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Privatstraßen ohne Eigentümer im Bezirk Pankow

Das Bezirksamt wird um folgende Auskunft gebeten:
Eigentümerin des nördlichen Teils des Vienweg (zwischen den Hausnummern 53 und 129),
bei dem es sich um eine tatsächlich-öffentliche Straße in Privateigentum handelt, ist die
PANDION GmbH & Co. Grundbesitz KG. Diese Gesellschaft wurde am 27.03.2015 von
Amts wegen aus dem Handelsregister des AG Neuruppin gelöscht (vgl. Anlage 1). Auch die
PANDION Verwaltungsgesellschaft mbH, die persönlich haftende Gesellschafterin der Pan-
dion GmbH & Co Grundbesitz KG, wurde am 17.3.2015 von Amts wegen aus dem Handels-
register des AG Neuruppin gelöscht (vgl. Anlage 2).
Die PANDION GmbH & Co. Grundbesitz KG ist allerdings noch nicht vollständig liquidiert,
da sie zumindest noch Eigentümerin des oben genannten Straßenabschnittes des Vienwegs
ist.
Die PANDION GmbH & Co. Grundbesitz KG ist „führungslos“, dass heißt sie hat keine Or-
gane mehr, die für sie handeln könnten. Es ist kein Geschäftsführer/Liquidator bestellt. Die
persönlich haftende Gesellschafterin, die Pandion Verwaltungs mbH, ist ebenfalls insolvent
und führungslos.
Die PANDION GmbH & Co. Grundbesitz KG treffen als Eigentümerin einer tatsächlich-öf-
fentlichen Privatstraße eine Reihe von Pflichten. Dazu gehören u.a. die Verkehrssicherungs-
pflichten, vgl. Sauthoff, Öffentliche Straßen, 3. Auflage 2020, Rn. 17: „Haftungsgrund ist
demgemäß die faktische Verantwortungsübernahme für die Sicherheit und den Schutz der
Erwartungen, die in denjenigen gesetzt werden, der den Verkehr eröffnet. […] Sie betrifft da-
her zunächst alle Flächen, auf denen tatsächlich öffentlicher Verkehr stattfindet, und zwar
auch dann, wenn sie im Eigentum eines Privaten steht (Privatstraße). In diesem Sinne findet
öffentlicher Verkehr statt, wenn der Verantwortliche die Benutzung des Wegs durch die All-
gemeinheit nur duldet, oder er erkennen kann, dass eine Beschränkung der Bestimmung des
Nutzerkreises missachtet wird.“
Diese Pflicht kann die PANDION GmbH & Co. Grundbesitz KG infolge ihrer Führungslosig-
keit und der fehlenden Haftungspotenz ersichtlich nicht wahrnehmen.
Der Vienweg wurde an der untersten Grenze der Baustandards errichtet. Er wird voraussicht-
lich nach einer Nutzungsdauer von 50 Jahre oder früher zur Erneuerung anstehen. Da der
Eigentümer in oben genannten Straßenabschnitt insolvent und führungslos ist, werden keine
Rückstellungen für die absehbare Erneuerung/Reparatur des Vienwegs gebildet.
In der tatsächlich-öffentliche Privatstraße „Vienweg“ findet daher in dem oben genannten
Straßenabschnitt weder heute noch künftig eine angemessene Instandhaltung statt. Auch die
Verkehrssicherungspflicht wird nicht wahrgenommen.
Für die Nutzenden und Anwohnenden stellt das schon jetzt eine potentielle Gefahrenquelle
dar.

Ich frage das Bezirksamt:
1. Handelt es sich bei dem Ist-Zustand der mangelnden Verkehrssicherung im Vienweg aus
Sicht des Bezirksamtes um einen Missstand für die Allgemeinheit?
Die Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit im Vienweg resultiert vorrangig aus dem
Fehlverhalten von Kraftfahrenden, die ihr Fahrzeug ordnungswidrig auf der Fahrbahn
oder auf dem Gehweg parken.

2. Liegt ein Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung vor? Wenn nein, warum
nicht?
Die Parkordnung im Vienweg regelt sich durch § 12 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO).
Demnach ist das Parken an engen Stellen, vor Grundstücksein- und –ausfahrten sowie
auf dem Gehweg unzulässig.

3. Wie beabsichtigt das Bezirksamt auf die mangelnde Verkehrssicherung durch den Eigen-
tümer im Vienweg zu reagieren?
Die Bezirksamt Pankow prüft in Hinblick auf bestimmte Einbauten bzw. zwecks Einleitung
verkehrsregelnder Maßnahmen derzeit einzelne Eigentumsverhältnisse zum Vienweg.

4. Aus welchem Grund möchte das Bezirksamt, ohne gleichzeitig eigene verkehrliche An-
ordnungen zur Verkehrssicherheit umzusetzen,
a) sogenannte Verkehrshelfer im Vienweg 61 entfernen, die für mehr Verkehrssicherheit
von Kindern aufgestellt wurden?
b) vier Sperrpfosten im Vienweg 57 und 101 entfernen, die aktuell das Zuparken eines
Hydranten verhindern sollen und an anderer Stelle das Zuparken einer Parkplatzeinfahrt
verhindern sollen?
c) alle nicht amtlichen Verkehrsschilder, die das Parken verbieten, entfernen, mit der
Folge, dass der Straßenquerschnitt breiter wird und sich noch weniger an die Geschwin-
digkeitsbegrenzung halten werden?
d) alle nicht amtlichen Verkehrsschilder, die das Parken verbieten, entfernen, und damit
dann auch das Parkverbotsschild vor dem Hydranten entfernen, mit der Folge, dass die-
ser zugeparkt werden wird?
a-d) Die genannten Aufbauten bzw. Einbauten befinden sich zum Teil unzulässigerweise
auf der Fahrbahn und stellen eine Verkehrsbeeinträchtigung bzw. –behinderung gemäß §
32 Abs. 1 und 2 StVO und § 33 Abs. 2 (StVO dar.

5. Aus welchem Grund wartet das Bezirksamt mit der Entfernung der in Frage 4 genannten
Gegenstände nicht solange, bis es sich für eigene geeignete Maßnahmen entschieden
und diese angeordnet hat?
Siehe Antwort zu 4.

6. Wie wird das Bezirksamtes reagieren, wenn sich der Zustand des Vienwegs verschlech-
tert und für die Nutzer und Anlieger die erforderliche Sicherheit für eine gefahrlose Nut-
zung dauerhaft nicht mehr gegeben ist?
Das Bezirksamt Pankow ist weiterhin angehalten, bei Bedarf wirksam auf veränderte Ver-
kehrssituationen im Vienweg zu reagieren.

7. Gemäß § 4 Abs. 2 Straßenreinigungsgesetz Berlin ist der Eigentümer zur ordnungsgemä-
ßen Reinigung einer Privatstraße des öffentlichen Verkehrs verpflichtet. Wer übernimmt
die Straßenreinigung einschließlich des Winterdienstes, wenn der Eigentümer insolvent,
aus dem Handelsregister gelöscht und führungslos ist?
Die Verkehrssicherungspflicht (einschließlich Winterdienst) und auch die Verpflichtung zur
ordnungsgemäßen Reinigung (sommerliche Reinigung und Winterdienst) obliegen dem Ei-
gentümer. Diese Verpflichtung besteht allein durch die im jeweiligen Grundbuch, Erste Ab-
teilung, eingetragene Eigenschaft als Eigentümer, unabhängig von der wirtschaftlichen Si-
tuation o.Ä. des Eigentümers und bleibt bis zur Eigentumsumschreibung bestehen (vgl.
hierzu Geigel/Wellner, Haftpflichtprozess, Kapitel 14., Anwendungsfälle des § 823 Abs. 1
BGB, 29. Auflage 2024, Rn. 169).

8. Wer haftet, wenn jemand aufgrund einer verletzen Verkehrssicherungspflicht zu Schaden
kommt?
Die Verkehrssicherungspflicht obliegt grundsätzlich dem Eigentümer bzw. der Eigentüme-
rin.

9. Wenn niemand haften sollte: Betrachtet das Bezirksamt Pankow das als einen haltbaren
Zustand, der fortbestehen darf? Wenn ja, mit welcher Begründung?
Mögliche Maßnahmen des Bezirksamtes sind abhängig von der konkreten Ausgestaltung
des Einzelfalles.

10. Sind Eigentümergesellschaften wie die PANDION GmbH & Co. Grundbesitz KG für Pri-
vatstraßen wie den Vienweg zur Leistung öffentlicher Abgaben und Steuern verpflichtet?
Hier liegt die Zuständigkeit beim Finanzamt.

11. Was geschieht, wenn solche Abgaben und Steuern nicht beigetrieben werden können?
Hier liegt die Zuständigkeit beim Finanzamt.

12. Findet in der Verwaltungsvollstreckung eine Vollstreckung in das Grundeigentum statt?
Wenn nein: Warum nicht?
Hier liegt die Zuständigkeit beim Finanzamt.

13. Handelt es sich bei dem Vienweg mit dem insolventen und führungslosen Eigentümer um
eine singuläre Erscheinung?
14. Sind dem Bezirksamt in Pankow noch weitere vergleichbare Privatstraßen bekannt, die
seit 1990 von Projektgesellschaften errichtet wurden?
15. Wenn Frage 14 ja: Um welche Wege und Straßen handelt es sich?
16. Wenn Frage 14 ja: Sind diese Projektgesellschaften weiterhin solvent, im Handelsregister
eingetragen und verfügen sie über einen geregelten Geschäftsbetrieb?
17. Sind dem Bezirksamt weitere Privatstraßen im Bezirk bekannt,
a) deren Eigentümergesellschaft insolvent ist?
b) deren Eigentümergesellschaft führungslos ist?
c) deren Eigentümer nicht in der Lage ist, für die Sicherheit der Straße zu sorgen?
d) deren Eigentümer nicht in der Lage ist, Rücklagen für Erhalt zu bilden?
18. Gedenkt das Bezirksamt sich Kenntnis über Privatstraßen im Bezirk, deren Erbauer insol-
vent sind? Falls ja, wie? Falls nein, warum nicht?
Antwort zu den Fragen 13-18 aus dem Bereich Stadtentwicklung:
Zu den Fragen 13-18 haben wir im Fachbereich Stadtplanung keine Erkenntnisse. Eine
diesbezügliche Recherche für den gesamten Bezirk ist seitens des Fachbereichs Stadt-
planung auch nicht leistbar.

19. Wie kann das Bezirksamt bei zukünftigen Baugebieten verhindern, dass sich Projektge-
sellschaften als Eigentümer von Privatstraßen in ähnlicher Weise aus der Verantwortung
stehlen?
Grundsätzlich sollte die Erschließung neuer Baugebiete nicht über Privatstraßen erfolgen
bzw. es werden Durchführungs- oder städtebauliche Verträge abgeschlossen.