KA-0937/IX Regenwassereinleitung am Wilhelmsruher See 14. November 202414. November 2024 Das Bezirksamt wird um folgende Auskunft gebeten:Das Bezirksamt schreibt [1] zur Sanierung des Wilhelmsruher Sees: „Von April bisSeptember 2024 ist der Anschluss eines Regenwasserkanals durch die BerlinerWasserbetriebe geplant. […] Ausgeprägte Niedrigwasserstände infolge langerTrockenperioden werden sich auch in Zukunft nicht vermeiden lassen. Für etwas Abhilfewird die Zuleitung von vorgereinigtem Regenwasser aus dem Einzugsgebiet sorgen. DiePlanung und Umsetzung für die Niederschlagswassereinleitung erfolgt inZusammenarbeit mit den Berliner Wasserbetrieben.“ Aus welchen Quellen im „Einzugsgebiet“ und in welcher jeweiligen Menge wirdRegenwasser in den Wilhelmsruher See eingeleitet a) aktuell, b) (voraussichtlich)dauerhaft nach Ende der Sanierung (u.a. über die Maßnahme via BWB)?a) Aktuell erfolgt keine Niederschlagswassereinleitung in den Wilhelmsruher See. Dienatürliche Wasserversorgung des zu- und abflusslosen Gewässers erfolgt nur durchdirekte Niederschläge und einen oberflächennahen Schichtenwasserzufluss.b) Östlich des Gewässers entlang des Heegermühler Wegs verläuft dieRegenwasserkanalisation der Berliner Wasserbetriebe (BWB). Mit einer Sohlhöhe von42,63 m NHN bietet das Schachtbauwerk 31225513 die Möglichkeit Regenwasserüber eine Freispiegelleitung in das Gewässer abzuschlagen. Der zu erwartendeOberflächenabfluss im Einzugsgebiet des o.g. Schachtbauwerkes liegt bei 186 mm/a.Damit beträgt der theoretisch mögliche zusätzliche Zufluss in den Wilhelmsruher Seeca. 1.110 m³ pro Jahr. Baulogistisch bedingt schließen sich die Arbeiten für dieRegenwassereinleitung den Aufwertungsmaßnahmen am Gewässer an und werdenabweichend von der oben zitierten Mitteilung des Bezirksamtes erst in der erstenJahreshälfte 2025 umgesetzt. Welche baulichen Maßnahmen für diese Regenwassereinleitungen aus 1.bestehen derzeit auf a) öffentlichen, b) privaten Flächen am Wilhelmsruher See,welche weiteren Bauwerke sind geplant, und wie erfolgt(e) die Finanzierungjeweils bzw. soll die Finanzierung erfolgen?Da bisher keine Regenwassereinleitungen existieren (siehe Frage 1), sind für dieseZwecke auch keine baulichen Bestandsanlagen am Gewässer vorhanden. Für dieRegenwasserzuleitung aus dem in Frage 1 genannten Einzugsgebiet erfolgen baulicheMaßnahmen ausschließlich in der öffentlichen Grünanlage und im öffentlichenStraßenraum. Die Maßnahme zur Stützung des Wasserstandes ist Bestandteil desGesamtvorhabens zur ökologischen Aufwertung des Wilhelmsruher Sees und wirdfinanziert mit dem Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt (SIWA/SIWANA)sowie durch Ersatzgelder aus dem Vorhaben „Ausbau der Autobahn A 114“. WeitereBauvorhaben für Regenwassereinleitungen sind nicht geplant. Welche Verträge (z.B. „Gestattungsverträge“) sind für dieseRegenwassereinleitungen aus 1. jeweils notwendig – und welche eventuellenHindernisse bei diesen Verfahren sieht das Bezirksamt bei der Einleitung vonRegenwasser in Gewässer?Eine Inanspruchnahme eines Gewässers in einer öffentlichen Grünfläche für dieEntwässerung von öffentlichen Straßen und Grundstücken ist nur nach individuellervertraglicher Vereinbarung zwischen dem Flächeneigentümer (hier SGA) und den BWBmöglich. Die Parteien müssen sich bezüglich Haftungsfragen, Kostenaufteilung, Wartung,Instandhaltung und Instandsetzung der baulichen Anlagen einig sein. Da es für diesenVorgang noch keine erprobte Vorgehensweise gibt, gestaltet sich die Vereinbarung alsäußerst komplex und zeitaufwändig.Politischer Wille zur Neuausrichtung des urbanen Regenwassermanagements (Stichwort:Schwammstadt) wurde im Koalitionsvertrag 2023-2026 bekundet, jedoch fehlt es für dieUmsetzung an klaren Verantwortlichkeiten, Verwaltungsvorschriften und einer konkretenUntersetzung mit Personal und finanziellen Mitteln. Eine Auftragserweiterung der BWB, wiesie in der Pressemitteilung vom Senat vom 29.10.2024 angedeutet worden ist [2], könnteeinen substantiellen Beitrag leisten, wenn die BWB auch Aufgaben derRegenwasserbewirtschaftung außerhalb des Straßenlandes übernehmen (z.B.Regenwasserückhalt/-versickerung in öffentlichen Grünflächen). Dann müssten nicht fürjeden Einzelfall aufwendige vertragliche Vereinbarungen getroffen werden. Welche „Vorreinigung“ des Regenwassers ist notwendig, wie geschieht diesejeweils – und unter welchen Voraussetzungen ist eine (weitere) Einleitung vonDächern und versiegelten Flächen im Einzugsgebiet möglich?Bevor das Regenwasser in den Wilhelmsruher See eingeleitet wird, werden gutabsetzbare, d.h. grobe Stoffe und Schwimmstoffe in einem Sandfang zurückgehalten.Nach der Vorreinigung im Sedimentationsschacht ist eine weitergehende Reinigung desRegenwassers in einem naturnahen Verfahren (Schilfpolder) notwendig. Durch die Anlageeiner horizontalen Schilfpassage wird die Fließgeschwindigkeit herabgesetzt, wodurch eszur Sedimentation von Trübstoffen, in welchen auch Nährstoffe wie Phosphor undStickstoff partikulär gebunden sind, kommt. Teilweise erfolgt eine Aufnahme vonNährstoffen in das wachsende Schilf. Die eigentliche Rückhaltung von gelöstenNährstoffen findet jedoch im Aufwuchs von Algen unterhalb der Wasseroberfläche statt.In der Summe weist das aus dem Polder ablaufende Wasser eine geringereNährstoffkonzentration auf als im Zulauf.Die Einleitung von weiterem „Fremdwasser“ in den Wilhelmsruher See darf weder zustofflichen noch hydraulischen Belastungen führen. Hier sind entsprechende Nachweisezu erbringen. Das Behandlungserfordernis von Niederschlagswasser erfolgt aufGrundlage allgemeiner Kenntnisse zum Stoffaufkommen unterschiedlicherHerkunftsflächen nach dem DWA Merkblatt DWA-A 102-2/BWK-A 3-2 [3]. AlsReferenzgröße dienen die abfiltrierbaren Stoffe mit Korngrößen 0,45 μm bis 63 μm(AFS63). Auch wenn sich mit dem genannten Regelwerk keine Behandlungsbedürftigkeitberechnen ließe, würde am Wilhelmsruher Sees immer noch eine Einzelfallfallprüfungerfolgen, da es als Kleingewässer besonders empfindlich gegenüber stofflichen Einträgenreagiert. Problematisch sind zum Beispiel Dächer mit Bitumenbahnen und integriertemWurzelschutz (Herbizid-Austrag).Neben der Bewertung möglicher Auswirkungen auf das Gewässerökosystem und dasLandschaftsschutzgebiet durch das Umwelt- und Naturschutzamt (UmNat) wäreaußerdem eine fachliche Prüfung der Belange des Straßen- und Grünflächenamtes(SGA) als Eigentümer der Fläche notwendig. Wer ist beteiligt, und welche Aufgaben bei der Regenwassereinleitungübernehmen a) das Straßen- und Grünflächenamt, b) das Amt für Umwelt- undNaturschutz, c) die Berliner Wasserbetriebe, d) private Eigentümer*innen, e)weitere Akteure?a) Um eine anhaltende Nährstoffretention im Schilfpolder beizubehalten, muss langfristigdie Unterhaltung des Schilfpoldersystems gewährleistet sein. Nach einer anfänglichenEtablierungsphase ist eine jährliche Mahd, vorrangig im Winterhalbjahr,durchzuführen. Dies trägt nicht nur zur Optimierung der Retentionsleistung währendder Vegetationszeit bei, sondern reduziert auch die Verlandung des Schilfpolders. DieArbeiten werden vom SGA übernommen.b) Als Aufsichtsbehörde überwacht UmNat die Entwicklung des Gewässers unter demEinfluss der Regenwassereinleitung. Im Rahmen eines noch zu beauftragendenMonitorings sollen über einen längeren Zeitraum mindestens viermal jährlichGewässerproben entnommen und auf verschiedene limnochemische Parameteruntersucht werden.c) Für die Unterhaltung des Sedimentationsschachtes zur Vorreinigung sind die BWBzuständig. Neben der regelmäßigen Kontrolle auf Funktionsfähigkeit ist mindestenseinmal jährlich die Anlage von Ablagerungen zu befreien.d) entfällte) entfällt Wird nach Einschätzung des Bezirksamts durch diese „etwas Abhilfe“ [1] einedauerhafte Stabilisierung des Wasserstandes am Wilhelmsruher See erreichtwerden, werden alle zur Verfügung stehenden Quellen zur Einleitung vonRegenwasser dauerhaft ausgeschöpft – und falls nein, wieso nicht?Klimamodelle sagen eine Zunahme der Niederschlagsmengen im Berliner Raum voraus.Gleichzeitig steigen aber auch die Temperaturen und damit die Verdunstung vonWasserflächen. Ob der ökologische Mindestwasserbedarf des Wilhelmsruher Sees durchdie Regenwassereinspeisung langfristig sichergestellt werden kann, lässt sich somit nichtseriös voraussagen. In jedem Fall wird durch die Abkopplung der natürlicheWasserhaushalt der Landschaft gestärkt und die Regenwasserkanalisation mit Blick aufdie zunehmende Anzahl von Starkregenereignissen entlastet.Theoretisch wäre eine Stützung des Wasserstandes durch die Fremdwasserzuleitung ausanderen Quellen (Trink- oder Grundwasser) denkbar. Diese Möglichkeiten wurden jedochaus Nachhaltigkeitsgründen wieder verworfen. In welchen weiteren Pankower Gewässern wird aktuell gezielt Regenwassereingeleitet, welchen jeweiligen Quellen – und wird durch diese Einleitungenvoraussichtlich eine dauerhafte Stabilisierung der jeweiligen Wasserständeerreicht werden?Kleingewässer, die von Oberflächenwasser gespeist werden, weisen im Normalfallstärkere Wasserstandsschwankungen auf als Gewässer mit Grundwasserversorgung. Eine„dauerhafte Stabilisierung“ ist ökologisch nicht immer sinnvoll; stärkere Schwankungenbis zeitweiliges Austrocknen sind durchaus natürlich und bedeutsam. Ein längeres odertotales Trockenfallen von Kleingewässern, wie im Berliner Raum schon länger zubeobachten ist, birgt allerdings Gefahren für die aquatischen Ökosysteme.Gezielte Stützungsmaßnahmen konzentrieren sich bisher auf besonders schützenswerteKleingewässer. Der Krugpfuhl als bedeutsames Amphibiengewässer (OT FranzösischBuchholz) wird mit Niederschlagswasser aus dem Wohngebiet Buchholz/West versorgt.Bei langen Trockenphasen sieht das Bewässerungssystem zusätzlich eine Versorgung mitBrunnenwasser vor, jedoch ist die dafür notwendig Pumpe nicht mehr funktionsfähig. DieGesamtanlage für die Wasserversorgung des Pfuhls bedarf einer umfangreichenBegutachtung und wahrscheinlich Instandsetzung. Ob perspektivisch eine Stützung mitGrundwasser wieder möglich sein soll, muss ebenso geprüft werden. Das Projekt kannderzeit aufgrund der Personalsituation im Bezirksamt nicht weiterverfolgt werden, ebensowenig andere Vorhaben an Pankower Gewässern zur Verbesserung desWasserhaushaltes.[1] https://www.berlin.de/ba-pankow/politik-und-verwaltung/aemter/umwelt-und-naturschutzamt/aktuelles/[2]https://www.berlin.de/rbmskzl/aktuelles/pressemitteilungen/2024/pressemitteilung.1498282.php[3] DWA-A 102-2/BWK-A 3-2 – Grundsätze zur Bewirtschaftung und Behandlung vonRegenwetterabflüssen zur Einleitung in Oberflächengewässer – Teil 2:Emissionsbezogene Bewertungen und Regelungen, herausgegeben durch die DeutscheVereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. – D Manuela Anders-Granitzki Link auf der Seite der BVV: https://www.berlin.de/ba-pankow/politik-und-verwaltung/bezirksverordnetenversammlung/online/ka020.asp?KALFDNR=4719