Leistungsfähiger öffentlicher Nahverkehr: Essentiell für unsere neuen Pankower Stadtquartiere! 14. Dezember 202314. Dezember 2023 Cornelius Bechtler - Foto: Laura Kraft, Pressestelle Pankow In den neuen Berliner Stadtquartieren sollen bis Ende 2026 mindestens 100.000 Wohnungen entstehen. Die Wohnungsnot in Berlin hat kaum vorstellbare Ausmaße erreicht, die weit über den gesamten Verflechtungsraum mit Brandenburg ausstrahlt. Kürzlich veröffentlichte die Wohnungsbaugesellschaft HOWOGE folgende Zahl: In nur einer halben Stunde bewarben sich 43.000 Interessierte auf 110 Wohnungen. Dies ist allerdings nur die Spitze des Eisbergs: Dahinter stehen tausende Menschen, die mittlerweile verzweifelt eine bezahlbare Wohnung suchen. Erschreckend dabei, zunehmend stoßen wir auf die illegale Praxis von Mietwucher oder zweifelhaften Geschäftspraktiken, z.B. die sehr teure Vermietung von möblierten Wohnungen, die die schwierige Situation am Wohnungsmarkt ausnutzen. Ein erheblicher Teil dieser benötigten Wohnungen soll im Bezirk Pankow entstehen: Noch in dieser Wahlperiode wollen wir mit dem Bau von 2.000 Wohnungen am Pankower Tor beginnen. Vor einem B-Plan-Aufstellungsbeschluss steht das größte bezirkliche Vorhaben mit 3.900 Wohnungen, die Alte Schäferei in Französisch Buchholz. Der Senat plant in Buch am Sandhaus ebenfalls ein neues Stadtquartier, in dem 2.700 Wohneinheiten (WE) geplant sind. Ein weiteres großes Projekt ist das Entwicklungsgebiet Blankenburg Süd (6.000 bis 8.000 WE). Die Elisabethaue, ebenfalls ein Senatsprojekt, wird mit weiteren 5.000 Wohnungen vorgesehen. All diese neuen Wohngebiete benötigen einen leistungsfähigen und attraktiven öffentlichen Personennahverkehr. Die S-Bahn muss dabei das Rückgrat im gesamten Nordostraum sein. Kein anderes Verkehrsmittel bietet auf der Grundlage bereits bestehender Infrastruktur ein vergleichbares Potential in unserem Bezirk, um tausende Menschen in den neuen Stadtquartieren schnell zu ihren Zielorten zu transportieren. Dafür muss das Angebot – mit neuen Linien auf den bestehenden Trassen und gleichzeitig einer erheblichen Taktverdichtung – ausgebaut sowie neue S-Bahnhöfe eingerichtet werden. Eine wichtige Ergänzung mit einer sehr erheblichen Netzwirkung bietet dabei der Ausbau der Tram. Eine gute Verknüpfung der Tram an den S-Bahnhöfen ist für eine hohe Attraktivität sogar eine wesentliche Voraussetzung des ÖPNV-Angebots. Bei der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klima und Umwelt (SenMVKU) wird diese Herausforderung immer noch verkannt: Der Bezirk Pankow fordert schon lange ein umfassendes Verkehrskonzept für den gesamten Nordostraum, der zudem auch die angrenzenden Kommunen im Barnim und Oberhavel in den Blick nimmt. Das bedeutet, dass die Bedarfe in den neuen Stadtquartieren ermittelt und die begrenzten Möglichkeiten im öffentlichen Verkehrsnetz analysiert werden. Auf dieser Basis erst lassen sich Maßnahmen entwickeln, die ermöglichen, die Mobilitätsbedürfnisse im gesamten Nordostraum insbesondere mit dem ÖPNV zu bewältigen. Wie wir als Bezirk erfahren mussten, ist nun aber von SenMVKU nur eine Untersuchung des bestehenden Verkehrsnetzes geplant. Von einem Konzept ist keine Rede mehr. Die Menschen in Buch, Karow oder Blankenburg können sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie zukünftig tausende Menschen zusätzlich mit dem ÖPNV transportiert werden sollen. Derzeit erleben sie vielmehr die Grenzen des ÖPNV, wenn sie wochenlang mit dem Schienenersatzverkehr unterwegs sind oder sich morgens in übervolle S-Bahnen quetschen müssen. Das Auto kommt als Alternative schon alleine aus Klimaschutzgründen, aber auch aus der Erfahrung der bestehenden Verkehrsprobleme nicht in Frage. Wir werden die Pankower*innen nur für den neuen Wohnungsbau gewinnen können, wenn wir glaubhaft die Verkehrsprobleme lösen. Die Mobilitätsziele des neuen Senats stehen dabei nur scheinbar im Widerspruch zu der verhaltenen Vorgehensweise von SenMVKU. Neue Straßenbahnprojekte stehen generell auf dem Prüfstand. Die Mobilitätswende mit einem umfassenden Ausbau des ÖPNV kommt somit zum Stillstand. Wir verlieren hiermit in Berlin wichtige Zeit, um die Stadt klimaneutral zu machen: Unverständlich ist daher der Beschluss des Senats, die Straßenbahn zum Blankenburger Süden nicht mehr bis zum S-Bahnhof Blankenburg zu führen. Hier wird auf einen wichtigen Netzschluss mit der S-Bahn am S-Bhf. Blankenburg verzichtet. Damit wird zudem die Chance vergeben, die Tram M2 vom Blankenburger Süden mit dem Liniennetz der Tram 50 in Französisch Buchholz über bestehende Verkehrsbarrieren zu verknüpfen und so neue attraktive Verkehrsbeziehungen zu schaffen. Die beiden U-Bahnprojekte, die U9 von der Osloer Straße über den Pankower Anger zum Blankenburger Süden sowie die U2 möglicherweise bis Französisch Buchholz zu führen, sind sehr teuer und benötigen bei der fraglichen Finanzierung mindestens 1 Jahrzehnt, wahrscheinlich sogar 2 Jahrzehnte bis zur Fertigstellung. Sie stehen in Konkurrenz mit allen Tram-Projekte und bergen die Gefahr, dass die Verkehrslösungen alle in eine ungewisse Zukunft verschoben werden. Eine neue U-Bahn-Linie U10 nach Buch wird keiner Kosten-Nutzen-Analyse standhalten. Eine Stärkung des ÖPNV lässt sich so nicht erreichen. Es gibt aber auch Gutes zu berichten: Zum aktuellen Fahrplanwechsel wird es auf der S2 längere Züge geben (8 statt 6 Wagen mit zusätzlichen 300 Plätzen). Die S26 fährt nun neu werktags ebenfalls mit 8 Wagen von Teltow Stadt nach Blankenburg und verdichtet dort das Angebot auf einen 5-Minuten-Takt. Ein Quantensprung wird in einigen Jahren der Ausbau des Karower Kreuzes sein, das zahlreiche neue Umsteigebeziehungen schaffen wird. Ebenso wichtig und viel schneller kommen müssen die neue Bahnhöfe an der Sellheimbrücke (zwischen Karow und Blankenburg) sowie Bucher Straße und Schönerlinder Straße (Französisch Buchholz). Diese sind essentiell für die neuen Stadtquartiere und müssen mit leistungsfähigen Takten verbunden werden. Ohne diese neuen S-Bahnhöfe wird eine äußere Erschließung der neuen Stadtquartiere nicht gelingen. Wohnungsneubau in Pankow wird nur stadtverträglich möglich sein, wenn die neuen Wohnungen von Beginn an leistungsfähig durch Schienenverkehr (S-Bahn und Tram im Verbund) angebunden sind: Für das Pankower Tor ist die geplante Straßenbahn zwischen Weißensee Pasedagplatz und S-Bhf. Pankow über Heinersdorf von erheblicher Bedeutung, um dort autoarmes Wohnen für 6.000 Menschen in dem neuen Stadtquartier zu verwirklichen. Es ist derzeit unklar, wann diese Straßenbahn kommt. Wir müssen aber dort autoarmes Wohnen verwirklichen, um die Klimaneutralität zu erreichen. An dieser Stelle wird deutlich, wie weit weg SenMVKU von den neuen Stadtquartiersprojekten ist. Hier wird nicht gemeinsam an einem Strang gezogen. Für die Alte Schäferei im Norden von Französisch Buchholz für ca. 12.000 Menschen muss der Bezirk klar fordern, dass mit Hochdruck ein neuer Ast der Tram 50 zu dem neu zu schaffenden S-Bhf. Schönerlinder Straße geplant und geschaffen wird. Perspektivisch muss dieser Ast die größte Potentialfläche für Gewerbe und Industrie Berlins erschließen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass dieses Gewerbegebiet auch von Wandlitz aus erschlossen werden muss. Dies kann hervorragend gelingen, wenn dieser Tramast an der Heidekrautbahn endet und damit auch das neue Gewerbegebiet Buchholz Nord von der Brandenburger Seite für den ÖPNV erschließt. Für alle Wohnungsbauprojekte in Buch ist essentiell, dass die S2 in einem dichten Takt, d.h. bei der Verwirklichung der Wohnungsbauprojekte in einem 5-Minuten-Takt z.B. durch die Verlängerung der S26, die notwendigen Kapazitäten bereitstellt. Für die Zubringerdienste zum S-Bhf. Buch müssen wir auch über ungewöhnliche Lösungen nachdenken. Wir sollten daher prüfen, ob eine Seilbahn für das neue Stadtquartier Am Sandhaus eine schnelle Anbindung an den S-Bhf. Buch schaffen kann. Das wäre sicher eine mutige und ungewöhnliche Entscheidung und wird auch eine Menge Diskussionen auslösen. Hier brauchen wir eine Machbarkeitsstudie, um diese Projektidee überhaupt erst mal auf Herz und Nieren zu prüfen und so mit den Bucherinnen und Buchern über dieses neue Verkehrsmittel in die Diskussion zu gehen. Wenn wir dieses neue Verkehrsmittel in Berlin prüfen wollen, dann wäre Buch ein möglicher erster Einsatzort. In Berlin fehlt bisher eine integrierte Verkehrsplanung, die die Stadtentwicklung mit der verkehrlichen Entwicklung zusammendenkt. Wir haben als Bezirk feststellen müssen, dass diese Notwendigkeit beim Senat noch immer nicht angekommen ist. Höchste Zeit, damit wir die Fehler der 90er Jahren nicht wiederholen und wie z.B. in Karow Nord oder Spandau Wohnungen schaffen ohne gute öffentliche Verkehrsanbindung. Cornelius Bechtler, Bezirksstadtrat in Pankow für Stadtentwicklung und Bürgerdienste