicher vorstellen und diskutieren, wie und wo sie sparen wollen.

Die Ausschüsse tagen öffentlich. Und ich fordere die Pankower*innen auf: Nehmen Sie bitte gern an den Debatten dort teil und bringen Ihre Perspektiven ein. Nehmen Sie gern Einfluss darauf, dass Einsparungen nicht bei den Einrichtungen der Stadtteilarbeit oder der freien Kinder- und Jugendhilfe erbracht werden, sondern dass Bezirksverwaltung und Bezirksverordnete gemeinsam verträglichere Lösungen finden. In meinem Geschäftsbereich kürzen wir beispielsweise beim Geschäftsbedarf und bei Fortbildungen für die Verwaltung. Auch das tut weh, auch weil es Folgen hat für die Leistungsfähigkeit der Verwaltung, aber wir halten das aus. Und es geht nicht nur um Kürzungen, sondern auch um zusätzliche Einnahmen. Vergessen wir bitte nicht die Möglichkeit von Mehreinnahmen z.B. aus Vermietungen. Nicht alle bezirklichen Räume werden bisher so genutzt, wie sie genutzt werden könnten. Das ist schlecht für die Bezirkskasse und das ist schlecht für Pankower Vereine, Initiativen, Firmen, Partyleute und ganz normale Leute, die für besondere Anlässe einmal einen Raum suchen und nicht finden, weil es inzwischen zu wenige gibt.