Gastbeitrag Bezirksstadträtin Dr. Cordelia Koch

4000 Geflüchtete versorgt! Keine Schlangen mehr vor dem Sozialamt – Und jetzt?

 

Es ist eine beeindruckende Zahl. Stand 24.06.2022 haben wir, das Sozialamt Pankow, 4.284 Menschen mit dem Nötigsten versorgt: Geld, um sich etwas zu Essen und zu Trinken zu kaufen, mit einem Dach über dem Kopf, wenn es gebraucht wurde und in jedem Fall auch mit der Krankenversicherung.

Diese Leistung ist so dermaßen beeindruckend, weil dieses Ergebnis nur durch die Solidarität der Kolleg*innen des gesamten Sozialamtes möglich war. Im Asylbereich des Sozialamtes arbeiten aber eigentlich nur 4 Menschen. Deswegen haben Mitarbeitende aus allen Bereichen des Sozialamtes zum Teil nun gut 3 Monate lang mit 50-100% ihrer Arbeitszeit den Asylbereich unterstützt. Diese Hilfe war fundamental. Sozusagen Überlebensnotwendig für 4284 Menschen aus der Ukraine.

Es hat mich tief bewegt und beeindruckt, wie hier alle Hand in Hand gearbeitet haben, flexibel ihre Arbeit auf das konzentriert haben, was gerade ansteht. Wir haben die Geflüchteten aus der Ukraine versorgt, weil diese Aufgabe gerade in unserer Gesellschaft Priorität hat. Weil es sich gebietet, denen zu helfen, die vertrieben werden.

Eines muss dabei klar gesagt werden: Das Sozialamt hat keine Akten, die es zu Gunsten von anderen Akten liegen lassen kann. Denn bei uns heißen Akten nämlich Menschen. Alle Bereiche des Sozialamtes versorgen Bedürftige. Und deswegen ist die Zahl 4.284 Personen auch so beeindruckend. Sie kommen hinzu zu den Menschen, die regulär versorgt werden müssen – vor, während und nach der Ukraine-Zeit.

Weil ich davon dermaßen beeindruckt war, sorgten wir für eine kleine Anerkennung. Eine Kleinigkeit, die Pankow-Fair Trade-Schokolade und ein kleiner Gutschein in Höhe von 25 €. Nicht viel. Aber doch das erste Mal, dass Mitarbeitende des Sozialamtes in ihren zum Teil 30 Dienstjahren eine Anerkennung erhalten haben. Ich habe dieses Dankeschön persönlich übergeben und gewürdigt, was hier passiert ist. Sie haben zugehört. Sich gewundert. Sich gefreut. Sich bedankt. Sogar geklatscht.

Und jetzt? Seit dem ersten Juni werden die geflüchteten Ukrainer*innen vom Jobcenter versorgt. Doch was heißt das für uns? Endlich wieder entspannen?

Nein, im Gegenteil.

Erstens, weil die Mehrzahl der Ukrainer*innen weiterhin von uns betreut werden müssen und nicht vom Jobcenter. Zweitens verursacht die Aufnahme der Geflüchteten im Jobcenter weiterhin viel Arbeit. Drittens, weil die prioritäre Versorgung der Geflüchteten aus der Ukraine zu extremen Rückständen in allen anderen Bereichen des Sozialamtes geführt hat und das betrifft nun Behinderte, Rentner*innen, Pflegebedürftige, Obdachlose und natürlich die anderen Geflüchteten.

Wir beginnen also damit die Rückstände zu erfassen, um unser Personal zielgerichtet einsetzen zu können. Das ist besonders wichtig, denn unsere Mitarbeitenden leiden seit Jahren unter dem Personalmangel durch fehlende Stelle und Krankheit von Kolleg*innen, der damit einhergehenden Überlastung und auch unter dem seelischen Druck, weil sie Telefonate führen mit Kund*innen, die verzweifelt sind, drohen, sich aus dem Fenster zu stürzen, mit Trägern, die von ihrer drohenden Insolvenz berichten. Wir müssen also unsere Mitarbeitenden so gut es geht schonen, denn die Quadratur des Kreises können wir nur schaffen, wenn wir immer wieder neu justieren. Und schließlich droht uns noch, dass die Senatsverwaltung für Finanzen uns für unsere Rückstände bestraft und dem Bezirk das Budget kürzt. Es würde den Bezirk also menschlich und finanziell teuer zu stehen kommen.

Viele Herausforderungen warten also noch auf uns, aber ich bin mir sicher, dass wir auch diese Herausforderungen gemeinsam bewältigen können!