KA-0937/IX

Regenwassereinleitung am Wilhelmsruher See


Das Bezirksamt wird um folgende Auskunft gebeten:
Das Bezirksamt schreibt [1] zur Sanierung des Wilhelmsruher Sees: „Von April bis
September 2024 ist der Anschluss eines Regenwasserkanals durch die Berliner
Wasserbetriebe geplant. […] Ausgeprägte Niedrigwasserstände infolge langer
Trockenperioden werden sich auch in Zukunft nicht vermeiden lassen. Für etwas Abhilfe
wird die Zuleitung von vorgereinigtem Regenwasser aus dem Einzugsgebiet sorgen. Die
Planung und Umsetzung für die Niederschlagswassereinleitung erfolgt in
Zusammenarbeit mit den Berliner Wasserbetrieben.“

  1. Aus welchen Quellen im „Einzugsgebiet“ und in welcher jeweiligen Menge wird
    Regenwasser in den Wilhelmsruher See eingeleitet a) aktuell, b) (voraussichtlich)
    dauerhaft nach Ende der Sanierung (u.a. über die Maßnahme via BWB)?

    a) Aktuell erfolgt keine Niederschlagswassereinleitung in den Wilhelmsruher See. Die
    natürliche Wasserversorgung des zu- und abflusslosen Gewässers erfolgt nur durch
    direkte Niederschläge und einen oberflächennahen Schichtenwasserzufluss.
    b) Östlich des Gewässers entlang des Heegermühler Wegs verläuft die
    Regenwasserkanalisation der Berliner Wasserbetriebe (BWB). Mit einer Sohlhöhe von
    42,63 m NHN bietet das Schachtbauwerk 31225513 die Möglichkeit Regenwasser
    über eine Freispiegelleitung in das Gewässer abzuschlagen. Der zu erwartende
    Oberflächenabfluss im Einzugsgebiet des o.g. Schachtbauwerkes liegt bei 186 mm/a.
    Damit beträgt der theoretisch mögliche zusätzliche Zufluss in den Wilhelmsruher See
    ca. 1.110 m³ pro Jahr. Baulogistisch bedingt schließen sich die Arbeiten für die
    Regenwassereinleitung den Aufwertungsmaßnahmen am Gewässer an und werden
    abweichend von der oben zitierten Mitteilung des Bezirksamtes erst in der ersten
    Jahreshälfte 2025 umgesetzt.
  2. Welche baulichen Maßnahmen für diese Regenwassereinleitungen aus 1.
    bestehen derzeit auf a) öffentlichen, b) privaten Flächen am Wilhelmsruher See,
    welche weiteren Bauwerke sind geplant, und wie erfolgt(e) die Finanzierung
    jeweils bzw. soll die Finanzierung erfolgen?

    Da bisher keine Regenwassereinleitungen existieren (siehe Frage 1), sind für diese
    Zwecke auch keine baulichen Bestandsanlagen am Gewässer vorhanden. Für die
    Regenwasserzuleitung aus dem in Frage 1 genannten Einzugsgebiet erfolgen bauliche
    Maßnahmen ausschließlich in der öffentlichen Grünanlage und im öffentlichen
    Straßenraum. Die Maßnahme zur Stützung des Wasserstandes ist Bestandteil des
    Gesamtvorhabens zur ökologischen Aufwertung des Wilhelmsruher Sees und wird
    finanziert mit dem Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt (SIWA/SIWANA)
    sowie durch Ersatzgelder aus dem Vorhaben „Ausbau der Autobahn A 114“. Weitere
    Bauvorhaben für Regenwassereinleitungen sind nicht geplant.
  3. Welche Verträge (z.B. „Gestattungsverträge“) sind für diese
    Regenwassereinleitungen aus 1. jeweils notwendig – und welche eventuellen
    Hindernisse bei diesen Verfahren sieht das Bezirksamt bei der Einleitung von
    Regenwasser in Gewässer?

    Eine Inanspruchnahme eines Gewässers in einer öffentlichen Grünfläche für die
    Entwässerung von öffentlichen Straßen und Grundstücken ist nur nach individueller
    vertraglicher Vereinbarung zwischen dem Flächeneigentümer (hier SGA) und den BWB
    möglich. Die Parteien müssen sich bezüglich Haftungsfragen, Kostenaufteilung, Wartung,
    Instandhaltung und Instandsetzung der baulichen Anlagen einig sein. Da es für diesen
    Vorgang noch keine erprobte Vorgehensweise gibt, gestaltet sich die Vereinbarung als
    äußerst komplex und zeitaufwändig.
    Politischer Wille zur Neuausrichtung des urbanen Regenwassermanagements (Stichwort:
    Schwammstadt) wurde im Koalitionsvertrag 2023-2026 bekundet, jedoch fehlt es für die
    Umsetzung an klaren Verantwortlichkeiten, Verwaltungsvorschriften und einer konkreten
    Untersetzung mit Personal und finanziellen Mitteln. Eine Auftragserweiterung der BWB, wie
    sie in der Pressemitteilung vom Senat vom 29.10.2024 angedeutet worden ist [2], könnte
    einen substantiellen Beitrag leisten, wenn die BWB auch Aufgaben der
    Regenwasserbewirtschaftung außerhalb des Straßenlandes übernehmen (z.B.
    Regenwasserückhalt/-versickerung in öffentlichen Grünflächen). Dann müssten nicht für
    jeden Einzelfall aufwendige vertragliche Vereinbarungen getroffen werden.
  4. Welche „Vorreinigung“ des Regenwassers ist notwendig, wie geschieht diese
    jeweils – und unter welchen Voraussetzungen ist eine (weitere) Einleitung von
    Dächern und versiegelten Flächen im Einzugsgebiet möglich?

    Bevor das Regenwasser in den Wilhelmsruher See eingeleitet wird, werden gut
    absetzbare, d.h. grobe Stoffe und Schwimmstoffe in einem Sandfang zurückgehalten.
    Nach der Vorreinigung im Sedimentationsschacht ist eine weitergehende Reinigung des
    Regenwassers in einem naturnahen Verfahren (Schilfpolder) notwendig. Durch die Anlage
    einer horizontalen Schilfpassage wird die Fließgeschwindigkeit herabgesetzt, wodurch es
    zur Sedimentation von Trübstoffen, in welchen auch Nährstoffe wie Phosphor und
    Stickstoff partikulär gebunden sind, kommt. Teilweise erfolgt eine Aufnahme von
    Nährstoffen in das wachsende Schilf. Die eigentliche Rückhaltung von gelösten
    Nährstoffen findet jedoch im Aufwuchs von Algen unterhalb der Wasseroberfläche statt.
    In der Summe weist das aus dem Polder ablaufende Wasser eine geringere
    Nährstoffkonzentration auf als im Zulauf.
    Die Einleitung von weiterem „Fremdwasser“ in den Wilhelmsruher See darf weder zu
    stofflichen noch hydraulischen Belastungen führen. Hier sind entsprechende Nachweise
    zu erbringen. Das Behandlungserfordernis von Niederschlagswasser erfolgt auf
    Grundlage allgemeiner Kenntnisse zum Stoffaufkommen unterschiedlicher
    Herkunftsflächen nach dem DWA Merkblatt DWA-A 102-2/BWK-A 3-2 [3]. Als
    Referenzgröße dienen die abfiltrierbaren Stoffe mit Korngrößen 0,45 μm bis 63 μm
    (AFS63). Auch wenn sich mit dem genannten Regelwerk keine Behandlungsbedürftigkeit
    berechnen ließe, würde am Wilhelmsruher Sees immer noch eine Einzelfallfallprüfung
    erfolgen, da es als Kleingewässer besonders empfindlich gegenüber stofflichen Einträgen
    reagiert. Problematisch sind zum Beispiel Dächer mit Bitumenbahnen und integriertem
    Wurzelschutz (Herbizid-Austrag).
    Neben der Bewertung möglicher Auswirkungen auf das Gewässerökosystem und das
    Landschaftsschutzgebiet durch das Umwelt- und Naturschutzamt (UmNat) wäre
    außerdem eine fachliche Prüfung der Belange des Straßen- und Grünflächenamtes
    (SGA) als Eigentümer der Fläche notwendig.
  5. Wer ist beteiligt, und welche Aufgaben bei der Regenwassereinleitung
    übernehmen a) das Straßen- und Grünflächenamt, b) das Amt für Umwelt- und
    Naturschutz, c) die Berliner Wasserbetriebe, d) private Eigentümer*innen, e)
    weitere Akteure?

    a) Um eine anhaltende Nährstoffretention im Schilfpolder beizubehalten, muss langfristig
    die Unterhaltung des Schilfpoldersystems gewährleistet sein. Nach einer anfänglichen
    Etablierungsphase ist eine jährliche Mahd, vorrangig im Winterhalbjahr,
    durchzuführen. Dies trägt nicht nur zur Optimierung der Retentionsleistung während
    der Vegetationszeit bei, sondern reduziert auch die Verlandung des Schilfpolders. Die
    Arbeiten werden vom SGA übernommen.
    b) Als Aufsichtsbehörde überwacht UmNat die Entwicklung des Gewässers unter dem
    Einfluss der Regenwassereinleitung. Im Rahmen eines noch zu beauftragenden
    Monitorings sollen über einen längeren Zeitraum mindestens viermal jährlich
    Gewässerproben entnommen und auf verschiedene limnochemische Parameter
    untersucht werden.
    c) Für die Unterhaltung des Sedimentationsschachtes zur Vorreinigung sind die BWB
    zuständig. Neben der regelmäßigen Kontrolle auf Funktionsfähigkeit ist mindestens
    einmal jährlich die Anlage von Ablagerungen zu befreien.
    d) entfällt
    e) entfällt
  6. Wird nach Einschätzung des Bezirksamts durch diese „etwas Abhilfe“ [1] eine
    dauerhafte Stabilisierung des Wasserstandes am Wilhelmsruher See erreicht
    werden, werden alle zur Verfügung stehenden Quellen zur Einleitung von
    Regenwasser dauerhaft ausgeschöpft – und falls nein, wieso nicht?

    Klimamodelle sagen eine Zunahme der Niederschlagsmengen im Berliner Raum voraus.
    Gleichzeitig steigen aber auch die Temperaturen und damit die Verdunstung von
    Wasserflächen. Ob der ökologische Mindestwasserbedarf des Wilhelmsruher Sees durch
    die Regenwassereinspeisung langfristig sichergestellt werden kann, lässt sich somit nicht
    seriös voraussagen. In jedem Fall wird durch die Abkopplung der natürliche
    Wasserhaushalt der Landschaft gestärkt und die Regenwasserkanalisation mit Blick auf
    die zunehmende Anzahl von Starkregenereignissen entlastet.
    Theoretisch wäre eine Stützung des Wasserstandes durch die Fremdwasserzuleitung aus
    anderen Quellen (Trink- oder Grundwasser) denkbar. Diese Möglichkeiten wurden jedoch
    aus Nachhaltigkeitsgründen wieder verworfen.
  7. In welchen weiteren Pankower Gewässern wird aktuell gezielt Regenwasser
    eingeleitet, welchen jeweiligen Quellen – und wird durch diese Einleitungen
    voraussichtlich eine dauerhafte Stabilisierung der jeweiligen Wasserstände
    erreicht werden?

    Kleingewässer, die von Oberflächenwasser gespeist werden, weisen im Normalfall
    stärkere Wasserstandsschwankungen auf als Gewässer mit Grundwasserversorgung. Eine
    „dauerhafte Stabilisierung“ ist ökologisch nicht immer sinnvoll; stärkere Schwankungen
    bis zeitweiliges Austrocknen sind durchaus natürlich und bedeutsam. Ein längeres oder
    totales Trockenfallen von Kleingewässern, wie im Berliner Raum schon länger zu
    beobachten ist, birgt allerdings Gefahren für die aquatischen Ökosysteme.
    Gezielte Stützungsmaßnahmen konzentrieren sich bisher auf besonders schützenswerte
    Kleingewässer. Der Krugpfuhl als bedeutsames Amphibiengewässer (OT Französisch
    Buchholz) wird mit Niederschlagswasser aus dem Wohngebiet Buchholz/West versorgt.
    Bei langen Trockenphasen sieht das Bewässerungssystem zusätzlich eine Versorgung mit
    Brunnenwasser vor, jedoch ist die dafür notwendig Pumpe nicht mehr funktionsfähig. Die
    Gesamtanlage für die Wasserversorgung des Pfuhls bedarf einer umfangreichen
    Begutachtung und wahrscheinlich Instandsetzung. Ob perspektivisch eine Stützung mit
    Grundwasser wieder möglich sein soll, muss ebenso geprüft werden. Das Projekt kann
    derzeit aufgrund der Personalsituation im Bezirksamt nicht weiterverfolgt werden, ebenso
    wenig andere Vorhaben an Pankower Gewässern zur Verbesserung des
    Wasserhaushaltes.
    [1] https://www.berlin.de/ba-pankow/politik-und-verwaltung/aemter/umwelt-und-
    naturschutzamt/aktuelles/
    [2]https://www.berlin.de/rbmskzl/aktuelles/pressemitteilungen/2024/pressemitteilung.1
    498282.php
    [3] DWA-A 102-2/BWK-A 3-2 – Grundsätze zur Bewirtschaftung und Behandlung von
    Regenwetterabflüssen zur Einleitung in Oberflächengewässer – Teil 2:
    Emissionsbezogene Bewertungen und Regelungen, herausgegeben durch die Deutsche
    Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. – D

Manuela Anders-Granitzki

Link auf der Seite der BVV: https://www.berlin.de/ba-pankow/politik-und-verwaltung/bezirksverordnetenversammlung/online/ka020.asp?KALFDNR=4719