Kleine Anfrage - KA-0153/IX

Versorgung mit wohnungsnahen öffentlichen Grünflächen

Bezirksamt Pankow von Berlin
Abt. Ordnung und Öffentlicher Raum
Bezirksstadträtin
24.03.2022

Herrn Bezirksverordneten Axel Lüssow
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
über
den Vorsteher der Bezirksverordnetenversammlung Pankow von Berlin
über
den Bezirksbürgermeister

Kleine Anfrage 0153/IX
über
Versorgung mit wohnungsnahen öffentlichen Grünflächen

Das Bezirksamt wird um folgende Auskunft gebeten:

Im Umweltatlas [1] steht: „Nach den in Berlin gültigen Richt- bzw. Orientierungswerten wird die Versorgung der Bevölkerung mit öffentlichen Grünflächen ab 6 m² wohnungsnaher Freifläche pro Einwohner als ausreichend angesehen.“ – dies entspricht der Fläche eines Fiat Panda.

1. Als Mindestanforderung für die Einbeziehung einer Grünfläche in die „Versorgung“ ist definiert, „dass zumindest ein Teil des Freiraums nicht von zu starken Umweltbelastungen betroffen sein darf“. Ist dem Bezirksamt bekannt, ob der Teil der Grünanlage, der von einer starken Umweltbelastung betroffen ist bei der Berechnung abgezogen wird – und wie bewertetet das Bezirksamt diese Regelung zur Umweltbelastung in Hinsicht auf die Erholungsfunktion?

Teilflächen von Grünanlagen, die starken Umweltbelastungen unterliegen, werden bei der Berechnung der Versorgung mit wohnungsnahem Grün nicht abgezogen. Angesichts der erheblich nachteiligen Auswirkungen von Lärm- und Luftbelastungen auf die Erholungsfunktion, wäre eine Berücksichtigung dieser Umweltbelastungen, durch den Abzug dieser belasteten Flächen allerdings sinnvoll. In der Praxis wären dafür jedoch aktuelle Messungen der Umweltbelastungen und die Festlegung von Schwellenwerten erforderlich, ab denen eine Versorgungsleistung der entsprechenden Teile der Grünanlage nicht mehr gegeben ist.

2. Ist dem Bezirksamt bekannt, in wie weit in die Berechnung einbezogen wird, ob eine Grünanlage „hochwertig“, „üblich“ oder „einfach“ ist (vgl. KLR Produkte 80931-80933) – und wie bewertetet es das Bezirksamt es in Hinblick auf die Erholungsfunktion, falls die Qualität einer Grünfläche keinen Eingang in die Berechnung finden sollte?

Die Pflegestufe ist für die Einschätzung, ob eine Grünanlage zur wohnungsnahen Grünversorgung beiträgt, nicht relevant. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass eine höhere Pflegestufe zu einer besseren und vielfältigeren Erholungsnutzung einer Grünanlage beiträgt. Daher sollten vor allem den Grünanlagen, in deren fußläufiger Erreichbarkeit (500 m) besonders viele Menschen (ohne Zugang zu privatem Grün) wohnen, eine hohe Pflegestufe angerechnet werden, um eine gute Erholung zu ermöglichen.

3. Ist dem Bezirksamt bekannt, in wie weit der tatsächliche Pflegezustand einer Grünanlage in die Berechnung einbezogen wird – und wie bewertetet es das Bezirksamt im Hinblick auf die Erholungsfunktion, falls dieser Pflegezustand einer Grünfläche keinen Eingang in die Berechnung finden sollte?

In der Darstellung zur Grünversorgung des FIS-Brokers spielt der tatsächliche Pflegezustand der Grünanlagen keine Rolle. Dieses Defizit in der Methodik hat das UmNat Pankow im Rahmen der Erstellung des Landschaftsplanerischen Rahmenkonzeptes Pankow West erkannt und durch die Erfassung der tatsächlichen Ausstattungsqualität der wohnungsnahen Grünanlagen berücksichtigt. Das führte in einigen Fällen im Ergebnis dazu, dass Grünanlagen aufgrund mangelnder Pflege, Wege oder anderer Erholungsangebote als nicht versorgend bewertet wurden. Demnach sind durch genauere Untersuchungen Anpassungen bei der Analyse der Grünflächenversorgung möglich.

4. Ist dem Bezirksamt bekannt, welche Flächenabzüge veranschlagt werden für ….
a) Biotopverbund (vgl. NatSchG Bln), Schutzräume für Stadtnatur Flora & Fauna (vgl. Kommune Biologische Vielfalt, vgl. Strategie Biologische Vielfalt, vgl. Charta für das Berliner Stadtgrün),
b) Wege z.B. Fahrradwege durch Grünanlagen,
c) Hundeausläufe (z.B. Anton-Saefkow-Park, Mauerpark),
d) Spielplätze (da diese einen eigenen Versorgungsindex haben)?
Wie bewertetet es das Bezirksamt, falls der Flächenbedarf aller oder einiger dieser Punkte nicht in der Berechnung für die allgemeine „Versorgung“ abgezogen wird?

Die o.g. Flächentypen (Biotopverbund und Wege) werden, sofern sie innerhalb öffentlicher Grünanlagen liegen, vollumfänglich in die Grünversorgung einbezogen. Einzige Ausnahme bilden die öffentlichen Spielplätze und auch die Hundeausläufe, da diese nur bestimmten Nutzenden zur Verfügung stehen. Aufgrund der unterschiedlichen Erholungsnutzungen, wird diese Bewertung als zielführend erachtet, da Stadtnatur dem Naturerleben und Wege in Grünanlagen der Bewegung dienen. Hundeausläufe hingegen sollten, ebenso wie öffentliche Spielplätze, einen Flächenabzug bilden, da diese nicht allen Erholungsnutzenden zur Verfügung stehen.

5. Ist dem Bezirksamt bekannt, wie bzw. ob für die Berechnung der „wohnungsnahen“ Versorgung kompensiert wird, dass Bürger:innen auch von einer Entfernung von weiterer als der nominelle Einzugsbereich von 500m die jeweilige Grünanlage nutzen – und damit eine Verzerrung in der Kartierung [2] besteht, die Anwohner:innen im 500m-Bereich besser „versorgt“ erscheinen lässt, als dies in der Realität der Fall ist?

Eine solche Kompensation erfolgt nicht und stellt sich in der Praxis als nicht umsetzbar dar, da man eine repräsentative Erhebung der Bewohnenden benötigt, die eine Anlage im weiteren Einzugsbereich regelmäßig nutzen.

6. Falls Gebiete mit wohnungsnahen öffentlichen Grünanlagen unterversorgt sind – welche Maßnahmen plant das Bezirksamt, wenn diese in der Nähe von Kleingartenanlagen liegen [3], um die Unterversorgung auf eine ausreichende Versorgung zu heben oder anderweitig auszugleichen?

Kleingartenanlagen können bei defizitärer Ausstattung mit wohnungsnahen Grünanlagen, ebenso wie aus der Nutzung entlassene Friedhofsflächen, einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung der wohnungsnahen Grünversorgung leisten. Durch die Entwicklung hin zu öffentlich nutzbaren Grün- und Freiflächen, kann das Angebot mit wohnungsnahen Grünanlagen im Wohnumfeld gestärkt werden. Im Fall von Kleingartenanlagen heißt das aber nicht Zulasten von Kleingartennutzung und –parzellen, sondern vielmehr, dass öffentliche Durchwegungen gefördert und öffentliche Räume zum Aufenthalt (z.B. durch das Aufstellen von Bänken) gestärkt werden.

7. Im Umweltatlas wird angegeben: „Private und halböffentliche Flächen können ein Defizit an öffentlichem Grün kompensieren.“. Falls nur ein Teil der Bürger:innen privat „versorgt“ ist, und der andere Teil aber mangels Besitz an privaten Gärten keine „Versorgung“ mit Grün hat: Wie plant das Bezirksamt eine ausreichende „Versorgung“ für alle Bürger:innen zu er-reichen (vgl. u.a. Landschaftsprogramm, Programmplan Erholung und Freiraumnutzung [4])?

[1] https://www.berlin.de/umweltatlas/nutzung/oeffentliche-gruenanlagen/2020/methode/
[2] https://fbinter.stadt-berlin.de/fb/index.jsp?loginkey=showMap&mapId=k06_05gruenversorg2020@senstadt
[3] https://www.berlin.de/sen/uvk/_assets/natur-gruen/stadtgruen/kleingaerten/90_05_2019_kleingartenanlagen_und_die_versorgung_der_quartiere_mit_wohnungsnahen_gruenanlagen.pdf
[4] https://www.berlin.de/sen/uvk/natur-und-gruen/landschaftsplanung/landschaftsprogramm/

In diesem Fall kann eine ausreichende Versorgung mit wohnungsnahem Grün für alle Bürgerinnen und Bürger nur durch die Neuanlage bzw. Erweiterung bestehender Grünanlagen erreicht werden. Hierfür sind Potentialflächen, also vorrangig Grün- und Freiflächen im Landeseigentum zu identifizieren und zu öffentlichen Grünanlagen zu entwickeln.

Manuela Anders-Granitzki

Kleine Anfrage auf der BVV-Seite: https://www.berlin.de/ba-pankow/politik-und-verwaltung/bezirksverordnetenversammlung/online/ka020.asp?KALFDNR=3935