Gedenken in Zeiten des Krieges

Oliver Jütting
Oliver Jütting

Am 8. Mai jährt sich die Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus. Auch in diesem Jahr findet das traditionelle Gedenken an den Tag der Befreiung in Pankow statt – das hat durchaus einige Wellen geschlagen: Ukraine-Krieg überschattet Tag des Sieges in Pankow – Berliner Morgenpost

Gleichzeitig findet gerade mitten in Europa ein völkerrechtswidriger Vernichtungskrieg mit massenhaften Kriegsverbrechen statt. Die BVV Pankow hat sich schon bei der letzten Tagung solidarisch mit der Ukraine erklärt, insbesondere mit den vielen Kommunalpolitiker*innen, die mit als erste zur Zielscheibe der russischen Invasion geworden sind (Resolution: Solidarisch mit der Ukraine).

In den letzten Tagen habe ich viele Diskussionen geführt. Und in diesen Diskussionen tauchte immer wieder eine Frage auf. Sollen wir in diesem Jahr überhaupt der Befreiung gedenken? Die Antworten waren durchaus konträr. Ich finde: Es ist wichtiger denn je.

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir uns immer daran erinnern müssen, dass wir unsere heutige Demokratie in Deutschland nur dem Sieg der Alliierten verdanken. Deutschland war unter dem NS-Regime eine totalitäre Diktatur. Am Ende stand ein fürchterlicher Vernichtungskrieg, der von Deutschland ausging und einen großen Teil Europas erfasst hat. Der Dank für den Sieg über die Wehrmacht gebührt den Alliierten – in Berlin insbesondere der Roten Armee. Einer Armee, in der Menschen aus vielen verschiedenen Völkern der Sowjetunion gedient haben, u.a. viele Ukrainer. Russische Soldaten morden gerade in der Ukraine, soviel ist wahr. Doch die Soldaten denen wir am 8. Mai gedenken sind im Kampf gegen die Nationalsozialisten gestorben und wir verdanken ihnen, dass wir heute in Frieden leben. Aktuelle politische Entwicklungen dürfen die Opfer die sie gebracht haben nicht verblassen lassen.

Weiterhin war die Ukraine einer der Hauptschauplätze des von Deutschland begonnenen 2. Weltkriegs. Millionen von Menschen aus der Ukraine wurden in den Konzentrationslagern ermordet oder zur Zwangsarbeit verschleppt. Für ein Sowjetisches Ehrenmal ungewöhnlich, wird in Schönholz auch den auf diesem Gelände ermordeten Zwangsarbeiter*innen gedacht. Auch insofern ist es kein russisches Mahnmal.

Wir dürfen nicht aufhören, „Nie wieder“ zu sagen, wenn es zum ersten Mal seit dem Ende des 2. Weltkriegs einen Angriffskrieg in Europa gibt – sondern gerade dann müssen wir uns daran erinnern. Ich glaube, die Lehre aus dem 20. Jahrhundert ist, dass Neutralität im Angesicht eines Angriffskrieges heißt, Partei für den Aggressor zu ergreifen.

„Nie wieder“ heißt auch, dass wir uns verpflichten, nie wieder tatenlos zuzusehen, wenn Menschen ermordet werden, wenn es zu Kriegsverbrechen oder zu einem Völkermord kommt.