Ehrung der Pankowerin Frieda Adam, einer Gerechten unter den Völkern

Die Geschichte, die von Frieda Adam überliefert ist, ist so kurz wie eindrücklich. Sie war eine Näherin, der Mann war im zweiten Weltkrieg als einfacher Soldat an der Front. Im Jahr 1942 war sie 23 Jahre alt, hatte drei kleine Kinder und lebte in einer 2-Zimmer-Wohnung in der Schönhauser Allee 90.

Allein aufgrund dieser Daten können wir uns vorstellen, dass ihr Leben alles andere als leicht war.

Nichtsdestotrotz, als am 20. November 1942 ihre jüdische Freundin Erna Putermann vor ihrer Haustür stand, und berichtete, dass sie einen Deportationsbefehl bekommen habe, sagte sie: „Dann bleibste hier.“

Frieda Adam versteckte ihre Freundin über ein Jahr in ihrer Wohnung. Sie soll gesagt haben: „Wo vier satt werden, wird auch ein fünfter satt.“ Das war geschönt. Eine Arbeiterfamilie wurde damals nicht wirklich satt.

Ein Jahr später hörte Frieda Adam von einem jungen Mann, der sich auf Dachböden in der Gegend versteckte. Sie wusste nicht, dass es sich um den Bruder von Erna Putermann handelte. Sie dachte nur: Auch er wird Jude sein, ich muss ihn warnen, dass man über ihn redet.

Als sich herausstellte, dass der Untergetauchte der Bruder ihrer Freundin war, organisierte sie auch für ihn ein Versteck.

Als wäre das alles nicht schon schwierig genug, musste Frieda Adam dabei auch noch gegen ihren eigenen Ehemann kämpfen. Der verlangte, dass sie ihre Freundin rausschmiss, schließlich drohte er, sie anzuzeigen.

Darum brachte Frieda Adam ihre Freundin schließlich Silvester 1944 in dasselbe Versteck wie ihren Bruder – übrigens in Weißensee. Beide überlebten.

Seit Dezember 1992 ehrt die Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem Frieda Adam als „Gerechte unter den Völkern“. Gerechte unter den Völkern ist der Ehrentitel den Israel nichtjüdischen Menschen verleiht, die Juden vor der Ermordung durch die Nationalsozialisten retteten.

Daher wissen wir überhaupt von Frieda Adam. Alles, was sich im Internet zu ihr findet, bezieht sich auf diese Ehrung – das meiste auf Englisch.

Man muss leider feststellen: Wenn Israel mutige Menschen wie Frieda Adam nicht ehren würde, wären sie längst vergessen.

Warum ist das so?

Gerechte unter den Völkern, die aus Deutschland stammen, gibt es nur 641. Nach den wenigsten von Ihnen wurde bisher eine Straße benannt, viele haben nicht einmal eine Gedenktafel.

Ein Artikel in der Zeit von 1994 über diese Frage erwähnt auch Frieda Adam.

Dieser Artikel zitiert einen Abteilungsleiter von Yad Vashem:

„Wir ehren diese Menschen, weil sie im entscheidenden Augenblick eine Entscheidung trafen, die in bester humanitärer Tradition steht.“

„Außerdem zeigen diese Menschen, dass der Rest der Gesellschaft versagt hat.“

Das sind harte Worte. Aber so hat man es wohl auch hier lange gesehen. Und genau deshalb wurden sie in Deutschland nicht geehrt.

In der DDR ehrte man den kommunistischen Widerstand. In der alten Bunderepublik ehrte man die Offiziere. Kommunisten und Sozialdemokraten wurden zwar auch erwähnt, aber vor allem als Opfer.

Von Menschen, mit denen sich jeder leicht hätte identifizieren können, die man hätte kennen können, die vielleicht sogar Nachbarn waren, erfuhr man nichts. Wobei auch Frieda Adam nicht so unpolitisch war, wie viele englischsprachige Artikel über sie behaupten. Sie stammte aus einem sozialdemokratischen Elternhaus. Auch ihr Vater leistete Widerstand, indem er Geld für Ehefrauen von inhaftierten Widerstandskämpfern sammelte.

Ich habe in der Schule gelernt, dass es fast unmöglich war, sich aufzulehnen. Der Geschichtslehrer fragte uns, ob wir denn wirklich über unsere Großeltern urteilen könnten. Wir wüssten schließlich nicht, wie es gewesen sei. Unter diesen Umständen wären auch wir wahrscheinlich zu Mitläufern geworden.

Damit lag er zwar vielleicht nicht falsch. Aber das ist nicht die Botschaft, die eine demokratische Gesellschaft, eine wehrhafte Demokratie senden sollte. 

Glücklicherweise hat sich unsere Gesellschaft seitdem gewandelt. Auch hier in Pankow sorgen wir dafür, dass der Widerstand aus allen Bereichen der Gesellschaft geehrt wird. 

Das Beispiel Frieda Adams zeigt uns dabei nochmal besonders, dass jeder und jede sich gegen Unmenschlichkeit auflehnen kann – auch unter widrigsten Umständen.

Eine einfache Näherin wird es nie in die Geschichtsbücher schaffen. Aber darum ist sie umso mehr Beispiel für uns alle. Man muss sich nicht mit Quantenphysik oder Botanik auskennen, um zu verstehen, was sie geleistet hat.

Genau deshalb sollten wir eine Straße oder einen Platz nach ihr benennen.

Zum Antrag

Artikel kommentieren