Kleine Anfrage KA-0532/IX

Denkmalschutz und Klimaneutralität in der Heynstraße

Herrn Bezirksverordneten
Reemt Heuke

Das Bezirksamt wird um folgende Auskunft gebeten:

„Hausbesitzer und Hausbewohner*innen des Gebäudes in der Heynstraße 8 beabsichtigen das Gebäude klimaneutral umzugestalten. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass das Mietshaus in der Landesdenkmalliste eingetragen ist: 09050606 Heynstraße 8, Mietshaus mit Vorgarten, Wohnung im Originalzustand im 1. OG (Pankemuseum), 189293 von Ernst Fröhlich. Außerdem ist ein Gartendenkmal eingetragen: 09046065 Heynstraße 8, Gartenhof mit Laube, Brunnen und Gartenplastik, um 1900. Um die klimaneutrale Wärmeversorgung des Hauses zu ermöglichen, beabsichtigt der Hausbesitzer eine bessere Wärmedämmung des Gebäudes und den Einbau einer Wärmepumpe vorzunehmen. Das Bezirksamt Pankow hat die geplanten Dämm-Maßnahmen mit Verweis auf Denkmalschutz-Vorgaben nicht gestattet. Ich bitte das Bezirksamt diesbezüglich um Auskunft:

1. Welche konkrete Beeinträchtigung des Erscheinungsbilds befürchtet das BA durch eine Fassaden-Dämmung?“

Konkret wird befürchtet:
1. die Verkleinerung der Fensteröffnungen,
2. damit verbunden der Verlust bauzeitlich überlieferter Fenster,
3. die erhebliche Erhöhung baualtertypischen Tiefen der Fensterlaibungen,
4. die erhebliche Reduzierung des Traufabstandes auf nahezu Null,
5. die nahezu Verdopplung der Podesthöhen der Balkone.

Erläuterung:
Ein Wärmedämmverbundsystem (WVDS) hat eine Dicke von 8 – 9 cm (Dicke der Mineralwolle: 6 cm + mineralischer Putz: 2,5 – 3 cm).
Bei der Anbringung eines WVDS würden nicht nur die Laibungstiefen von ca. 12 cm auf ca. 21 cm erhöht und der Traufabstand kaum noch wahrnehmbar werden. Hinzu kommt, dass systembedingt das WVDS auch in den Fensterlaibungen angebracht werden muss. Dies würde zu einer erheblichen Verkleinerung der Fensteröffnungen führen.
Und es müssten die bestehenden, historisch überlieferten Fenster durch neue – kleinere – ersetzt werden, da die Rahmen der Bestandsfenster im Bestand bündig an das Mauerwerk angeschlagen sind und das WDVS ansonsten faktisch vor den bestehenden Scheiben enden würde.
Schließlich müssten auch die Podeste der Balkone aus bauphysikalischen Gründen mit einem WDVS versehen werden, was zu einer nahezu Verdopplung der Podesthöhen führen würde. Die Balkone wurden zwar im Zuge der Entstuckung ebenfalls erneuert, allerdings dabei die bauzeitliche Podesthöhe gewahrt. Eine Erhöhung der Podesthöhe würde folglich das filigrane Erscheinungsbild der Balkone erheblich verändern.

2. „Im Ablehnungsbescheid wird suggeriert, dass in diesem Fall öffentliches Interesse (gemeint ist seitens des Bezirksamts „Denkmalschutz“) privaten Interessen gegenüberstünde. Klimaschutz und Klimaneutralität wird bei diesem Punkt des Ablehnungsbescheids nicht erwähnt. Ist Klimaneutralität bzw. Klimaschutz aus Sicht des Bezirksamts nicht im öffentlichen Interesse?“

Der Klimaschutz wurde im Versagungsbescheid in den Punkten 4 (Überwiegendes öffentliches Interesse) und 5 (Abwägung privater unter öffentlicher Interessen) erwähnt.
Aus Sicht des Bezirksamtes sind Klimaschutz und Klimaneutralität öffentliche Interessen. An deren Verbesserung wirken die Denkmalbehörden ausdrücklich mit. Der verantwortungsvolle Umgang mit Ressourcen gehört zu den Kernthemen der Denkmalpflege.
Ausschlaggebend für die Beurteilung des Energiehaushalts eines Gebäudes ist nicht nur der Primärenergiebedarf, vielmehr ist in einer Gesamtenergiebilanz grundsätzlich die für einen Lebenszyklus des Gebäudes insgesamt erforderliche Energie zu berücksichtigen. Hierzu gehört auch die sogenannte Graue Energie, die bei Baustoffen den energetischen Aufwand von der Rohstoffgewinnung über die Herstellung und den Transport, die Bearbeitung, den Einbau sowie die Bauunterhaltung bis hin zur späteren Entsorgung umfasst.

Baudenkmale sind hierbei wegen ihres hohen Baualters deutlich im Vorteil gegenüber Neubauten. Aufgrund der Wertschätzung und der monetären Bedeutung der verwendeten Materialien und Bauteile wurden diese in früheren Zeiten in der Regel nicht ausgetauscht und entsorgt, sondern repariert und weiterverwendet. Das Reparaturprinzip bewahrt wertvolle Ressourcen und schont Klima und Umwelt. In Bestandsgebäuden und damit auch insbesondere in Baudenkmalen ist in hohem Maße Graue Energie gespeichert. Sie bringen je nach Lebensalter bereits einen großen Vorsprung in eine Lebenszyklusbetrachtung der Energiebilanz ein.
Ein Vergleich von Baudenkmalen mit Passiv- oder Plusenergiehäusern allein bezogen auf die zum Betrieb des Gebäudes heute erforderliche Energie ist deshalb im Sinne einer Gesamtenergiebilanz nicht sinnvoll.

3. „Sind Dämm-Maßnahmen aus Sicht des Bezirksamts geeignete Maßnahmen, um den Energieverbrauch und damit Treibhausgas-Emissionen von Gebäuden erheblich zu senken?“

Ja.

4. „Werden seitens des Bezirksamts andere wirtschaftliche Maßnahmen, als die vom Hausbesitzer geplanten Maßnahmen, gesehen, um das Gebäude in der Heynstraße 8 klimaneutral umzugestalten? Wenn ja, bitte aufführen.“

Das Bezirksamt kann mangels verifizierbarer Berechnungen nicht einschätzen, ob das Gebäude Heynstraße 8 klimaneutral umgestaltet werden kann.
Unter Klimaneutralität wird allgemein verstanden, dass die sanierten Gebäude übers Jahr gerechnet Null Treibhausgase emittieren. Hierbei wird der gesamte Lebenszyklus des Gebäudes, einschließlich der Grauen Energie der eingesetzten Baustoffe betrachtet.
Eine Gesamtenergiebilanz unter Einbeziehung der Grauen Energie liegt dem Bezirksamt nicht vor.

5. „Ist es korrekt, dass das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg am 21. April 2016 im Urteil 2B24.12 festgelegt hat, dass Eigentümer nicht dazu verpflichtet sind, den Zustand des Denkmals zu sichern, der nicht dem Originalzustand des Denkmals entspricht?“

Nein. Im zitierten Urteil geht es darum, dass Eigentümer nicht verpflichtet sind, die bauzeitliche Farbgebung wiederherzustellen, wenn sie bereits zum Zeitpunkt der Unterschutzstellung nicht mehr vorhanden war.
Im hier relevanten Fall geht es um den Verlust bauzeitlich überlieferter Gestalt- und Strukturmerkmale.

6. „Ist es richtig, dass sowohl das Dach, die Traufausbildung und die Fensterlaibungstiefen in der Heynstraße 8 nicht dem bauzeitlichen Original entsprechen?“

Nein. Die Fensterlaibungstiefen entsprechen der bauzeitlichen Situation. Im Zuge der Entstuckung der Straßenfassade wurde lediglich die Fensterrahmung abgeschlagen, jedoch wieder ausgeglichen durch den Putzauftrag.

7. „Ist es korrekt, dass nach Plänen der Antragsteller die Fassadengliederung, die bauzeitliche Fensteröffnungen und auch das mittlere Eingangstor im bauzeitlichen Original erhalten bleiben würden?“

Nein.
Der Gebäudeeigentümer behauptet zwar, dass er die Fenster erhalten und die Fensteröffnungen nicht verändern will, beantragt jedoch die „denkmalrechtliche Genehmigung zur Dämmung der straßenseitigen Außenwand mit einer mindestens 6 cm starken Mineralwolle der Wärmeleitgruppe 035 (gemäß Gutachten)“.
Unter Gutachten ist der „Sanierungsfahrplan vom 15. Juni 2022“ gemeint. Da bei einer Außendämmung auch die Laibungen gedämmt werden müssen, schlägt der Gutachter vor, sie mit Polyurethan-Hartschaumplatten mit einer Wärmeleitstufe 023 zu dämmen.
Konkrete Angabe zur Dicke dieser Platten macht der Gutachter nicht. Selbst unter der Annahme der Verwendung der Mindestdicke von 2 cm würde sich die Fensteröffnung erheblich verkleinern, da auf die Platte noch ein Dickschichtputz (mind. 2 cm) aufgetragen werden müsste.
Beantragt wurde nicht das Abschlagen des Bestandsputzes, was heißt, dass die mit dem Fensterahmen bündige Laibung um 2 x ca. 4 cm, insgesamt also um 8 cm, verkleinert würde.
Abgesehen von der Verkleinerung der Fensteröffnungen würde das vorgenannte System bis vor die Fensterflügel ragen. Sie müssten folglich durch kleinere Fenster ausgetauscht werden.

Rona Tietje
amtierende Bezirksbürgermeisterin

Antrag auf der BVV-Seite: https://www.berlin.de/ba-pankow/politik-und-verwaltung/bezirksverordnetenversammlung/online/ka020.asp?KALFDNR=4314