Kleine Anfrage - KA-0410/IX Mauerpark – Kompensation, Biotopverbund, Biodiversität 7. Oktober 202218. Januar 2023 Bezirksamt Pankow von Berlin Abt. Ordnung und Öffentlicher Raum Bezirksstadträtin 15.11.2022 Herrn Bezirksverordneten Axel Lüssow, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen über den Vorsteher der Bezirksverordnetenversammlung Pankow von Berlin über den Bezirksbürgermeister Kleine Anfrage 0410-IX über Mauerpark – Kompensation, Biotopverbund, Biodiversität Das Bezirksamt wird um folgende Auskunft gebeten: Am 28.9.2022 hat die BVV mit dem Antrag IX-0415 „Mauerpark – Schutz der biologischen Vielfalt“ beschlossen, „bei den Qualifizierungsmaßnahmen des Mauerparks (einschließlich Falkplatz) den Schutz der biologischen Vielfalt (Biodiversität) stärker in den Fokus zu rücken. Dazu sollten neben den Bürger*Innen auch externe Fachleute für naturnahe Gestaltung und Artenschutz hinzugezogen werden.“. 1. Kompensationsmaßnahmen: Das Flurstück 30 des nördlichen Mauerparks wird im Berliner Kompensationsflächenkataster als Fläche 210 „Mauerpark“ mit Sachdaten „Eingriffsvorhaben: Schnellbahnverbindung Hannover – Berlin PFA 3, Maßnahmen: Umsetzung entsprechend Wettbewerbsentwurf“ geführt. a. Wann wurde diese Kompensationsfläche ausgewiesen, und wann wurde das Flurstück als öffentliche Grünanlage gewidmet (vgl. Bilder im Anhang aus dem Umweltatlas)? Mit dem Planfeststellungsbeschluss (PFB) zur Schnellbahnverbindung Hannover – Berlin, Planfeststellungsabschnitt 3 Abschnitt Berlin Staaken – Friedrichstraße vom 30.04.1996 wurde der nördliche Mauerparkteil als naturschutzrechtliche Kompensationsfläche planfestgesetzt und somit rechtlich gesichert. Vorhabenträger war die DB Projekt GmbH, Planfeststellungsbehörde das Eisenbahn-Bundesamt und genehmigende Naturschutzbehörde die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie. Die Widmung der öffentlichen Grünanlage erfolgte für das Flurstück 30 rechtskräftig am 23.12.2006. b. Im ‚Berliner Leitfaden zur Bewertung und Bilanzierung von Eingriffen‘ [1] ist geregelt: „Für die Pflegedauer wird aus Verhältnismäßigkeitsgründen die Konvention getroffen, die zeitliche Pflegeverpflichtung im Regelfall auf 25 Jahre zu begrenzen.“ Gilt für das Flurstück 30 dieser Regelfall bzw. wie und in welchem Zeitraum wird die Verpflichtung zur dauerhaften Sicherung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts (vgl. § 1 Abs. 3 BNatSchG) umgesetzt? Der Berliner Leitfaden zur Bewertung und Bilanzierung von Eingriffen im Land Berlin existierte zur damaligen Zeit in dieser Detailliertheit nicht. Nach Fertigstellung der Maßnahme wurde dem Bezirk Pankow die Fläche zur Pflege und zum Erhalt übergeben. Die angeführte „25-Jahresfrist“ hat sich über die Rechtsprechung erst im Laufe der Zeit (nach der Jahrtausendwende) herauskristallisiert. c. Wem oblag/obliegt in der Zeit seit der Ausweisung die Verantwortung für die Ausführung, Unterhaltung und Sicherung der Kompensationsmaßnahme? Zugunsten der DB Netz AG wurde eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit eingetragen, die den Bestand der Ersatzmaßnahme dauerhaft sichert. Die Projektsteuerung, das Projektmanagement und die Projektdokumentation zur Umsetzung lag bei der Grün Berlin Park und Garten GmbH. Die Unterhaltung und Pflege der Maßnahme obliegt seit der Umsetzung der Maßnahme dem Bezirksamt Pankow, Straßen- und Grünflächenamt. d. Welche genauen Kompensationsziele sollen in welchen Zeiträumen seit der Ausweisung erreicht werden, und welche Kompensationsziele wurden bisher erreicht? Die Ziele wurden damals von der DB Projekt GmbH (Vorhabenträger), der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie (naturschutzrechtliche Genehmigung) und der Grün Berlin Park und Garten GmbH vertraglich festgelegt (Anlage 1 zum PFB). Als Basis der Zielsetzungen diente ein 1992 ausgeschriebener Planungswettbewerb. Die Ziele des Wettbewerbs lauteten wie folgt (auszugsweise vgl. Anlage 1): „Der Mauerpark soll als Stadtteilpark für vielfältige, freie Tageserholung aller Einwohner der angrenzenden Quartiere in einem Einzugsbereich von 1,5 km zur Verfügung stehen“. Zur damaligen Zeit wurden die Eingriffe in Natur und Landschaft bei Planfeststellungsverfahren der DB AG hauptsächlich mit dem sogenannten Biovolumen, also einer rein quantitativen Methode, erfasst. Gleichzeitig wurde auch die Erholungsnutzung (Schutzgut Landschaftsbild) vorrangig bedient. Von den 36.000 m² Netto-Grünflächen sind anteilig 36 % Gehölzflächen und anteilig 54 % Wiesen- und Staudenvegetation anzulegen. e. Wie ist zu verfahren, wenn die Kompensationsziele nicht erreicht wurden bzw. absehbar nicht erreicht werden? Die Neuanlage des Stadtteilparks einschl. der erforderlichen Grünstrukturen wurden von der Grün Berlin Park und Garten GmbH in der Vergangenheit (2000er Jahre) umgesetzt. Demnach wurden die Kompensationsziele erreicht. Bei den zurzeit stattfindenden Qualifizierungsmaßnahmen der Grün Berlin GmbH ist darauf zu achten, dass die Grünstrukturen erhalten bleiben. Da das SGA und das UmNat in den Prozessen eingebunden sind, ist davon auszugehen, dass die Funktionsfähigkeit des Mauerparks als Stadtteilpark erfüllt bleibt und die Grünstrukturen in ihrem Bestand erhalten bleiben. Unabhängig davon besteht für den Frager die Möglichkeit, sich mit seiner Frage auch an die zuständige Planfeststellungsbehörde – das Eisenbahnbundesamt (EBA) – zu wenden. f. Inwieweit sind die große Spielsandfläche, der Betriebshof des Straßen- und Grünflächenamtes (SGA), der Kletterfelsen und die versiegelten Flächen (Asphalt, Verbundpflaster) mit den Maßnahmen und Kompensationszielen vereinbar? Falls keine Vereinbarkeit besteht: Wie muss(te) die die bestehende Verpflichtung zur Kompensation umgesetzt werden? Die Zielsetzung im Planfeststellungsbeschluss ist öffentliche Parkanlage. Parkanlagen können vielfältig gestaltet sein. Dazu gehören auch Wege, Sandspielflächen etc. 2. Pflege und Gestaltung: Lt. Begründung zum B-Plan IV-45 [2] handelt es sich beim nördlichen Mauerpark um Außenbereich nach § 35 BauGB. In den ‚Anwendungshinweisen zu § 40 Abs. 4 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) zur Verwendung von gebietseigenem Pflanz- und Saatgut in der freien Landschaft im Land Berlin‘ (SenUVK, Rundschreiben I E Nr. 1/2013 [3]) ist angegeben: „[…] zur „freien Natur“ sind daher folgende Flächen zu zählen: […] Außenbereich nach § 35 Baugesetzbuch“ […] „Für Maßnahmen im Rahmen von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach § 15 Abs. 2 Bundesnaturschutzgesetz soll auch innerhalb des bebauten Stadtbereiches grundsätzlich gebietseigenes Pflanz- und Saatgut verwendet werden, da nach § 2 Absatz 2 Bundesnaturschutzgesetz die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Rahmen der jeweiligen Zuständigkeit zu unterstützen sind. Dazu zählt auch die Verwendung von gebietseigenen Pflanzenarten. Für bestehende und geplante Grünflächen (einschließlich gewidmeter Grünanlagen) wie z.B. Parkanlagen, Friedhöfe, Kleingärten, Sportflächen und Uferpromenaden gilt diese Verpflichtung sowohl in den als „freie Natur“ geltenden Bereichen als auch im Rahmen von Ausgleichsmaßnahmen soweit es den gestalterischen Vorgaben sowie den Funktionen und Nutzungsarten der Anlagen entspricht.“ a. Gibt es aus Sicht des Bezirksamtes „gestalterische Vorgaben bzw. Funktionen und Nutzungsarten“, die gegen die Verwendung von gebietseigenem Pflanz- und Saatgut im nördlichen Mauerpark sprechen und falls ja: welche Überlegungen gibt es? Die Standortbedingungen der kleinteiligen Freianlage des nördlichen Mauerparks sind geprägt von einer intensiven Nutzung als innerstädtische öffentliche Grünanlage und als Verbindung zwischen eng bebauten Stadtquartieren. Die Pflanzungen in diesem Parkteil müssen nicht nur diesen differenzierten Nutzungsanforderungen gerecht werden, sondern auch zukunftsfähig und nachhaltig gestaltet werden. Um die Artenvielfalt und die Stabilität der ganzen Anlage im Sinne der Klimaresilienz und der Klimafolgenanpassung zu steigern und nachhaltig abzusichern, müssen auch zu erwartende Standortbedingungen (Trockenheits- und Hitzestress) in die Auswahl einbezogen werden. Im Rahmen der Qualifizierungsmaßnahmen ist daher eine breit gefächerte Mischpflanzung von sowohl einheimischen als auch nicht standortgerechten, einheimischen Gehölzen vorgesehen. Die Verwendung von zertifizierter gebietsheimischer Ware des HK 2.1 Ostdeutsches Tiefland ist dabei derzeit nur eingeschränkt für Gestaltungsmaßnahmen im städtischen Raum geeignet, da sowohl das Artenspektrum als auch die Pflanzqualitäten nur sehr begrenzt verfügbar sind. Gebietsheimische Hochstämme, Mehrstämme und größere Pflanzqualitäten sind nicht als zertifizierte Ware erhältlich und werden auch derzeit nicht produziert. Für die Wiesenansaaten wird hingegen durchgängig zertifiziertes gebietsheimisches Saatgut zur Anwendung kommen. b. Welches Verfahren empfiehlt das Bezirksamt im Sinne des BVV-Beschlusses IX-0415, um die Anwendungshinweise des RS genannten Artenliste der Bäume, Sträucher uvm. unter Beteiligung der Zivilgesellschaft und Expertise außerhalb des SGA und der Grün Berlin GmbH für eine Eignung im nördlichen Mauerpark zu prüfen? Auftraggeber der Qualifizierung im Mauerpark ist SenUMVK. Eine Freigabe der Ausführungsplanung erfolgt demnach ebenfalls an dieser Stelle. SGA und UmNat sind über Stellungnahmen in die Planung eingebunden. Im Rahmen der Qualifizierung des Mauerparks ist pro Bauabschnitt ein Beteiligungsverfahren vorgesehen. Eine explizite Einbindung der BVV-Ausschüsse ist nicht geplant. Grün Berlin wird aber gerne den Stand der Entwurfs- und Zeitplanung der geplanten Qualifizierungsmaßnahmen im Rahmen einer Ausschusssitzung vorstellen. Zum bisherigen Verfahren und aktuellen Informationen siehe unter: https://gruen-berlin.de/projekte/parks/mauerpark/entwicklung-beteiligung c. In welcher Form wurde bisher bei der Auswahl von Gehölzen ihr ökologischer Wert (Lebensraum für Wildbienen, Käfer, Schmetterlinge, Vögel, Säugetiere) und lokale Standortfaktoren einbezogen? Wurde/wird z.B. bei der Pflanzung bei Bäumen ein Biodiversitätsindex verwendet, und falls nein, wieso nicht? Die Pflanzplanung ist Teil der Leistungsphasen 3 und 5 gemäß HOAI und wurde durch das beauftragte Landschaftsarchitekturbüro Henningsen Landschaftsarchitekten PartG mbB erbracht. Die Vorgaben für die Pflanzplanung wurden durch die Auftraggeberin Grün Berlin Stiftung in enger Abstimmung mit dem SGA Pankow definiert. Die Anwendung eines spezifischen Biodiversitätsindexes war nicht Teil der Vorgaben. Berücksichtigung fand die schwerpunktmäßige Verwendung von Gehölzen und Pflanzen, die Lebensräume und Nahrungsstätten für Insekten und Vögel darstellen. Darüber hinaus wurden die folgenden Vorgaben beachtet: – Orientierung an den vorhandenen Gehölzen (Standortangepasstheit), Ergänzung mit klimaresilienten Arten – Berücksichtigung der ursprünglich beabsichtigten Raumstrukturierung und Gestaltungsaussage (Überspringen des Birkenhains, formale Baumquadrate, wegebegleitende Gehölzpflanzungen, formaler Ziergarten im Senkgarten) – Berücksichtigung der unterschiedlichen Funktionen der Pflanzungen und der vorhandenen Raumverhältnisse: Pflanzungen zum Zwecke der Begrenzung, des Sichtschutzes, der Nutzung als Naschgarten, der Nutzung als Ziergarten (im Senkgarten) – Berücksichtigung des Pflegeaufwands der Pflanzflächen Das Ziel der Projektförderung „Zukunft Stadtgrün“ fokussiert nicht ausschließlich auf die ökologische Wertigkeit der Anlagen, die durch eine wissenschaftlich-mathematische Berechnung der Biodiversität als Momentaufnahme belegt werden soll. Vielmehr sollen die „Maßnahmen einen Beitrag zur Lebens- und Wohnqualität, zur gesellschaftlichen Teilhabe, zur Verbesserung des Stadtklimas und der Umweltgerechtigkeit, insbesondere durch eine gerechte Verteilung qualitativ hochwertigen Stadtgrüns sowie zum Erhalt der biologischen Vielfalt und der Naturerfahrung“ leisten. 3. Biotopverbund: Der Mauerpark ist gemäß der Biotopverbundplanung Pankows [4] Entwicklungsfläche der Kategorie „Naturnahe Park- und Grünanlage“ zur „Schaffung von Verbindungsstrukturen / Grünzügen“. Im Beschluss VIII-0973 [5] schreibt das Bezirksamt dieses Biotopsverbundkonzept als wichtige Planungsgrundlage fest, die von den Fachämtern in allen Planungsprozessen zu berücksichtigen ist. a. Inwieweit ist diese Eigenschaft als Entwicklungsfläche bei den vergangenen Bau- und Qualifizierungsmaßnahmen im Mauerpark berücksichtigt worden? Das Biotopverbundkonzept wurde erst im Jahr 2019 beschlossen. Demnach stand die Eigenschaft des Mauerparks als Verbindungs- und Entwicklungsfläche bei den vergangenen Bau- und Qualifizierungsmaßnahmen nicht im Fokus. b. Wie setzt sich das Bezirksamt dafür ein, die Eigenschaft als Entwicklungsfläche bei Planungsprozessen (z.B. Qualifizierung Mauerpark) zu berücksichtigen bzw. welche Handlungserfordernisse ergeben sich daraus? Als Verbindungs- und Entwicklungsfläche innerhalb des Biotopverbunds der Grün- und Parkanlagen hat der nördliche Mauerpark eine besondere Relevanz im Zusammenhang mit dem nördlich angrenzenden ehemaligen Mauerstreifen. Als Handlungserfordernis wäre zu prüfen, ob durch die Schaffung von Verbindungsstrukturen die Minderung der Isolation der Kernflächen und somit eine Förderung der Migration der Zielarten erreicht werden kann. c. Inwieweit ist der nördliche Mauerpark als Verbindungsstruktur zum übrigen Mauerpark von besonderer Relevanz, und welche spezielle Handlungserfordernisse ergeben sich hieraus? Der nördliche Teil des Mauerparks hat eine wichtige Verbindungsfunktion, ebenso wie die Grünstrukturen entlang der nördlichen Schwedter Straße. Die vorhandene und in der ursprünglichen Planung vorgesehene Struktur aus Wiesen- bzw. Rasenflächen, begleitenden Hecken und Gehölzstrukturen sowie aus Baumquadraten muss zur Erfüllung der Verbindungsfunktion des Grünzugs erneuert und ergänzt werden. Dabei werden die o.g. Anforderungen und Vorgaben berücksichtigt. Manuela Anders-Granitzki Quellen [1] https://www.berlin.de/sen/uvk/_assets/natur-gruen/landschaftsplanung/bewertung-und-bilanzierung-von-eingriffen/broschuere_leitfaden-eingriffe.pdf [2] https://www.berlin.de/ba-pankow/politik-und-verwaltung/aemter/stadtentwicklungsamt/stadtplanung/verbindliche-bauleitplanung/iv-45_begruendung.pdf [3] https://www.berlin.de/sen/uvk/_assets/natur-gruen/naturschutz/landesbeauftragter-fuer-naturschutz/rsie_012013.pdf [4] https://www.berlin.de/ba-pankow/politik-und-verwaltung/aemter/umwelt-und-naturschutzamt/dokumente/karte-7-ergebnis-entwicklung.pdf [5] https://www.berlin.de/ba-pankow/politik-und-verwaltung/bezirksamt/beschluesse-des-bezirksamts/2019/16-07-2019-bezirkliche-biotopverbundplanung.pdf Kleine Anfrage auf der BVV-Seite: https://www.berlin.de/ba-pankow/politik-und-verwaltung/bezirksverordnetenversammlung/online/ka020.asp?KALFDNR=4192