KA-1049/IX

Jugendfreizeiteinrichtungen in kommunaler und freier Trägerschaft – Welcher Mix ist gut für Pankow?

Das Bezirksamt wird um folgende Auskunft gebeten:

06.05.2025

Am 22. Januar 2025 hat der Hauptausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses dem Sanierungskonzept und dem Ergänzungsplan des Bezirksamtes Pankow für 2025 zugestimmt. Im Sanierungskonzept heißt es unter anderem: „Im Kinder- und Jugendhilfeausschuss ist zu diskutieren und zu beschließen, ob die Kosten der kommunalen Einrichtungen zum Beispiel durch eine teilweise und sukzessive Abgabe an freie Träger mittel- und langfristig gesenkt werden können.“ In Vorbereitung auf die anstehenden Diskussionen im Jugendhilfeausschuss und um eine fundierte Entscheidung treffen zu können, frage ich das Bezirksamt:

1. Wie viele Jugendfreizeiteinrichtungen (JFE) gibt es in Pankow?

Es gibt 47 JFE in Pankow.

2.1. Wie ist das Zahlenverhältnis von Jugendfreizeiteinrichtungen in kommunaler Trägerschaft zu solchen in freier Trägerschaft?

Ein gutes Drittel kommunale Jugendfreizeiteinrichtungen (JFE) zu knapp zwei Drittel JFE in freier Trägerschaft.

2.2. Wie drückt sich das prozentual aus?

38 % der JFE in kommunaler Trägerschaft; 62% der JFE in freier Trägerschaft

2.3. Wie drückt sich das in tatsächlichen Zahlen aus?

18 kommunale JFEen; 29 JFEen in freier Trägerschaft

3. Sieht das Jugendamt einen Interessenkonflikt darin, gleichzeitig Konkurrentin und Förderin der freien Träger zu sein?

nein

4.1. Kommt es bisweilen oder regelmäßig vor, dass zusätzliche Ressourcen, z.B. in der Haushaltsdurchführung, aus Sondermitteln oder aus anderen Quellen in kommunale JFE fließen, ohne dass der Jugendhilfeausschuss davon erfährt oder an der Entscheidung beteiligt wird?

nein

4.2. Wenn ja, wie häufig ist dies in den vergangenen zehn Jahren vorgekommen?

entfällt

5.1. Sind kommunale Jugendfreizeiteinrichtungen in Pankow finanziell, personell und strukturell oder in Teilbereichen besser ausgestattet als JFE in freier Trägerschaft?

Je nach Art der Ausstattung ergibt sich ein unterschiedliches Bild. In Hinblick auf das Personal sind kommunale JFE in der Regel besser ausgestattet. Anders sieht es im Bereich der Einrichtungsausstattung aus. Die Ansätze der kommunalen Einrichtungen für Sachmittel, Anschaffung von Hygieneartikeln, Wartung von Aufzügen oder Feuerlöschern, Herstellung von Barrierefreiheit/Barrierearmut, Herstellung von Gerätesicherheit (TÜV-Plaketten) etc. wurden trotz jährlich steigender inflationsbedingter Kosten nicht erhöht. Im Gegensatz zu den freien Trägern haben die kommunalen Einrichtungen keinen Zugang zu Fördermitteln des Senats, wie zu den Gesamtstädtischen Mitteln/Ausstattungsfürsorge oder zu Fördermitteln über Drittmittelgeber wie z.B. der Aktion Mensch zur Herstellung von Barrierefreiheit oder dem Prämiensparen zur Sachmittelausstattung.

5.2. Wenn ja, warum ist das so?

Grund für die bessere Ausstattung beim Personal sind die festen Tarifverträge.

5.3. Wenn ja, erachtet es das Jugendamt für sinnvoll, Finanzierungsgerechtigkeit zwischen
kommunalen und freien Trägern herzustellen?

Die Herstellung entsprechender Rahmenbedingungen fällt nicht in den Aufgabenbereich des
Jugendamtes

5.4. Oder ist Finanzierungsgerechtigkeit gar nicht sinnvoll oder herstellbar?

Finanzierungsgerechtigkeit im Sinne einer vollständigen Deckungsgleichheit der Finanzierung von kommunalen und freien Trägern ist aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen
(Tarifautonomie, Vertragsfreiheit, Unterschied zwischen öffentlich-rechtlich und privatrechtlich ausgestalteten Arbeitsverhältnissen) nicht herstellbar.

5.5. Aus welchen Gründen ist die Herstellung von Finanzierungsgerechtigkeit nicht sinnvoll
oder möglich?

siehe Beantwortung zu Frage 5.4

5.6. Oder gibt es gar keinen Handlungsbedarf, da die Finanzierung der kommunalen Einrichtungen in etwa vergleichbar ist mit der Finanzierung von Einrichtungen in Freier Trägerschaft?

siehe Beantwortung zu Frage 5.4

6.1. Wie verhält es sich mit der Vergleichbarkeit zwischen kommunalen und freien beim
Thema ausreichender Personalausstattung bezogen auf die pädagogische Nutzfläche? Lässt sich hier ein Unterschied erkennen?

Maßgeblich ist hier der Fachstandard Umfang. Die pädagogische Nutzfläche ist nicht mehr
der maßgebliche Ausstattungsstandard gem. Jugendförder- und Beteiligungsgesetz.

6.2. Wenn ja, worin besteht der Unterschied und wie groß ist er?

entfällt

7.1. Bezogen auf die Gehaltsstruktur in den Einrichtungen – wie verhält es sich mit der Vergleichbarkeit der monatlichen Gehälter von Leitungskräften und Pädagoginnen und Pädagogen in den kommunalen JFE und den Einrichtungen in freier Trägerschaft?

Eine Vergleichbarkeit ist nicht in allen Projekten herzustellen, gerade wenn die Projekte in
freier Trägerschaft auch Landesmittel erhalten.
Grundsätzlich gilt das Prinzip des Besserstellungsverbotes im Zuwendungsrecht.

7.2. Sind die Gehälter in etwa gleich hoch?

Bei gleicher Eingruppierung ist die Bezahlung gleich hoch. Die Träger sind gehalten, möglichst entsprechend dem tariflichen Bezahlungsniveau des Landes Berlin zu zahlen. Hierfür werden Tarifmittel über die Tarifmittelvorsorge des Landes bereitgestellt.

7.3. Wenn nein, wie groß ist der Unterschied bei den Verdiensten?

entfällt

7.4. Wie verhält es sich mit Sonderzahlungen, wie etwa der Berlinzulage und Tarifsteigerungen? Haben diese einen größeren Einfluss auf die Vergleichbarkeit der Gehälter? Und wenn ja, wie groß ist der Einfluss dieser Faktoren?

Bisher wurden Zulagen im Rahmen der Tarifmittelfürsorge über den Tarifmittelrechner an die
freien Träger ausgezahlt. Sonderzahlungen wie die Hauptstadtzulage und die Jahressonderzahlung werden i.d.R. nicht ausgereicht.
Ob im Rahmen der gedeckelten Tarifmittelfürsorge im aktuellen Haushaltsjahr alle Sonderzahlungen geleistet und ausgereicht werden können, kann derzeit noch nicht abgeschätzt werden.

7.5. Sind Sonderzahlungen und Tarifsteigerungen die wesentlichen Faktoren für eine mögliche Ungerechtigkeit in den Gehaltsstrukturen? Oder spielen weitere Faktoren eine Rolle, wie etwa höhere Grundgehälter, und wenn ja, welche?

siehe Beantwortung Frage 7.4.

8. Ist Finanzierungsgerechtigkeit zwischen kommunalen und freien Trägern ein Handlungsziel des Jugendamtes?

siehe Beantwortung zu Frage 5.4

9. Anders als bei den Zuwendungen für freie Träger hat der Jugendhilfeausschuss keine
bis sehr wenig Entscheidungsbefugnisse und möglicherweise auch keine Kenntnis darüber, wie viele Ressourcen konkret in kommunale Jugendfreizeiteinrichtungen fließen. Sieht das Jugendamt ein Problem darin, dass die kommunalen JFE weitestgehend außerhalb der Kontrolle und Entscheidungsbefugnis des KJHA liegen?

Die der Frage zugrundeliegende Prämisse trifft nicht zu. Die Finanzierung der kommunalen
Einrichtungen ist Teil des Haushaltsplanes des Bezirkes, der durch die BVV beschlossen und
auch Gegenstand der Beratung im KJHA ist. Darin finden sich sämtliche Personal- und
Sachkosten, die für die kommunalen JFEen anfallen.

    Aufgrund der Haushaltslage der letzten Jahre sind die verfügbaren Mittel nur noch zum Erhalt/Betrieb der kommunalen Einrichtungen ausreichend. Selbst die Anschaffung von Hygieneartikeln stellt inzwischen eine finanzielle Herausforderung dar.

    10.1. Für wie sinnvoll erachtet es das Jugendamt, jährlich und parallel zum Antragsverfahren der freien Träger auch ein Verfahren zur Finanzierung der kommunalen Einrichtungen unter Beteiligung des KJHA durchzuführen?

    Aus Sicht des Jugendamtes wird dies nicht für sinnvoll erachtet.

    10.2. Welche Schwierigkeiten wären mit einem solchen Verfahren verbunden?

    Es ist personell für das Jugendamt nicht leistbar und wird auch fachlich nicht als sinnvoll erachtet.

    10.3. Was wären die Vorteile eines solchen Verfahrens?

    Aus fachlicher Sicht werden keine Vorteile gesehen.

    11. Wie viel kostet der Betrieb einer Jugendfreizeiteinrichtung in kommunaler Trägerschaft? (Berechnet z.B. anhand von Modelleinrichtungen: kleine JFE, mittelgroße JFE, große JFE, oder anhand der Kostensumme aller Einrichtungen geteilt durch die Einrichtungsanzahl.)

      Kostensumme aller Einrichtungen 2024: 8.327.090,- €

      Einrichtungsanzahl 2024: 20 (Das M24, die Garage und der Kurt-Lade-Klub werden als eine Einrichtung geführt, in der KRL aber als drei Einrichtungen ausgewiesen. 2024 waren durch die vorübergehende Schließung der JFE Fallobst 17 Einrichtungen in Betrieb.)

      Kostensumme einer Einrichtung: 416.354,50 €

      Wichtig ist, dass darin auch Overhead-Kosten für JFE freier Träger, die bezirkliche Immobilien nutzen, enthalten sind.

      Wenn freie Träger Räume der kommunalen Jugendförderung nutzen, z.B. über mietkostenfreie Überlassung, wie es in Pankow in den meisten Fällen im Bereich der freien Jugendarbeit der Fall ist, dann werden die Overhead-Kosten dem Produkt der kommunalen Jugendförderung zugeschlagen. Die Overhead-Kosten trägt also die kommunale Jugendförderung, obwohl freie Träger die Räume nutzen. D.h., dass die kommunale Jugendförderung weiterhin in der KLR mit diesen Kosten belastet wird. Die allgemeinen Kosten der Arbeit eines freien Trägers werden dann aber auf das Produkt 80964 gebucht.

      Dadurch ergibt sich bei der kommunalen Jugendförderung eine Kostensumme, die die über die freie Jugendarbeit entstandenen Overhead-Kosten beinhaltet.

      12. Wieviel kostet der Betrieb einer Jugendfreizeiteinrichtung in freier Trägerschaft? (Berechnet z.B. anhand von Modelleinrichtungen: kleine JFE, mittelgroße JFE, große JFE, oder anhand der Kostensumme aller Einrichtungen geteilt durch die Einrichtungsanzahl.)

      Bei den freien Trägern werden nur die Mittel im Bezirk abgebildet, die sie über den Bezirk
      erhalten. Im Rahmen der KLR werden die Mittel bzw. die Kosten, die die Einrichtungen über
      zusätzliche Mittel der Senatsverwaltungen erhalten, nicht abgebildet.

      Kostensumme aller Einrichtungen 2024: 4.367.261,- €

      Einrichtungsanzahl 2024: 28

      Kostensumme einer Einrichtung: 155.973,61 €

      Die anfallenden Overhead-Kosten werden bei den kommunalen Einrichtungen berücksichtigt. (siehe Beantwortung Frage 11: „Wichtig ist…“)

      13.1. Wie wirken sich die kommunalen JFE konkret auf die Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) aus?

      Die meisten Mengen in der Angebotsform 1 (AF 1) erbringen die kommunalen JFE, obwohl es deutlich weniger kommunale Einrichtungen als freie Einrichtungen gibt. Die kommunalen JFE erbringen deutlich höhere Mengen bei moderaten Kosten.

      Die Budgetierung in der Jugendförderung erfolgt aktuell nicht nach einzelnen Produkten, sondern innerhalb eines zusammengefassten Budgetierungsobjekts (AF 1), in dem sowohl die kommunale als auch die freie Jugendförderung enthalten sind. Diese Zusammenfassung führt zu strukturellen Ungleichheiten zwischen den Bezirken.

      Die Kernproblematik des aktuellen Modells liegt in der unterschiedlichen Kostenstruktur der beiden Angebotsformen:

      • Die kommunale Jugendförderung weist deutlich höhere Stückkosten auf als die Angebote freier Träger. Hauptgrund hierfür sind Overhead-Kosten.

      • Die Berechnung des Budgets orientiert sich am Medianstückkostenpreis aller Bezirke, ohne den jeweiligen Anteil der kommunalen Jugendförderung zu berücksichtigen.

      • Bezirke mit einem hohen kommunalen Anteil haben durch diese Systematik einen strukturellen Nachteil gegenüber Bezirken, die einen geringen kommunalen Anteil aufweisen und damit geringere Stückkosten in die Medianberechnung einbringen.

      Konkret bedeutet das für Pankow:

      • Der kommunale Anteil an Leistungsstunden in der AF 1 der Jugendarbeit liegt in Pankow bei 56,5 %, während der Berliner Durchschnitt ca. 32 % beträgt.

      • Die Median-Stückkosten für kommunale Angebote liegen für das Jahr 2024 bei 84,55 €, während sie für freie Träger 59,48 € betragen (2023 kommunal: 82,22 €, frei: 52,79 €).

      • Pankow liegt bei beiden Produkten mit den Stückkosten (2024 kommunal: 76,82 € und frei: 51,98 €) deutlich unter dem Median, was bei einer getrennten Budgetierung eine auskömmliche Finanzierung ermöglichen würde (2023 kommunal: 77,38 €, frei: 50,10 €).

      13.2. Wird ein finanzieller Gewinn oder Verlust erwirtschaftet?

      Gewinn ist nicht der korrekte Fachbegriff. Gewinne dürfen in der gemeinnützigen Arbeit nicht erwirtschaftet werden. Es handelt sich um Budgetgewinne.

      • Bezirke mit einem hohen Anteil an freier Jugendförderung profitieren von der Medianbudgetierung, während Bezirke mit vielen kommunalen Angeboten systematisch Defizite erwirtschaften.

      • So lagen die Stückkosten des Budgetierungsobjektes für 2025 (Basis ist das KLR-Ergebnis von 2023) in Pankow wegen der hohen Gewichtung des kommunalen Anteils bei 65,62 €, der Median jedoch nur bei 62,74 €, zusätzlich abgesenkt durch den Medianfaktor auf nur 60,- € (Zuweisungspreis).

      ➜ Diese Differenz erzeugt das Defizit.

      • Trotz effizienter Bewirtschaftung der Mittel liegt das Budgetierungsergebnis für Bezirke wie Pankow strukturell im Minus.

      13.3. Wie hoch ist der finanzielle Gewinn, respektive Verlust?

      Beispielzahlen zur Budgetierung:

      • KLR-Ergebnis 2023 (beide Produkte einzeln betrachtet): positives Ergebnis von 749.676,- €

      • Budgetierung 2025 (durch Zusammenfassen der Produkte in einem Budgetierungsobjekt): Defizit von –825.784,- €

      Für das Jahr 2024 gab es für das Budgetierungsobjekt ein Budget von 11.116.823,- €. Ausgegeben wurden jedoch 12.694.351,- €.

      13.4. Was sind die Gründe für den Gewinn, respektive Verlust laut KLR?

      Das KLR-Ergebnis 2023 weist ein positives Ergebnis aus, wenn kommunale und freie Jugendförderung separat betrachtet werden. Doch die Zusammenfassung beider Produkte in einem Budgetierungsobjekt für die Budgetierung 2025 führt zu einem Verlust von –825.784,- €, was die strukturellen Ungleichgewichte im aktuellen Modell verdeutlicht.

      14.1. Wie wirken sich die JFE in freier Trägerschaft konkret auf die KLR aus?

      Die JFE in freier Trägerschaft wirken sich kostendämpfend auf die KLR aus, da die Stückkosten deutlich geringer sind.

      14.2. Wird ein finanzieller Gewinn oder Verlust erwirtschaftet?

      Da beide Produkte in einem Budgetierungsobjekt zusammengefasst sind, lässt sich diese Frage nicht getrennt beantworten. Siehe Antwort zu Frage 13.2.

      14.3. Wie hoch ist der finanzielle Gewinn, respektive Verlust?

      Da beide Produkte in einem Budgetierungsobjekt zusammengefasst sind, lässt sich diese Frage nicht getrennt beantworten. Siehe Antwort zu Frage 13.3.

      14.4. Was sind die Gründe für den Gewinn, respektive Verlust laut KLR?

      Da beide Produkte in einem Budgetierungsobjekt zusammengefasst sind, lässt sich diese Frage nicht getrennt beantworten. Siehe Antwort zu Frage 13.4.

      15. Einmal abgesehen von der KLR – welche weiteren Aspekte spielen eine Rolle bei den tatsächlichen Kosten einer Jugendfreizeiteinrichtung? (z.B. fiskalisch oder kameral)

      Alle relevanten Kosten werden in der KLR abgebildet.

      16.1. Ausgehend vom Erhalt sämtlicher Leistungsstunden in der Pankower Jugendarbeit – ließen sich durch die Übertragung von kommunalen Einrichtungen in freie Trägerschaft Einsparungen im Pankower Haushalt erzielen?

      nein

      16.2. Wenn ja, wie hoch wäre das Einsparpotenzial insgesamt?

      entfällt

      16.3. Wenn ja, wie hoch wäre das Einsparpotenzial bezogen auf eine einzelne Einrichtung?

      entfällt

      16.4. Wenn nein, was sind die konkreten Gründe dafür, dass eine Übertragung keinen positiven Effekt auf den Pankower Haushalt hätte?

      Die Personalkosten bleiben bestehen, da es sich bei den Mitarbeitenden in den kommunalen Jugendfreizeiteinrichtungen um Mitarbeitende des Bezirksamtes handelt. Darüber hinaus bleiben die Gebäude auch bei einer Übertragung im Fachvermögen des Bezirksamtes und das Bezirksamt wird weiterhin für diese Gebäude inklusive Grundstücke in der KLR gleichermaßen belastet. Das Jugendamt bräuchte zudem hohe zusätzliche Mittel für Zuwendungen, um freie Träger fördern zu können, ein neues Angebot in einer neuen Einrichtung zu implementieren. Personalkosten können/dürfen haushaltsrechtlich nicht in Zuwendungsmittel im Rahmen eines Doppelhaushaltes umgewandelt werden.

      17. Gesetz den Fall, es ließen sich tatsächlich Kosten durch Übertragungen einsparen, wie lange würde es dauern, bis sich dies positiv auf die KLR und auf den Pankower Haushalt auswirken würde?

      Es dauert im Rahmen der KLR mindestens einen Doppelhaushalt bis Budgetgewinne erzielt werden können. Faktisch wird es länger dauern, da die Altersstruktur der kommunalen Einrichtungen derzeit so aussieht, dass keine kurzfristige Verminderung der Personalkosten möglich ist. Hier wird von einer Perspektive von 8-12 Jahren ausgegangen.

      18. Was würde eine Übertragung von kommunalen Einrichtungen in freie Trägerschaft für die derzeit Mitarbeitenden Angestellten des öffentlichen Dienstes bedeuten?

      Es handelt sich um Mitarbeiter:innen des öffentlichen Dienstes, die einen unbefristeten Vertrag mit dem Land Berlin geschlossen haben und die angemessen zu beschäftigen sind. Die Personalkosten bleiben auch dann bestehen, wenn die bisherige Einrichtung nicht mehr besteht. Auch eine Gestellung des Personals aus den kommunalen JFE bringt dem Bezirksamt keine Kostenersparnis, da Personal- und alle Umlagekosten in gleicher Höhe bestehen bleiben.

      19. Was würde eine Übertragung von kommunalen Einrichtungen in freie Trägerschaft für die bezirklichen Gebäude bedeuten, in denen diese Einrichtungen untergebracht sind?

      Der freie Träger würde das Objekt im Rahmen der mietkostenfreien Überlassung gem. AG KJHG vom Bezirk zur Nutzung bekommen. Für das pädagogische Angebot, welches dann in der Einrichtung stattfindet, erhält er vom Bezirk eine Zuwendungssumme. Im Rahmen dieser Zuwendung muss der freie Träger die anfallenden Betriebskosten vorhalten sowie Kosten für den täglichen Unterhalt und Kleinreparaturen im Rahmen des Zuwendungsrechts selbst durchführen. Es hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass Gebäude, die von freien Trägern betrieben wurden/werden und sich weiterhin im Fachvermögen des Bezirks befinden, nicht in einen besseren Zustand gebracht wurden als die Gebäude, in denen sich kommunale Einrichtungen befinden. Ausgenommen hiervon waren die Herstellung von Barrierearmut und Hitzeschutzmaßnahmen durch Sondermittel.

      20. Gäbe es nach Kenntnis des Jugendamtes bei bestimmten freien Trägern potenziell Interesse an der Übertragung einer kommunalen JFE? (Gemeint sind solche Träger, die über hinreichend Erfahrung in der Jugendarbeit verfügen, in Pankow gut vernetzt sind und die gewachsenen Beziehungen fortführen könnten.)

      Das Jugendamt hat derzeit keine Kenntnis darüber, dass ein freier Träger eine kommunale JFE übernehmen möchte.

      21. Was spräche aus fachlicher Sicht dafür, den derzeitigen Mix aus kommunalen JFE und JFE in freier Trägerschaft genau so beizubehalten?

      Der derzeitige Mix sollte aus fachlich-pädagogischer Sicht beibehalten werden. Das Jugendamt ist per Jugendförder- und Beteiligungsgesetz verpflichtet, allen jungen Menschen im Rahmen der Jugendförderung im Bezirk Pankow in den Angebotsformen des Gesetzes Angebote zu offerieren. Die kommunalen JFE erbringen nicht nur die meisten Mengen in der AF 1- standortgebundenen Arbeit, sondern stellen auch eine sichere Versorgungslage für die zu erreichenden Zielgruppen dar, da sie auch in unsicherer Haushaltslage nicht kurzfristig abgewickelt werden können. Die Entwicklung im Land Berlin zeigt, dass es im Bereich SGB VIII § 11 – 13 ff. in den zuwendungsgeförderten Angeboten bei den freien Trägern auch auf Landesebene bzw. bei Landesmitteln weitere Kürzungen geben wird, da dies in der Projektförderung zuwendungsrechtlich auch im Rahmen eines Förderjahres möglich ist. Gleichzeitig ist ein Mix aus freien und kommunalen Angeboten in der Jugendförderung fachlich sehr sinnvoll, da durch die unterschiedliche Trägerschaft gegenseitig Anreize zur stetigen Entwicklung der Angebotslage geschaffen werden.

      22. Was spricht aus haushälterischer Sicht dafür, den derzeitigen Mix aus kommunalen JFE und JFE in freier Trägerschaft genau so beizubehalten?

      Es werden finanziell keine kurzfristigen Vorteile deutlich, da weder zusätzliche Mittel in der Zuwendungsförderung zur Verfügung stehen, noch Einsparungen im Bereich des Personals zu erwarten sind, da die Personalkosten weiterhin bestehen bleiben. Eine Veränderung des derzeitigen Mixes trägt nicht zu geringeren Kosten bei und hat daher derzeit keine, insbesondere kurzfristigen, finanziellen Vorteile.

      23. Was sind die fachlichen Gründe, weshalb der Bundesgesetzgeber die kommunale Trägerschaft als Ausnahme und die freie Trägerschaft als Regelfall vorgesehen hat?

      Diese Aussage ist so nicht korrekt. Es gibt keine Gesetzgebung, die diese Regelung vorsieht.

      24. Was sind die Gründe dafür, weshalb Pankow entgegen den meisten anderen Berliner Bezirken nach wie vor auf einen großen Anteil an kommunalen JFE setzt?

      In vielen anderen Bezirken, und das wird über die gemeinsame Gremienarbeit in der Jugendförderung immer wieder deutlich, müssen immer höhere Mietzahlungen gerade in innerstädtischen Lagen geleistet werden, um dort Angebote vorhalten zu können. Teilweise suchen freie Träger über Monate verzweifelt Räume, in denen sie ihr Angebot in den per Zuwendungsvertrag vorgegebenen Sozialräumen anbieten können. Immer mehr Jugendhilfeangebote werden aus kommerziellen Gründen gekündigt, weswegen es in der Jugendförderung bereits eine Initiative für mehr kommunale Jugendförderung gibt. Der in den 2000er Jahren in Berlin verfolgte, finanziell begründete Ansatz, Gebäude abzugeben und Räume für pädagogische Angebote zu mieten, hat sich nur als kurzfristige Ersparnis für viele Bezirke herausgestellt, da jetzt häufig die Mietkosten so hoch sind, dass Teile des pädagogischen Angebots den Mietkosten zum Opfer fallen. Zudem haben sich die Mietpreise seit den 2000er Jahren sehr stark nach oben entwickelt.

      In Pankow gab es daher die politische Entscheidung, kommunale JFE zu erhalten, um dieser Entwicklung entgegenzutreten und die fachliche Stabilität pädagogischer Angebote zu sichern (Pankower Konsens). Dies wurde so entschieden, da in Pankow schon früher als in anderen Bezirken Gentrifizierung stattgefunden und der Bezirk schon damals eine höhere Mietpreisentwicklung gesehen und erwartet hat, als andere Bezirke.

      Weitere Gründe sind:

      • Selbst, wenn das Jugendamt übertragen würde, die Einspareffekte würden erst nach Jahren greifen, je nachdem, wie rigoros vorgegangen wird.

      • Die anderen o.g. Risiken für die freien Träger würden bestehen bleiben.

      • Für den Bezirk würden sich andere Produkte verteuern, da die Umlagekosten nicht verschwinden, sondern diese Kosten nur gleichmäßig auf andere Produkte aufgeteilt werden würden.

      • Ohne zusätzliche Mittel müssten für zwei Jahre Einrichtungen/Angebote geschlossen werden. Das würde letztlich zum Verlust der gesamtstädtischen Mittel führen, da der Bezirk hier verpflichtet ist, ein gewisses Produktsummenbudget seiner bezirklichen Förderung vorzuhalten, um Anspruch auf die gesamtstädtischen Mittel zu haben.

      • Das Jugendamt steckt hier in einem Dilemma, aus dem keine Lösung führt, wenn das gemeinsame Budgetierungsobjekt nicht aufgelöst wird. Zur Auflösung des Budgetierungsobjektes gibt es die AF 1 betreffend bereits Initiativen einzelner Bezirke.

      25.1. In Anbetracht der Bundesgesetzgebung und der Anreize bzw. der finanziellen Sanktionen des Senates für eine vergleichbar hohe Anzahl an kommunalen Einrichtungen – was hat aus Sicht des Jugendamtes dazu geführt, dass Pankow in der Vergangenheit, anders als die meisten anderen Bezirke, eine Übertragung von kommunalen Einrichtungen in freie Trägerschaft kaum thematisiert und vorangetrieben hat?

      siehe Beantwortung Frage 24

      25.2. Hat dies politische Gründe?

      siehe Beantwortung Frage 24

      25.3. Hat dies fachliche Gründe?

      siehe Beantwortung Frage 24

      25.4. Hat dies finanzielle oder haushälterische Ursachen?

      siehe Beantwortung Frage 24

      Rona Tietje