Nachruf vom Vorsteher der Bezirksverordnetenversammlung Pankow - Dr. Oliver Jütting

Wir trauern um Jens-Holger „Nilson“ Kirchner

Rede von Bezirksverordnetenvorsteher Dr. Oliver Jütting bei der 20. Tagung der Bezirksverordnetenversammlung Pankow.

Sehr geehrte Damen und Herren,

am letzten Wochenende ist eine der prägenden Personen der Pankower Politik gestorben. Jens-Holger Kirchner, genannt Nilson, hat den Kampf gegen den Krebs verloren.

Jens-Holger Kirchner wurde 1959 in Brandenburg an der Havel geboren. Er hat an der Komischen Oper Tischler gelernt. Und schön früh zeigte sich, weshalb er später so wichtig für uns, für den Bezirk, für die Politik geworden ist. Er hat bald keine Kulissen mehr gebaut, sondern Wagen. Wagen, für Kinder, zum Spielen. Unerhört in der durchorganisierten Welt der DDR. Denn diese Wagen waren nicht einfach rollende Spielplätze, sondern mehr. Freiräume; Räume, die die Menschen selbst gestalten konnten. Soziale Infrastruktur, von unten her geplant. Der Abenteuerliche Bauspielplatz Kolle 37 ist bis heute ein lebendiges Zeichen dieses Aufbruchs von unten.

Die Veränderungen wurden größer, die Friedliche Revolution zwang die Herrschaft der SED in die Knie. Am 6. Mai 1990 fanden die ersten freien Kommunalwahlen in der DDR statt. Auf der Liste der PDS zog Nilson Kirchner in die Stadtbezirksversammlung Prenzlauer Berg ein. Bald danach kam die Wiedervereinigung. Aus der Stadtbezirksversammlung wurde die Bezirksverordnetenversammlung. Nilson Kirchner wechselte in den 90er Jahren zu Bündnis 90/Die Grünen. Die Bezirksfusion machte aus drei Bezirken einen, nach der Wahl 2001 wurde er der erste Vorsteher der neuen BVV für eine volle Wahlperiode. Und so, wie er als Tischler die sozialen Räume verändert hat, so hat er das Amt geprägt. Er war präsent. Er hatte Ideen. Der Umweltpreis, der Ehrenamtspreis, die Senioren-BVV gehen auf diese Wahlperiode zurück.

Und – Nilson Kirchner scheute keine Auseinandersetzung. 2006 wurde ein Bauantrag für eine Moschee in Heinersdorf gestellt. Es gab einen Sturm der Entrüstung, Nilson Kirchner organisierte eine Bürgerversammlung, die abgebrochen werden musste. Er gab aber nicht auf, er blieb dran. Und nutzte seine Möglichkeiten als Vorsteher, mit einer Sondersitzung der BVV, zu der die Interessengemeinschaft Pankow –Heinersdorfer Bürger eingeladen wurde. Die Moschee wurde gebaut und ist heute längst Teil des religiösen Lebens in Pankow.

2006 wurde er nach den Berliner Wahlen zum ersten Mal zum Stadtrat gewählt, zunächst für den Bereich Öffentliche Ordnung, 2011 zum zweiten Mal, für Stadtentwicklung. 2016 dann ein drittes Mal, aber er wurde bald danach zum Staatssekretär für Verkehr ernannt und verließ die Bühne des Bezirks. Diesen Saal der BVV, der ein Vierteljahrhundert lang seine politische Bühne war.

Er hat in Pankow viel bewirkt – mit der Ekelliste und den Smileys wurde er bundesweit bekannt. Die Sanierung der Oderberger Straße und der Kastanienallee im Prenzlauer Berg. Die Einführung der Parkraumbewirtschaftung. Es ist zu viel, um es hier aufzuzählen.

2018 schließlich kam der Krebs. Er wurde als Staatssekretär entlassen, kämpfte sich wieder hoch, wurde in der Senatskanzlei zuständig für komplizierte Stadtentwicklungsprojekte. Es schien alles wieder seinen Gang zu gehen. Aber der Krebs kam immer wieder. Am Wochenende hat er diesen Kampf verloren.

Das ist seine politische Biografie, aber die ist nur ein Teil der Geschichte. Viele von uns hier im Saal haben eine gemeinsame Geschichte mit Nilson Kirchner. So auch ich. Als ich das erste Mal in dem Raum war, der heute mein Büro ist, stand „Jens-Holger Kirchner“ an der Tür und Nilson hinter dem Schreibtisch. Wir haben lange und intensiv über den bevorstehenden Wahlkampf 2006 geredet. Lieber Nilson, wo auch immer Du bist: Danke. Ich habe viel von Dir gelernt. Wir hatten wahrlich unsere Differenzen. Aber Du hattest immer gute Gründe für Deine Meinung und hast keine Diskussion gescheut. Du warst im besten Sinne nah an den Menschen.

Ich lade Sie jetzt ein, sich an Ihre Geschichte mit Nilson Kirchner zu erinnern.