Kleine Anfrage 0697-IX

Karpfenteich-Schande von Heinersdorf – Gewässerqualität und Artenschutz

Das Bezirksamt wird um folgende Auskunft gebeten:

Das Bezirksamt berichtet in der Pressemittelung [1] über die Trockenlegung der
Heinersdorfer Fischteiche und dem Tod vieler Fische, das „Bezirksamt hat Vorgang
geprüft“ und „[…] der DAV LV Berlin e.V. ist berechtigt, die Gewässer zu
Sanierungszwecken abzulassen. Ungeachtet dessen dürfen dem Vorhaben keine arten-
oder tierschutzrechtlichen Bedenken entgegenstehen.“

1. Das Bezirksamt gibt in der PM [1] an: „Im Vorfeld hätte jedoch mit den für
Naturschutz zuständigen Ämtern abgeklärt werden müssen, ob
artenschutzrechtliche Bedenken gegen ein derartiges Vorhaben bestehen. Dies ist
hier nicht geschehen.“. In den Leitlinien Brandenburgs [9, Punkt 1.2.5] wird u.a. im
Hinblick auf die Generalreparatur von Staueinrichtungen empfohlen, den
Zeitpunkt dieser Maßnahme zu beachten, da mit ihr in der Regel eine
Trockenlegung des Gewässers verbunden ist. „In jedem Fall sind dazu
Abstimmungen mit der UNB erforderlich“ falls diese aus technologischen Gründen
in der Vegetationsperiode notwendig wird sind, um zu klären, ob der saisonale
Ausfall der Reproduktion geschützter Arten vertreten und mit den Vorteilen der
durchgeführten Maßnahme aufgewogen werden kann.

a. Sollten Anforderungen an die gute fachliche Praxis [9, auch 10-14] ebenso
für Angelsportvereine in Berlin vorausgesetzt werden, und wurde diese gute
fachliche Praxis durch den DAV vollumfänglich erfüllt?
b. Hat bereits die nicht erfolgte Abklärung mit den für Naturschutz
zuständigen Ämtern Konsequenzen für den DAV – oder sind die
Naturschutzbehörden in der Beweislast, Folgen für den Artenschutz zu
belegen?
c. War beim Zeitpunkt der Maßnahme die Überlebensfähigkeit der Fische bei
einer potenziellen Rettung nach dem Stress des Ablassens des Wassers z.B.
durch Wetterbedingungen, Gewässerqualität wie übermäßigem
Nährstoffeintrag oder Sauerstoffarmut durch einen hohen Fischbesatz
gemindert?

Zu a) Aufgrund sachlicher (bezirklicher) Unzuständigkeit kann diese Frage nicht
beantwortet werden.
Zu b) Nein (siehe Fragen 2 und 3).
Zu c) Da für die Heinersdorfer Teiche keine Daten zum Fischbestand bzw. zur
Fischzusammensetzung oder zur Wasserqualität vorliegen, können diese
Rahmenbedingungen auch nicht im Hinblick auf die Überlebenswahrscheinlichkeit der
Fische bewertet werden.

2. Der Präsident des DAV gibt in der Presse [5] an, er halt es für „unwahrscheinlich,
Eisvögel geschädigt zu haben, wie es dem Verband Bürger und Behörden
vorwerfen. „Ich habe dort keine beobachten können““. Das Bezirksamt [1] gibt
hingegen an: „Im Umfeld der Heinersdorfer Fischteiche befinden sich zwei
Eisvogel-Brutpaare. Die nach Bundesartenschutzverordnung streng geschützten
Vögel brüten mehrmals im Jahr bis in den September. Durch den Entzug der
Nahrungsgrundlage ist mit erheblichen Störungen für die Vögel zu rechnen. Ob
durch das Ablassen der Teiche die Aufzucht von Nachwuchs gestört oder
verhindert wurde, wird derzeit artenschutzrechtlich geprüft.“

a. Wie ist der Stand dieser Prüfung, welche Ergebnisse liegen bisher vor
und/oder wann wird die Prüfung voraussichtlich abgeschlossen sein?
b. Welche weiteren negativen Einflüsse auf Wildtiere, z.B. spät brütende
Blässhühner [10] und auch Nichtwirbeltierarten, wie Libellenlarven, ggf.
Muscheln oder Krebstiere hätten bei der Maßnahme berücksichtigt werden
müssen?
c. Welche Änderung der Maßnahme hätte erfolgen müssen, wäre rechtzeitig
das Vorkommen der streng geschützten Arten und die negative
Beeinflussung störanfälliger geschützter Wildtiere vor Ort aufgefallen bzw.
bestätigt worden?

Zu a) Das Umwelt- und Naturschutzamt beauftragte Mitte September die Stadtnatur-
Ranger Pankow mit der Untersuchung des Gebietes. Laut eines vorgelegten internen
Berichts der Rangerinnen und Ranger wurden bei mehreren Vor-Ort-Terminen Eisvögel
gesichtet. Die Beobachtungen ließen auf ein territoriales Verhalten in Bezug auf die letzte
verbleibende Wasserstelle schließen; ein Altvogel wurde von Artgenossen vertrieben und
hat vermutlich die Bereiche der Karpfenteiche verlassen.
Aufgrund der Uferstruktur, sowohl am großen als auch am kleinen Teich, kann ein
Vorkommen von potentiellen Niststandorten nach Einschätzung der Stadtnatur-Ranger
Pankow nahezu ausgeschlossen werden. Es ist jedoch von einer ganzjährigen
Anwesenheit der Vogelart an den Fischteichen auszugehen. Inwieweit die vertriebenen
Tiere auf andere Jagdreviere ausweichen konnten, kann nach aktuellem Wissensstand
nicht sicher beantwortet werden. Zum jetzigen Zeitpunkt ist wahrscheinlich nicht von einer
Beschädigung von Reproduktionsstätten auszugehen, wohl aber von einer
Beeinträchtigung adulter Eisvögel im Zeitraum der Bauarbeiten und der Trockenlegung
der Teiche.

Zu b) Dazu kann das Umwelt- und Naturschutzamt aufgrund der eingeschränkten
Kenntnislage keine Aussagen treffen.

Zu c) Dazu kann das Umwelt- und Naturschutzamt aufgrund der eingeschränkten
Kenntnislage keine Aussagen treffen.

3. Der DAV gibt in der Stellungnahme [2] an „Eine Genehmigung der Trockenlegung
war nach Auskunft des Fischereiamtes Berlin für uns als Eigentümer nicht
notwendig.“, in der Stellungnahme [3] „Durch den Senat wurde heute das Wehr
geöffnet“. Sind diese Verwaltungen vor der Trockenlegung auf die zuständigen
Stellen Bezirksamt zugegangen, um eine Klärung und Absicherung bzgl.
Artenschutz zu veranlassen und/oder um sicherzustellen, dass der DAV über ein
ausreichendes Konzept für die Rettung der Fische verfügt und die GfP beachtet?
Das Ablassen von Gewässern ist nach § 26 Abs. 1 Satz 1 Landesfischereigesetz (LFischG)
mindestens 10 Tage vorher beim Fischereiberechtigen anzuzeigen. Da im vorliegenden
Fall der DAV LV Berlin e.V. durch das Eigentumsverhältnis auch der Fischereiberechtigte
ist, entfällt diese Anzeigepflicht. Das Fischereiamt wurde vom Fischereiberechtigen nicht
über die geplanten Instandsetzungsmaßnahmen informiert und es besteht auch keine
Verpflichtung dazu. Demzufolge erfolgte vom Fischereiamt auch keine Meldung an das
Bezirksamt.

4. Der DAV gibt an [2]: „Es wird dann auch wieder ein vernünftiger Besatz der Teiche
stattfinden“
a. Kann der Wasserstand durch Schlamm und den Klimawandel so niedrig
sein, dass dies Folgen für den möglichen Besatz mit Fischen hat –
insbesondere da der Schlamm vor erneuter Befüllung mit Wasser nur
teilweise [2] um die „Mönche“ herum entfernt wurde?
b. Welche Fischarten sind – falls überhaupt – nach Einschätzung des
Bezirksamts für einen Besatz der Teich geeignet – u.a. Weißfisch, Barschen,
Giebeln, Karpfen?
c. Wird der Austausch der der Abläufe („Mönche“) die Gewässerqualität nach
Einschätzung des Bezirksamts signifikant steigern, oder wurden bzw.
werden eine Bepflanzung des Gewässers oder andere Maßnahmen
vorgenommen, um die Gewässerqualität zu verbessern?

Zu a) Aussagen zu den betriebswirtswirtschaftlichen Konsequenzen können nicht gemacht
werden, da keine Daten zur Schlammstärke, Gewässertiefe oder zum Wasserstand
bekannt sind. Technologisch bedingt kommt es zu Aufkonzentrierung von Sedimenten in
den Teichen. Durch eine regelmäßige Entnahme der Sedimente kann der Austrag von
Schwebstoffen während des Ablassens der Teiche minimiert werden. Dadurch kann die
stoffliche Belastung der Vorflut verringert werden.
Mit fortschreitendem Klimawandel wird die Wasserversorgung der Heinersdorfer Teiche
und anderer bewirtschafteter Teichanlagen eine zunehmende Herausforderung für den
Bewirtschafter darstellen. Es ist nicht auszuschließen, dass künftig zusätzliche
Speisungswassermengen (Grund- und/oder Oberflächenwasserressourcen) notwendig
sind, um die Verluste durch die ausbleibenden Niederschläge und durch die erhöhte
Verdunstung auszugleichen.

Zu b) Als bewirtschaftete Anlagen der Teichwirtschaft unterliegen die Heinersdorfer
Teiche nach § 2 Berliner Landesfischereigesetz (LFischG) nicht der Hegepflicht. Die
Regelung nach § 3 Abs. 3 LFischG, wonach der Fischereiberechtigte zur Erhaltung,
Förderung und Hege eines der Größe und Beschaffenheit des Gewässers
entsprechenden heimischen Fischbestandes in naturnaher Artenvielfalt verpflichtet ist, gilt
nicht. Obgleich müssen die Anforderungen nach § 3 Abs. 3 Berliner
Landesfischereiordnung (LFischO) beachtet werden; der Besatz mit nicht heimischen
Fischen (z.B. Giebel) und gebietsfremden Arten ist genehmigungspflichtig und es muss
darüber hinaus das Einvernehmen mit der Obersten Naturschutzbehörde hergestellt
werden.

Zu c) Die Mönche dienen der Regulierung des Wasserstandes der Teiche. Sie wurden
vom DAV aufgrund ihrer Baufälligkeit erneuert [2] und nicht zur Verbesserung der
Gewässerqualität. Dem Umwelt- und Naturschutzamt liegen keine Informationen für
zurückliegende oder zukünftige Aufwertungs- oder Sanierungsvorhaben vor.

5. Ist es nach Einschätzung des Bezirksamtes möglich, dass die Fischteiche von
Kampfmitteln aus den Weltkriegen betroffen sind, und diese die Gewässerqualität
negativ beeinflussen – und bei der zwischenzeitlichen Trockenlegung der Teiche
geräumt hätten werden können bzw. müssen?
Bei Gewässern kann i.d.R. nicht von Kampfmittelfreiheit ausgegangen werden. Zuständig
für Risiken und Gefahren, die von einem Grundstück durch Kampfmittel ausgehen kön-
nen, sind die Grundstückseigentümer. Zur Einholung einer Gefahrenprognose kann der
Eigentümer sich an die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt
als Ordnungsbehörde wenden.

[1] https://www.berlin.de/ba-
pankow/aktuelles/pressemitteilungen/2023/pressemitteilung.1365452.php
[2] https://landesanglerverband.berlin/news/in-eigener-sache-stellungnahme-zu-den-
bauarbeiten-am-jugendzentrum-in-pankow-heinersdorf/
[3] https://landesanglerverband.berlin/news/update-28-09-2023-wiederbefuellung-hat-
begonnen/
[4] https://www.berliner-kurier.de/kiez/was-ist-bloss-los-an-den-karpfenteichen-in-
pankow-li.418138
Manuela Anders-Granitzki