Was tun in Niederschönhausen, Wilhelmsruh und Rosenthal? Dicke Lastwagen auf engen Dorfstraßen 21. November 202221. November 2022 Foto: Jan Drewitz Seit Jahren schon bewegen sich große, schwere LKWs über die engen, zum Teil noch mit grobem Pflaster belegten Hauptstraßen in Wilhelmsruh, Rosenthal, Niederschönhausen und Französisch Buchholz. Sie fahren von der Autobahnabfahrt Schönerlinder Straße quer durch die Wohnsiedlungen zum Reinickendorfer Gewerbegebiet Flottenstraße oder noch weiter, zu Zielen im westlichen Berlin. Oder eben andersherum, von dort aus zur Autobahn. Das Problem für Menschen, die hier wohnen, ist offensichtlich – sie sehen es, sie hören es, sie riechen es, ja, sie spüren es, wenn die Wände wackeln. Doch für die Menschen, die die Beschwerden auf den Schreibtisch bekommen und noch nie hier waren, ist das Problem gar nicht so leicht zu verstehen. Schaut eine Verkehrsplanerin auf ihre Berlin-Karte, stellt sie fest: Wilhelmsruher Hauptstraße, Kastanienallee, Straße vor Schönholz und Schönhauser Straße sind als Hauptstraßen kategorisiert. An Hauptstraßen ist es nun mal laut, denkt sich die Verkehrsplanerin. Warum sollten die LKWs über andere Hauptstraßen geleitet werden, fragt sie sich, dort wohnen schließlich auch Menschen, die Belastung würde sich nur verschieben. Erst vor Ort erkennt man: Das Problem in Wilhelmsruh, Niederschönhausen und Rosenthal ist ein anderes. Denn die Hauptstraßen hier sind die alten, engen Dorfstraßen von früher. In der Theorie fallen sie zwar in dieselbe Straßenkategorie wie die Hauptstraßen in Reinickendorf, aber sie verfügen nur über zwei schmale Spuren, eine Fahrspur pro Richtung, während die Hauptstraßen in Reinickendorf viel breiter sind, oft über vier und manchmal sogar sechs Spuren verfügen. Weil die Senatsverwaltung auf Beschwerden von Anwohnenden nicht reagierte, bekamen Vertreter*innen der bündnisgrünen Fraktion Pankow ihren geballten Frust auf dem Fest zur 125-Jahr-Feier von Wilhelmsruh 2018 zu spüren. Was haben wir seitdem getan? Es gab viele Treffen und Gespräche mit den Aktiven aus den verschiedenen Verkehrsinitiativen, Telefonate und einen Haufen E-Mails. Den ersten Anträgen 2019 auf verkehrsberuhigende Maßnahmen in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) stellvertretend für die Verkehrsinitiativen rund um Thomas Zoller – und damals noch Ingo Baenisch – folgte schnell Ernüchterung. Das Bezirksamt war mit dem Problem überfordert (kein Geld, zu wenig Personal, diverse andere Probleme …), die Senatsverwaltung schob das Problem beiseite und igelte sich ein. Lösung: Sperrung der Hauptstraßen für den schweren Lastverkehr Dafür nahm das mit den Verkehrsinitiativen und der Direktkandidatin für das Berliner Abgeordnetenhaus in Wahlkreis 2, Susanne Jahn, erarbeitete Konzept eines Kiezgebietes ohne durchfahrende LKWs langsam Form an. Die bündnisgrüne Fraktion gab 2021 auf Initiative der damaligen Bürgermeisterkandidatin Cordelia Koch bei einem Verkehrsjuristen ein Rechtsgutachten in Auftrag, das klären sollte, wie ein solches Kiezkonzept umgesetzt werden kann. Das Gutachten „Handlungsmöglichkeiten zur Unterbindung des schweren Lastverkehrs im Pankower Nordwesten“ gab eine klare Empfehlung: Mit dem straßenrechtlichen Instrument der sogenannten Teileinziehung einer Straße für eine bestimmte Benutzergruppe kann LKW-Verkehr, der sein Fahrtziel nicht in diesem Kiezgebiet hat, die Benutzung der Hauptstraßen untersagt werden. Dann ist jetzt alles klar? Nein. So einfach, wie sich das anhört, ist es leider nicht. Ein so großes Gebiet, also Wilhelmsruh, Rosenthal und Teile von Niederschönhausen, per Teileinziehung vom LKW-Verkehr zu befreien, wäre ein absolutes Novum, für das es derzeit kein Vorbild in Berlin gibt. Hiermit würden wir „Neuland“ betreten. Aber wir sind auf einem guten Weg: Die neue Staatssekretärin für Mobilität, Meike Niedbal, kam und sah sich die Situation vor Ort an. Es folgten weitere Termine mit ihr. Es gibt endlich den ernsthaften Willen, sich gemeinsam dem Problem zu stellen. Wie geht es weiter? Die BVV hat im August 2022 das Bezirksamt beauftragt, zu prüfen, welche Möglichkeiten es gibt, ein Kiezgebiet ohne durchfahrenden LKW-Verkehr zu verwirklichen. Für eine solche Prüfung braucht der Bezirk finanzielle Mittel von der Senatsverwaltung. Die Chancen dafür stehen gut. Die nächsten Schritte könnten dann ähnlich sein wie beim Gewerbegebiet Niederschönhausen, rund um die Wackenbergstraße. Dort besteht in einem viel kleineren Gebiet ein vergleichbares Problem. Wie dort könnte ein externes Büro mit einem umfassenden Gutachten beauftragt werden, in dem die Gegebenheiten genau analysiert und bei dessen Erstellung die Bürger*innen beteiligt werden. Damit könnten die kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen bestimmt werden, und die Verwaltung könnte sie endlich angehen. Jan Drewitz ist Sprecher für Mobilität in der Pankower BVV-Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen.