Kleine Anfrage - KA-0244/IX

Blaue Perlen Gewässerschutz für Pankow

Bezirksamt Pankow von Berlin
Abt. Ordnung und Öffentlicher Raum
Bezirksstadträtin

07.06.2022

Herr Bezirksverordneter
Axel Lüssow, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
über
den Vorsteher der Bezirksverordnetenversammlung Pankow von Berlin
über
den Bezirksbürgermeister

Kleine Anfrage KA-0244
über
Blaue Perlen Gewässerschutz für Pankow

Das Bezirksamt wird um folgende Auskunft gebeten:

1. Welche Stand- oder Fließgewässer sind in Pankow aktuell als „Blaue Perlen“ einbezogen, welche Maßnahmen wurden an diesen Gewässern via „Blaue Perlen”- Programm bereits durchgeführt und/oder welche Maßnahmen werden voraussichtlich wann durchgeführt werden?

Rübländer Graben:
Der Rübländer Graben wurde als „Blaue Perle“ in Pankow mit einbezogen, ist jedoch nicht als prioritäres Realisierungsprojekt eingestuft. Die Begründung verweist auf geringere Aufwertungsmöglichkeiten im Vergleich zu den anderen Gräben und der zum Großteil fehlenden Zugänglichkeit der Flächen (vgl. Anlage A). Hinweise wann die Maßnahmenumsetzung zeitlich einzuordnen sind, gibt es derzeit noch nicht.

Maßnahmenplanung:

A1 Rückbau der Sohlebefestigung
B1 Rückbau der Uferbefestigung
A2 Pflanzung / Entwicklung von Unterwasser- /Schwimmblattpflanzen-Beständen
B2 Uferabflachungen / Anlage von Flachwasserbereichen
A3 Neuprofilierung des Gewässerverlaufs (Schaffung von einzelnen Aufweitungen)
B3 Pflanzung / Entwicklung von Ufer-Röhrichten
B4 Entfernung von Gehölzen zur Schaffung besonnter Uferpartien

Bei dem durch das Wohngebiet verlaufenden Grabenabschnitt ist aufgrund des in der Regel schmalen Gewässerkorridors nur eine interne Aufwertung möglich. Das Gewässer quert jedoch ebenfalls einige sich in öffentlicher Hand befindliche Parzellen, bei denen das Umfeld in größerem Maße in die Maßnahmenplanung miteinbezogen werden könnte. Dies betrifft sowohl den zwischen Amselstraße und Schönerlinder Weg gelegenen „Platz A“ als auch das Grundstück rechtsseitig der Straße 86. Im unmittelbaren Umfeld des Platzes befindet sich zudem das Geschützte Landschaftsbestandteil (GLB) „Wiesen am Rübländer Graben“. Der innerhalb des GLB verlaufende Grabenabschnitt kennzeichnet sich durch einen linearen Verlauf und befestigte Ufer aus, wodurch auch hier ein Aufwertungspotenzial gegeben ist.

Kappgraben (südlichen Teilabschnitt)
Darüber hinaus wurde der Kappgraben als prioritäres Realisierungsprojekt der „Blaue Perlen“ eingestuft. Die Renaturierung des nördlichen Teilabschnittes des Kappgraben wird im Rahmen des Bauvorhabens BAB A114 als Ersatzmaßnahme 25.1E durch SenUMVK, Abteilung V, Projektbereich Wasser federführend umgesetzt. Somit wurde nur der Gewässerabschnitt östlich der Bucher Chaussee in die „blauen Perlen“ mit aufgenommen. Am 08.04.2020 wurde dem Umwelt- und Naturschutzamt hierzu ein erstes Maßnahmenkonzept zur Prüfung vorgelegt (vgl. Anlage B).

Maßnahmenplanung:

A1 Rückbau der Sohlbefestigung
A2 Neutrassierung und Schaffung einer Sekundäraue
A3 Erhöhung der Strukturvielfalt durch Einbau von Strömungslenkern
A4 Einbau von Sohlschwellen
B1 Rückbau der Uferbefestigung
B2 Pflanzung von standorttypischen, heimischen Gehölzen
B3 Entnahme von standortfremden Gehölzen
C1 Aufschichtung von Reisighaufen

Ein hohes Aufwertungspotenzial besteht hauptsächlich für die durch weniger dicht bebaute Bereiche führenden Gewässerabschnitte. Hier sei beispielsweise das kurz vor der Mündung liegende Brachland oder das sich im Süden befindliche Grünland erwähnt, welche sich jeweils im Besitz der öffentlichen Hand befinden. Ziel der Maßnahme die Schaffung eines Retentionsraumes und Gewässerentwicklungskorridors, in welchem eigendynamische Prozesse des Gewässers ablaufen können. Die Entwicklung eines Mosaiks aus überwiegend feuchten Biotopen als Lebensraum für Flora und Fauna und Verbesserung des Landschaftsbildes durch Erhöhung der Strukturvielfalt.
Laut Auskunft von SenUMVK (Abteilung III B 1-1) ruht die Planung zum Projektvorhaben, infolge der priorisierten Umsetzung anderer Gewässerstandorte in anderen Bezirken wie der Schleipfuhl- Komplex und der Lankegrabenteich. Aufgrund der komplexen Anforderungen an die Beseitigung des bestehenden Wassermangels (rechtliche und fachliche Grundsatzklärungen zur Überleitung von abgekoppeltem Regenwasser in die Gewässer erforderlich) sind die Gewässer, derzeit nicht als kurzfristig umsetzbare Realisierungsgewässer geeignet und können daher erst in einer nächsten Umsetzungsphase berücksichtigt werden.

2. Ist dem Bezirksamt bekannt, welche weiteren Gewässer der „mehr als 100“ als mögliche „Blaue Perlen“ in Pankow geprüft wurden, und falls ja – welche sind dies?

Antwort:

GewässerBegründung zur EinstufungKategorie
Schwarzwassersee
Großer und kleiner
Repppfuhl
100 %-iger Flächenzugriff im Umland, Maßnahme der Wasserzuführung erfolgt im Leitprojekt SenUVK,
Maßnahmen wie Entschlammung oder zur
Wiederherstellung des Laichgewässers im Projekt Blaue Perlen möglich, aber auch im Leitprojekt SenUVK beschrieben
2
Nachrücker
Hobrechtsfelder
Riesellandschaft
hohe Dringlichkeit, 100 %-iger Flächenzugriff im
Umland, sehr hohe Bedeutung Amphibienschutz,
aber nach Leitprojekt SenUVK bereits Maßnahmen in Planung, ehemals LIFE- Projekt der NABU
2
Nachrücker
GLB Karower Teichberg
Waldgraben
Pappelwiese
Krugpfuhl
Karower Teiche:
Ententeich, Inselteich,
Schilfteich und
Weidenteich
Status als Schutzgebiet3
Ausschluss
KreuzpfuhlDenkmalschutz (Gartendenkmal/ Ensemble)3
Ausschluss
Zingergrabenzwar Aufwertungspotenzial gegeben, aber nach H.
Brandt (SenUVK, schriftl. Mitt. 2019) bereits einige
Maßnahmen umgesetzt; Hinweis, dass weitere
Maßnahmen wie Entschlammung unter starkem
Prüfvorbehalt stehen, nach BA Pankow als
Bestandteil des Leitprojektes – GAK
„Landschaftswasserhaushalt“
3
Ausschluss
Zingerteichzwar Aufwertungspotenzial gegeben, aber nach H.
Brandt (SenUVK, schriftl. Mitt. 2019) bereits einige
Maßnahmen umgesetzt; Hinweis, dass weitere
Maßnahmen wie Entschlammung unter starkem
Prüfvorbehalt stehen; nach BA Pankow Sanierung
zudem zu aufwendig
3
Ausschluss
Bitburger Teiche
GLB Teich Hansastraße
z.T. Privateigentum3
Ausschluss
Kappgraben (nördlicher
Teilabschnitt)
Umsetzung als Ersatzmaßnahme 25.1E (BAB A114)3
Ausschluss
Tempelgrabenhohes Aufwertungspotential gegeben; jedoch
begrenztes Zugriffsmöglichkeiten (überwiegend
gewässerinterne Aufwertung möglich); im Osten
Landschaftsschutzgebiet (LSG) Zingerwiesen
angrenzend, aber dort größtenteils Privateigentum,
zudem zwischen Graben und Wiesen Straße parallel
verlaufend
3
Ausschluss
nach
Begehung
Upstallgrabenhohes Aufwertungspotential gegeben; begrenzte
Zugriffsmöglichkeit / Zugänglichkeit (überwiegend
zwischen Einfamilienhäusern mit schmalem
Gewässerkorridor); kleinflächig Korridorbreite von
ca. 15 m, im Westen Brachen mit größerem
Flächenzugriff
3
Ausschluss
nach
Begehung

3. Gibt es eine „Nachrücker-Liste“ für „Blaue Perlen“, die bereits für eine zweite Tranche vorgesehen sind – und falls ja, welche Gewässer in Pankow stehen auf dieser Liste?

Für den Bezirk Pankow wurden der Schwarzwasssersee, die Repppfuhle und die Gewässerstandorte der Hobrechtsfelder Riesellandschaft in die „Nachrückerliste“ der „Blaue Perlen“ aufgenommen. Nach Aussage von SenUMVK ist eine zweite Tranche derzeit nicht in Planung.

4. Welche weiteren Gewässer würde das Bezirksamt prioritär als „Blaue Perlen“ in Pankow ausgewiesen sehen, und aus welchen Gründen?

Schwarzwassersee und Repppfuhle: Diese Gewässer wurden von uns gemeldet, weil im Rahmen der Gesamtstädtischen Ausgleichskonzeption (GAK) nur eine Wiederaufnahme der künstlichen Bezuschussung mit Wasser geprüft werden soll, nicht aber die Entschlammung oder Wiederherstellung als Laichgewässer (Erdkröte). Gleichzeitig wird ein sinnvoller Biotopverbund gefördert. Ein Wassermangel ist dann kein Hinderungsgrund mehr, vielmehr greifen zwei GAK Komplexe so sinnvoll ineinander. Deshalb sollten die Teiche in die Kategorie 1 („Blaue Perle“) als Nachrücker aufgenommen werden. Aktuell erfolgte die Einstufung als potentielles Nachrückgewässer (Zwischenbericht Mai 2020). Gewässer der Hobrechtsfelder Riesellandschaft: Die Flächen werden nicht über das LIFE – Projekt Kreuzkröte aufgewertet, da das Projekt abgelehnt wurde. Weitere Planungen zur Förderung der Kreuzkröte werden im Rahmen von Kompensationsmaßnahmen (bspw. als Ersatzhabitat / Pankower Tor) derzeit geprüft. Dennoch unterstützen wir weiterhin die Aufnahme in die Kategorie 1 („Blaue Perle“) als Nachrücker, da mit relativ wenigen Mitteln hier große Effekte erzielt werden könnten. Die Berliner Forsten als Flächeneigentümer würden dies ebenfalls befürworten. Aktuell erfolgte die Einstufung als potentielles Nachrückgewässer (Zwischenbericht Mai 2020).

Auch die von SenUMVK gemeldeten Fließgewässer Tempel- und Upstallgraben, würde das Umwelt- und Naturschutzamt gerne als „Blaue Perle“ ausgewiesen sehen. Zumal für diese Gewässer auch nach Prüfung der k.o.- Kriterien und Feinfilterkriterien ein hohes Aufwertungspotential gegeben war. Grundsätzlich sind an diesen Standorten die uferseitig begrenzten Zugänglichkeiten und Zugriffsmöglichkeiten, aufgrund angrenzender Privatflächen, vorab zu prüfen und abzuklären.

5. „Für stehende Gewässer 2. Ordnung, also alle nicht-schiffbaren Seen und Teiche, liegt die Gewässeraufsicht jeweils beim bezirklichen Umwelt- und Naturschutzamt.“ [3]. Ist es für die Ressourcen des Bezirksamtes relevant, ob Stand- oder Fließgewässer in Pankow als „Blaue Perlen“ ausgewiesen werden?

Maßnahmen zur Gewässersanierung und –restaurierung (Rückbau Uferbefestigung, Sedimententfernung, Neuprofilierung der Böschung) sind meist kostenintensiv und erfordern umfangreiche naturschutzfachliche Planungen einschließlich Defizitanalyse, gewässerökologische Voruntersuchungen und Kartierarbeit. Dementsprechend ist es für die personellen und auch finanziellen Ressourcen des Bezirksamtes relevant, ob diese komplexen Maßnahmen von SenUMVK begleitet werden können. Zudem besteht ein Mangel an potentiellen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmenflächen gegenüber einem erhöhten Baubedarf bzw. Wachstum der Stadt.

6. Ist der Schutz von Kleingewässern in Pankow mit dem „Blaue Perlen“-Programm ausreichend abgedeckt? Falls Nein, was würde das Bezirksamt benötigen, um den Schutz von Kleingewässern gewährleisten zu können, und mit welchen Zielen (Artenschutz, Klimaanpassung, Erholungswert, …)?

Die Maßnahmenkonzepte, die für die ausgewählten Blauen Perlen im Bezirk entwickelt wurden, sind ein guter Anfang, reichen aber nicht aus. Vielen weiteren Kleingewässern fehlt es an Pflege und vor allem an Wasser.

Voraussetzung für eine ökologische Aufwertung ist die Organisation eines nachhaltigen Wassermanagements sowie abgestimmten Leitbildern mit Grundsätzen zur hydrologischen und ökologischen Bewirtschaftung. In diesem Zusammenhang kommt der Regenwassereinleitung durch die Abkopplung von Bestandsflächen und anderen Formen der Wasserzufuhr eine hohe Bedeutung als Maßnahme zur Stärkung des Wasserhaushalts von Gewässern zu. Ihre Umsetzung stellt in vielen Fällen die Grundvoraussetzung für die Durchführung weiterer gewässeraufwertender Maßnahmen dar, ist aber auch mit einer Reihe von bisher ungeklärten Modalitäten verbunden. So setzt eine Abkopplung von (privaten) Bestandsflächen immer die Bereitschaft des Eigentümers für bauliche Änderungen voraus. Hinzu kommt die Frage nach den Unterhaltungskosten.

Für ein standardisiertes Verfahren außerhalb des Blaue Perlen Programms müssen Regelungslücken geschlossen sowie vorrausichtlich Anreize für Privateigentümer geschaffen werden. Es bedarf Handlungsleitfäden sowie v.a. die Entwicklung eines grundstücks- und verwaltungsübergreifenden Regenwassermanagements für eine gesamtbezirkliche Betrachtung und Planung. Verwaltungsabläufe und Zuständigkeiten müssten ebenso geklärt werden wie Finanzierungsmöglichkeiten für den Leitungsbau, die Vorreinigung und Unterhaltung der Anlagen.

Für eine zügige Umsetzung einschließlich der Planung der Anlagen zur Regenwassereinleitung und –reinigung sowie der Gewässermodellierung wäre außerdem die systematische Erfassung möglicher Regenwasserpotenziale (Dach- und Straßenflächen, Bauvorhaben) im Einzugsbereich von Kleingewässern und die zu erwartende Qualität des vorhandenen Zuschusswassers förderlich.

Neben der Notwendigkeit von rechtlichen und fachlichen Grundsatzklärungen stellt die Finanzierungsfrage bei Vorhaben zur Gewässerrenaturierung bzw. ökologischen Aufwertung von Kleingewässern eine große Herausforderung für den Bezirk dar. Bisher verwendete Finanzmittel aus Förderprogrammen, Ersatzzahlungen und Investitionsmittel des Bezirks werden durch die zuletzt stark gestiegenen Kosten im Landschafts-, Erd- und Wasserbau schnell erschöpft. Bereits geplante gewässeraufwertende Maßnahmen müssen nach Dringlichkeit priorisiert bzw. bis zur Beschaffung neuer Finanzierungsmittel ausgesetzt werden. Ggf. wäre eine Neuauflage spezieller (Förder-)Programme sowie die Bündelung bestehender Finanzierungsquellen verschiedenen Ressorts (Naturschutz, Regenwassermanagement, Klimaschutz- und Anpassung) für eine integrierte und umsetzungsstarke Projektbearbeitung notwendig.

Der Ausschluss der übrigen bezirklichen Gewässer aus dem Ökokontenprojekt der Blauen Perlen bedeutet nicht, dass Maßnahmen an diesen Gewässern grundsätzlich als nicht sinnvoll oder notwendig gesehen werden. Vielmehr begründet sich die Nicht-Aufnahme mit abweichenden Zielsetzungen und Handlungsschwerpunkten (Arten- und Denkmalschutzbelange, Freizeit und Erholung) sowie durch notwendig angesehene Eingriffe, die bisher oder retroperspektiv noch nicht als anrechenbare Kompensationsmaßnahme gelten/galten.

Die Festlegung von primären und sekundären Entwicklungszielen ist immer im Einzelfall zu überprüfen. Neben der Begutachtung der naturschutzfachlichen und hydrologischen Notwendigkeit spielen im städtischen Kontext auch der soziokulturelle Wert sowie die Auswirkungen auf das Mikroklima eine bedeutende Rolle. Letztlich obliegt es einer fachgutachterlichen Gesamteinschätzung, welche Ziele bei der Gewässerentwicklung verfolgt werden.

Manuela Anders-Granitzki

[1] https://www.berlin.de/rbmskzl/aktuelles/pressemitteilungen/2022/pressemitteilung.1174842.php
[2] https://www.berlin.de/sen/uvk/natur-und-gruen/biologische-vielfalt/berliner#beispiele/arten-und-lebensraeume/kleingewaesser/
[3] https://www.berlin.de/ba-pankow/politik-und-verwaltung/aemter/umwelt-und#naturschutzamt/naturschutz/artikel.231044.php

Kleine Anfrage auf der BVV-Seite: https://www.berlin.de/ba-pankow/politik-und-verwaltung/bezirksverordnetenversammlung/online/ka020.asp?KALFDNR=4026