Gilt die Schulpflicht in Pankow auch für geflüchtete Kinder?

Das Bezirksamt wird um folgende Auskunft gebeten:

In Pankower Flüchtlingsunterkünften erhalten nach Angaben der Senatsverwaltung für
Bildung, Kinder, Jugend und Familie 350 Kinder und Jugendliche gegenwärtig keinen
Schulunterricht. Kein Bezirk meldet mehr unbeschulte Schüler und Schülerinnen als Pan-
kow, in ganz Berlin sind es 1750. Aus Gemeinschafts- und Erstaufnahmeeinrichtungen –
unter anderem durch Gespräche mit den Leitungen – in Pankow ist bekannt, dass diesen
Kindern nur zu einem geringen Teil Schulplätze zugewiesen werden. Diese Situation ist
besorgniserregend. Kinder können die so entstehenden Bildungslücken später häufig
nicht mehr aufholen.

1. Gilt die Schulpflicht in Pankow auch für geflüchtete Kinder?
Die Schulpflicht ist für alle Kinder/Jugendliche im Land Berlin gleich geregelt über die
Ausführungsvorschriften über Beurlaubung und Befreiung vom Unterricht (AV Schulbe-
suchspflicht) vom 19. November 2014 (ABl. S. 2235), geändert durch VV vom 22. De-
zember 2017 (ABl. S. 451).
„9 – Umfang der Schulpflicht bei ausländischen Kindern und Jugendlichen § 12- Umfang
der Schulpflicht bei ausländischen Kindern und Jugendlichen
(1) Ausländische Kinder und Jugendliche, die einen erforderlichen Aufenthaltstitel oder
eine Aufenthaltsgestattung nicht oder nicht mehr besitzen, unterliegen nicht der Schul-
pflicht. Gleiches gilt, wenn völkerrechtliche Bestimmungen oder zwischenstaatliche Ver-
einbarungen der Schulpflicht entgegenstehen. In den Fällen des Satzes 1 und 2 können
die Kinder und Jugendlichen jedoch die Schulen des Landes Berlin freiwillig und unter
den gleichen Bedingungen wie schulpflichtige Kinder und Jugendliche besuchen.“

2. Wie viele zugewanderte oder geflüchtete Kinder werden zum Stichtag 1. August 23
beschult? Die Zahlen bitte nach Regelklassenbeschulung und Beschulung in Will-
kommensklassen unterscheiden.

In den zum Schuljahresbeginn 2023/24 eingerichteten 83 Willkommensklassen werden
1.081 Schülerinnen und Schüler beschult. Dabei wird nicht unterschieden, aus welchem
Grund die Kinder noch nicht ausreichend Deutsch beherrschen um in Regelklassen unter-
richtet zu werden. In den Willkommensklassen werden nicht nur geflüchtete Kinder und
Jugendliche, sondern z.B. auch Kinder von in Berlin wohnenden und arbeitenden EU-
Bürgern, Botschaftsmitarbeitern, Gastarbeitern etc. beschult.
Daten über bereits in Regelklassen unterrichtete zugewanderte oder geflüchtete Kinder
und Jugendliche liegen dem Schul- und Sportamt nicht vor. Die Statistik der SenBJF er-
hebt nur Daten zu ausländischen Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Herkunfts-
sprache.

3. Aus welchen Ländern stammen die Kinder?

Aus 72 verschiedenen Ländern von 4 Kontinenten. (siehe Anlage)

4. Wie viele Kinder warten gegenwärtig auf einen Schulplatz? Diese Zahlen für die
Grundschulen nach Einzugsgebieten aufteilen, für die Oberschulen nach Ortsteilen.
Bitte die Schulen und nahegelegene Flüchtlingsunterkünfte einander zuordnen.
Aus welchen Ländern stammen die Kinder?

Mit Stand 20.07.23 warten derzeit 130 Kinder (Grundschule) und 160 Jugendliche
(Oberschule) in Pankow auf einen Schulplatz. Unzählige Anträge sind derzeit aufgrund
von Personalmangel noch unbearbeitet und täglich kommen neue hinzu, daher ist davon
auszugehen, dass die Zahlen höher sind. Eine Aufstellung nach Einzugsgebiet oder Orts-
teil wird im Verwaltungsvorgang nicht vorgenommen.
Aus 72 verschiedenen Ländern von 4 Kontinenten. (siehe Anlage)

5. Steht das Bezirksamt mit den Familien der betroffenen Kinder in Kontakt? Wenn ja:
Welche Ämter sind in welcher Weise und wie häufig seit Zuzug der Kinder in den Be-
zirk in Kontakt?

Im Regelfall stehen das LAF, die Jobcenter, das Sozialamt, das Jugendamt, das Ge-
sundheitsamt und das Schul- und Sportamt mit den Familien in Kontakt.
In welcher Weise und wie oft, kann durch das Bezirksamt nicht beantwortet werden.

6. Hat das Bezirksamt diese Kinder bereits zu einer Einschulungsuntersuchung eingela-
den? Wenn ja, wie viele Kinder konnten bereits untersucht werden?

Sobald die Kinder dem Schulamt als schulplatzsuchend gemeldet werden, erhalten die
Personensorgeberechtigten die Information über die verpflichtende Schuluntersuchung
beim KJGD sowie die Kontaktdaten zu Terminvereinbarung. Gleichzeitig wird der KJGD
über den Zuzug der Kinder auch vom Schulamt informiert. Alle, Kinder und Jugendlichen,
die im neuen Schuljahr eingeschult werden oder bereits die Schule besuchen, wurden
untersucht.

7. Wurde die Vorbildung in den Herkunftsländern (Schulform, Schuljahre, Sprachen,
Mathematik …) erfasst? Welche Erkenntnisse gibt es dazu?

Diese Frage kann durch das Bezirksamt nicht beantwortet werden. Für die Einschätzung
des Bildungs- und Sprachstandes und die Zuordnung zur Schulform/WK/Klassenstufe ist
die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie zuständig.

8. Wurden die deutschen Sprachkenntnisse der Kinder getestet?

Das Schul- und Sportamt kontaktiert alle zugezogenen Kinder im Vorschulalter (ab ca.
4,5 Jahre) und bittet um Nachweis eines Kindergartenplatzes. Kinder ohne Kindergarten-
platz im Vorschulalter erhalten einen Kita-Gutschein und bekommen ggf. mit Unterstüt-
zung des Jugendamtes einen Kitaplatz. Somit wird sichergestellt, dass die Kinder zum
Zeitpunkt der Einschulung über ausreichende Sprachkenntnisse in der deutschen Sprache
verfügen.
Eine Auskunft zu bereits schulpflichtigen Kindern kann durch das Bezirksamt nicht gege-
ben werden, da es sich entsprechend § 109 SchulG nicht um äußere Schulangelegenhei-
ten handelt. Zuständig ist die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie.

9. Wenn ja, wie viele Kinder haben Sprachförderbedarf?
10. Wurden bei den untersuchten Kindern über Sprachförderbedarf auch sonderpäda-
gogischer Förderbedarf festgestellt?

Zu Frage 9 und 10:
Diese Fragen können durch das Bezirksamt nicht beantwortet werden. Für diese inneren
Schulangelegenheiten ist die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie zustän-
dig.

11. Wurden den Kindern bzw. ihren Eltern Förderangebote unterbreitet, die die Kinder auf
den Besuch einer Schule vorbereiten?

Zu den Förderangeboten kann das Bezirksamt keine Auskunft geben, da es sich hier um
pädagogische, also ebenfalle innere Schulangelegenheiten handelt.
Aus Sicht des Schulträgers sind solche Förderangebote durch die Senatsverwaltung für
Bildung, Jugend und Familie, das LAF bzw. durch die Flüchtlingsunterkünfte zu unterbrei-
ten.

12. Wurden die Eltern über mögliche kinderfreundliche Aktivitäten in Berlin informiert, z.B.
den Besuch von Spielplätzen, dem zoologischen Garten oder ähnlichem?

Obgleich es nicht Aufgabe des Schul- und Sportamtes ist, werden die Eltern im Rahmen
des Anmeldeverfahrens in einem persönlichen Gespräch durch die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter der Schulorganisation über kinderfreundliche Aktivitäten hingewiesen – z.B.
Spielplätze im Kiez, Hinweis auf Vereine (Sport, Musik, Kunst), Ferienschulen, kostenlose
Angebote in kulturellen Einrichtungen/Parks/Stadtteilzentren – die den Spracherwerb un-
terstützen. Dies geschieht auch trotz Sprachbarriere mittels Google-Übersetzer.

13. Was plant das Bezirksamt zu unternehmen, um allen Kindern einen Schulplatz anzu-
bieten?

In den letzten 10 Jahren sind mehr als 10.000 Schülerinnen und Schüler in das Pankower
Schulsystem aufgenommen worden. Die Anzahl der Willkommensklassen und die Zahl der
darin Beschulten hat sich seit dem Schuljahr 2013/14 verzehnfacht, von 8 Willkommens-
klassen mit 101 Schülern auf 83 Willkommensklassen mit 1.081 Schülern.
Es wurde innerhalb der bestehenden Schulen massiv verdichtet, neue Schulen nach Sa-
nierung in bislang leerstehenden Gebäuden gegründet, Ergänzungsbauten (17 MEB und
3 LOG + 2 LOG im Bau) errichtet, bei jeder Sanierung die Schulen um zusätzliche Unter-
richtsräume erweitert, Klassenfrequenzen aufs Äußerste ausgereizt.
Mit dem Schuljahr 2023/24 werden 3 neue Grundschulen in Betrieb gehen. Für das
Schuljahr 2024/25 ist die Eröffnung einer weiteren Grundschule geplant.
Der Bezirk plant weitere Schulen zu errichten und hat hierfür 24 Neubauschulstandorte im
Investitionsprogramm des Landes Berlin angemeldet.
Eine weitere Verdichtung innerhalb der Schulen bzw. auf den vorhandenen Schulstandor-
ten ist kaum noch möglich, trotzdem werden weitere Maßnahmen (Containerstandorte
auf Schulgrundstücken) geprüft und bei der SenBJF zur Finanzierung angemeldet.

14. Sind darüber hinaus kreative Möglichkeiten geprüft worden, um die verbreitete
Nichtbeschulung zu beenden? Zu denken wäre an Nachmittags- und Wochenendan-
gebote, an Ferienschulen, an die Beschulung durch muttersprachliche Lehrkräfte.
Das Schul- und Sportamt Pankow prüft seit langer Zeit kreative Möglichkeiten um allen
Kindern/Jugendlichen, egal ob Pankower, Zugezogene oder Geflüchtete, einen Schul-
platz zur Verfügung zu stellen.

Mit dem Zuzug von Geflüchteten aus der Ukraine sind weitere Ideen entwickelt worden,
wie Schichtunterricht, Ausweitung des Unterrichts bis 18 Uhr, externe Raumanmietungen,
Schulräume in Unterkünften, verstärkter Wechsel zwischen Online-Präsenz-Unterricht, Er-
höhung von Klassenfrequenzen in Willkommensklassen bei personeller Stärkung, Zusam-
menarbeit mit freien Trägern…. Diese Ideen wurden größtenteils von der Senatsverwal-
tung für Bildung, Jugend und Familie für nicht umsetzbar erklärt.
Die Anmietung von externen Räumlichkeiten scheitert u. a. an für schulische Nutzung ge-
eigneten Räumlichkeiten, an fehlenden Geldern für Mieten, Problemen bei der Anbindung
an Schulen, an geeignetem Lehrpersonal.
Das Projekt Ferienschule gibt es im Land Berlin schon seit vielen Jahren.
Die Beschulung durch muttersprachliche Lehrkräfte erfolgt(e) im Zuge der Beschulung
von ukrainischen Geflüchteten. Die Voraussetzung hierfür ist aber, dass eine ganze Klasse
(12-13 Schülerinnen und Schüler) Muttersprachler sind. Dies trifft mittlerweile nicht mehr
zu.

Die Anlage finden Sie hier.