Tatort Arkenberge – Umwelt- und Naturschutz

Bezirksverordneten Axel Lüssow
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Das Bezirksamt wird um folgende Auskunft gebeten:

Nach Presseberichten [3] wurden im Auftrag der Eigentümer der HEIM-Gruppe anbei Berg und Seen Arkenberge ohne Absprache mit dem Bezirksamt Rodungen vorgenommen und dabei geschützte Natur vernichtet. Auf einer Fläche von 500 mal 100 Metern seien zu schätzungsweise 75 Prozent der Vegetation durch Abschieben flächig entfernt worden, betroffen seien u.a. fast sämtliche dort verzeichneten Vogelarten.

1. Die „Leitlinien für die weitere Entwicklung der ehemaligen Bauschuttdeponie Arkenberge sowie der vorgelagerten Seen“ [1] besagen: „Die bestehenden, einschlägigen und behördenverbindlichen Planwerke (Landschaftsprogramm, bezirkliches Biotopverbundkonzept und Schutzgebietsverordnungen des Naturpark Barnim und LSG Blankenfelde) sind mit ihren detaillierten Zielen und Maßnahmen zu berücksichtigen.“. Der kaufmännische Leiter der HEIM-Gruppe gibt in der Presse [5] an: „Die vorgenommenen Arbeiten waren nötig, weil das Landschaftsprogramm eine offene Landschaft verlangt, also eine Verbuschung zu verhindern ist.“. Trifft diese Behauptung zu, und wie steht das Bezirksamt zu der durch den Eigentümer vorgenommen Rodung?

Im Landschaftsprogramm (LaPro) ist keine derartige Forderung zu finden. Vielmehr wird die Fläche im Programmplan Biotop- und Artenschutz als waldgeprägter Raum dargestellt. Im Programmplan Naturhaushalt/Umweltschutz ist sie als Grün- und Freifläche verzeichnet, im Programmplan Erholung und Freiraumnutzung als Feldflur/Wiese. Die Notwendigkeit von Rodungen und dem Abschieben der Vegetation lässt sich hieraus und aus den in den Programmplänen enthaltenen weiteren Hinweisen jedoch nicht ableiten.
Das bezirkliche Biotopverbundkonzept stellt die Fläche als Entwicklungsfläche für die Sandgrasnelke dar. Auch in diesem Kontext stellen die durchgeführten Maßnahmen keine zielführende Pflege dar. Die Rodung stellt einen ungenehmigten Eingriff und damit eine Ordnungswidrigkeit dar. Das Bezirksamt kann der Darstellung, es handele sich dabei um notwendige Pflegemaßnahmen, nicht folgen.

2. Welche Schäden genau hat das Bezirksamt festgestellt, mit welchen Strafen sind diese Verstöße jeweils belegt, und wie ist der Stand des Verfahrens gegen die Verursachenden?

Auf einer Fläche von ca. 5 ha wurden ca. 75 % der Vegetation durch Fällen, Roden und Abschieben entfernt, betroffen waren dabei vor allem: Ruderale Staudenfluren, Grünlandbrachen frischer Standorte (Queckenflur), Gehölze: Jungaufwuchs nichtheimischer Baumarten (Eschen-Ahorn), nichteinheimische Straucharten, einheimische Sträucher (Cornus sanguinea, Rosa canina). Stockausschläge und Wurzelbrut wurden entfernt. Durch die großflächige Bodenbearbeitung und das Befahren mit schweren Maschinen ist zusätzlich von einer Beeinträchtigung des Wurzelbereiches und Beschädigung der Wurzeln der noch vorhandenen Bäume auszugehen.
Es handelt sich hierbei um einen nicht genehmigten Eingriff nach § 16 NatSchG Bln i. V. m. § 14 BNatSchG, der eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 56 Abs. 1 Nr. 1 NatSchG Bln i. V. m. § 69 Absatz 3 Nr. 1 BNatSchG darstellt. Ungenehmigte Eingriffe in Natur und Landschaft können gemäß BNatSchG § 69 Abs. 7 mit einer Geldbuße in Höhe von bis zu 50.000 € geahndet werden. Der im vorliegenden Fall anzuwendende Betrag ist bisher nicht festgelegt worden.
Aktuell werden die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens sowie eine Wiederherstellungsanordnung vorbereitet.

3. Muss diese geschützte Natur vor Ort wiederhergestellt werden, oder reicht eine Kompensation an anderer Stelle aus? Wie hoch sind die Kosten für einen üblichen Ausgleich/Ersatz ggü. einer unverzüglichen und vollständigen Wiederherstellung der Funktion für geschützte Flora und Fauna?

Gemäß § 17 Abs. 8 BNatSchG kann die zuständige Behörde im Falle eines ungenehmigten Eingriffes entweder Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen oder die Wiederherstellung des früheren Zustandes anordnen. Das Umwelt- und Naturschutzamt Pankow beabsichtigt die Forderung letzteres und bereitet aktuell eine Wiederherstellungsanordnung vor.
Die Kostenfrage lässt sich nicht pauschal beantworten.

4. Wie verhindert das Bezirksamt, dass selbst mit einer eventuellen Strafzahlung die Schädigung von Schutzgütern wirtschaftlich ist, da nun weniger Lebensraum für geschützte Flora und Fauna vorhanden ist und/oder kein Wald entstehen kann, sodass eine Bebauung oder anderweitige kommerzielle Nutzung umstandsloser möglich ist?

Siehe Antwort auf Frage 3. Es wird die Anordnung ergehen, die Fläche so bald wie möglich wieder in ursprünglichen Zustand zu versetzen. Dies schließt auch eine entsprechende Pflegezeit mit ein. Einer Bebauung wird so in keiner Weise Vorschub geleistet.

5. Mit dem Beschluss IX-0212 vom 18.5.2022 [2] hatte die BVV das Bezirksamt ersucht die HEIM-Gruppe zu unterstützen, um „insbesondere die bestehenden Biotopflächen zu schützen“. Bis zum Einreichen dieser Anfrage lag noch keine Vorlage zur Kenntnisnahme (VzK) vor (vgl. §13 BezVerwG, § 67 GO der BVV Pankow). Welche Maßnahmen wurden vom Eigentümer auch auf Basis dieses Beschlusses beim Bezirksamt angemeldet, welche Maßnahmen werden/wurden bereits umgesetzt und besteht ein Zusammenhang mit der jetzt vorgenommenen Rodung?

Vom Vorhabenträger wurden keine Maßnahmen angemeldet. Es wurden auch keine Maßnahmen durchgeführt. Das Bezirksamt unterstützte jedoch bis zum 31.03.2023 die HEIM GbR langjährig mit einer MAE-Maßnahme1 beim Müllsammeln. Diese Maßnahme ist allgemeinen Kürzungen und der Tatsache zum Opfer gefallen, dass eine Weiterführung mit neuem Träger zu spät beantragt wurde. Bisher verantwortlich war das bezirkliche Straßen- und Grünflächenamt.

6. Welche Sicherungs- und Pflegeverpflichtungen ergeben sich für die HEIM-Gruppe bzgl. der Flächen innerhalb und außerhalb des LSG anbei Arkenberge, kommt der Eigentümer diesen Pflichten vollumfänglich nach, und falls nicht – was unternimmt das Bezirksamt um diese die Verantwortung einzufordern bzgl.

a) der geschützten Flora und Fauna (u. a. Erhaltungspflicht nach NatSchG Bln § 30 [4])

§ 30 NatSchG Bln zielt auf Röhrichtbestände und ihren Erhalt ab. Flächeneigentümer sind demnach verpflichtet, die auf ihren Grundstücken befindlichen Bestände zu erhalten und zu pflegen. Die Röhrichte der Uferzone sind abschnittsweise durch wild Badende durchbrochen und zerstört worden. Nach § 30 (3) NatSchGBln müssen jedoch die Röhrichte vor Trittschäden auf Grund ungeregelter Bade- und sonstiger Erholungsnutzung durch geeignete Maßnahmen geschützt werden. Ein wirksamer Schutz der Röhrichtbestände durch den Eigentümer findet derzeit nicht statt. Das Bezirksamt hat bislang auf den Schutz des Naturraumes über ein ökologisch tragfähiges Gesamtentwicklungskonzept für das Gebiet vertraut. Dies ist vom Eigentümer bislang nicht vorgelegt worden.

b) der allgemeinen Verkehrssicherung der Flächen um die Seen und der Seen selbst?

Die Verkehrssicherung auf Privatflächen obliegt dem Flächeneigentümer.

7. Im Ausschuss Stadtentwicklung vom 22.9.2022 [2] wurde angekündigt: „Der Vorhabenträger geht in Kürze mit neuer Planung auf das Bezirksamt zu. Bedenken des Amtes sollen darin aufgenommen und berücksichtigt werden“. Wann ist der Vorhabenträger mit welchen Planungen auf Amt für Umwelt- und Naturschutz zugegangen, und welche Bedenken des Amtes für Umwelt- und Naturschutz wurden darin berücksichtigt?

Die neue Planung wurde dem Umwelt- und Naturschutzamt sowie dem Stadtplanungsamt am 24.02.2023 mithilfe einer Powerpoint-Präsentation per Video-Konferenz vorgestellt. Derzeit erarbeitet das Umwelt- und Naturschutzamt eine Stellungnahme zu den überarbeiteten Planungen. Diese dient im weiteren Prozess der Kommunikation der Naturschutz- und Umweltbelange sowie der zielgerichteten Berücksichtigung dieser im Planungsprozess.

Manuela Anders-Granitzki

[1] https://www.berlin.de/ba-pankow/politik-undverwaltung/bezirksverordnetenversammlung/online/vo020.asp?VOLFDNR=6312
[2] https://www.berlin.de/ba-pankow/politik-undverwaltung/bezirksverordnetenversammlung/online/vo020.asp?VOLFDNR=6151
[3] https://www.tagesspiegel.de/berlin/bezirke/rodung-im-biotop-arkenberge-bezirk-bestatigtstreng-geschutzte-arten-vernichtet-9424508.html
[4] https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/jlr-NatSchGBE2013pP30
[5] https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/ehemalige-muelldeponie-tatortarkenberge-kahlschlag-warum-ein-berliner-wald-verschwindet-areal-um-den-hoechsten-bergberlins-soll-zum-freizeitpark-werden-li.328020 

Anfrage auf der BVV-Seite: https://www.berlin.de/ba-pankow/politik-und-verwaltung/bezirksverordnetenversammlung/online/ka020.asp?KALFDNR=4323

Axel Lüssow dazu auf Twitter: https://twitter.com/AxelLuessow/status/1650887864866025474