Kleine Anfrage 0700-IX

Vogelschlag in Pankow – Naturschutz

Das Bezirksamt wird um folgende Auskunft gebeten:
Vogelkollisionen an reflektierenden oder spiegelnden, insbesondere gläsernen Fassaden
und Strukturen von Bauwerken sind ursächlich ein konstruktionsbedingtes Problem [vgl. 9-
14]. Nicht nur beim fernen Flughafen BER, sondern auch in Pankow gibt es Beispiele (s.
Fragen 3-5), die offenbar ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko darstellen. Im aktuellen
Entwurf der Bauordnung Berlin [1] ist gegenüber dem Entwurf aus der vorherigen
Legislaturperiode [2] keine Regelung des Tier- und Artenschutzes mehr enthalten
(„Gebäude müssen so errichtet werden, dass das Tötungs- und Verletzungsrisiko für
Vögel durch Kollisionen mit der baulichen Anlage (Vogelschlag) nicht deutlich erhöht
wird.“).

1. Welche im Vollzugsbereich des Bezirksamts liegende Regelungen gibt es im
Naturschutzgesetz für die Verhinderung bzw. Verminderung von Vogelschlag an
problematischen Flächen, und wie häufig wurden seit 2022 entsprechende
Maßnahmen von der Naturschutzbehörde angeordnet?
In den naturschutzrechtlichen Regelungen (Bundesnaturschutzgesetz, Berliner
Naturschutzgesetz) wird die Thematik nicht detailliert behandelt und der genannte
Entwurf der Berliner Bauordnung wurde nicht in Kraft gesetzt.
Im § 44 (1) Nr. 1 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) steht jedoch allgemein das
Tötungsverbot für alle wildlebenden Tiere der besonders geschützten Arten (§ 7 (2) Nr. 13
BNatSchG) und auch aller europäischer Vogelarten. Beim Eintreten einer signifikanten
Erhöhung des Tötungsrisikos wäre der § 44 ebenfalls anzuwenden.
Ein normales Tötungsrisiko liegt bei einem verunglückten Tier auf 50 m Fassadenlänge.
Bei 100 m wären 2 Vögel normal. Ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko wird bei mehr als
doppelt so vielen Tieren, also bei mindestsens 5 Vögeln auf 100 m pro Jahr
angenommen. Die Herleitung erfolgt aus der zurzeit angewandten Broschüre
„Vermeidung von Vogelverlusten an Glasscheiben Bewertung des Vogelschlagrisikos an
Glas“ der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelwarten. Im Zusammenhang mit neueren
BA-Vorhaben und privaten Bauvorhaben, die erkennen lassen, dass dieses Problem
entstehen kann, werden bei den artenschutzfachlichen und -rechtlichen Auflagen die
gesetzlichen Vorschriften genannt.
Anordnungen wurden seit 2022 nicht getroffen.

2. , und welche Dokumentation muss vorliegen damit das Bezirksamt unterstützt,
dass Maßnahmen gegen ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko getroffen werden
(müssen)?
Einwohner können sich bei realen Vogelschlagnachweisen direkt an die Artenschutzstelle
des Umwelt- und Naturschutzamtes oder an die zuständige Senatsverwaltung wenden.
Eine gerichtsfeste Dokumentation ist nur durch Fachkundige erstellbar. Diese sind in der
Senatsverwaltung zu erfragen, sind aber in Berlin leider nicht in großer Zahl vorhanden.

3. Beispiel WABE [3] im Kulturareal am Ernst-Thälmann-Park, eine „kommunale
Kultureinrichtung des Bezirks Pankow“: Liegen dem Bezirksamt Beschwerden oder
Erkenntnisse bzgl. Vogelschlag (Foto im Anhang) vor, gibt es ein signifikant
erhöhtes Tötungsrisiko, welche Maßnahmen gegen Vogelschlag sind notwendig,
und welche Schritte wird das Bezirksamt unternehmen oder hat bereits
unternommen?
Der unteren Naturschutzbehörde im Umwelt- und Naturschutzamt wurde Vogelschlag an
der WABE gemeldet und es ist von einem signifikant erhöhtem Tötungsrisiko auszugehen.
Es liegen Informationen hinsichtlich eines Austausches der meldenden Person mit der
Leitung der WABE zur Problematik vor. Die Leitung der WABE hat sich Mitte 2023 hierzu
mit der unteren Denkmalschutzbehörde ausgetauscht. Zur künftigen Vermeidung sollen
Kollisionsschutzfolien angebracht werden. Aktuell hat die Senatsverwaltung MVKU mit der
Leitung der WABE hierzu Kontakt aufgenommen

4. Beispiel BiotechPark und Campus Buch [4]:
a. Wie hoch ist die Wirksamkeit der zwei schwarzen Vogel-Aufkleber am
Arnold-Graffi-Haus (Fotos im Anhang), und welche weiteren bzw.
tatsächlich wirksamen Maßnahmen sind ggf. notwendig,
b. wie wird das Bezirksamt eine Risikobewertung bzgl. Vogelschlag im
Bereich des Campus Buch vornehmen, veranlassen oder unterstützen bzw.
hat dies bereits getan,
c. wie wird sich das Bezirksamt ansonsten für entsprechende Maßnahmen im
Bereich des Campus Buch einsetzen bzw. hat dies bereits getan?

Zu a) Es ist davon auszugehen, dass die Silhouetten vollständig ohne Wirkung sind. Es ist
seit mehreren Jahren bekannt, dass diese Aufkleber nicht helfen, da die Vögel zwischen
den Aufkleber versuchen durchzufliegen.
Zu b) Personell und finanziell ist das Umwelt- und Naturschutzamt in Pankow nicht in der
Lage Risikobewertungen vorzunehmen oder zu beauftragen. Hier wären Nachfragen bei
der obersten Naturschutzbehörde (SenMVKU) sinnvoll, ob Gelder und Personal dafür zur
Verfügung stehen.
Zu c) Es gab auf dem Campusgelände bereits bei einem Gebäude dazu Gespräche.
Ansonsten siehe Antwort zu 4 b).

5. Beispiele Bibliotheken und Schulen – liegen dem Bezirksamt Beschwerden oder
Erkenntnisse bzgl. Vogelschlag vor, gibt es ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko,
welche Maßnahmen gegen Vogelschlag sind notwendig, und welche Schritte wird
das Bezirksamt unternehmen oder hat bereits unternommen:
a. Stadtteilbibliothek Karow [5]:
b. Robert-Havemann-Gymnasium [6],
c. Grundschule am Hohen Feld [7]?
d. Grundschule im Panketal [8],
Alle 4 Gebäude sind in Verwaltung des Bezirksamtes Pankow und die zuständigen Stellen
sind bereits seit 3 Jahren über das Problem informiert. Es gab 4-5 Termine vor Ort mit
der obersten Naturschutzbehörde (SenMVKU), Fachkundigen und allen beteiligten
Ämtern, sowie den Artenschutzsachbearbeiter*innen des Umwelt- und Naturschutzamtes
Pankow. Da jedoch auch in den anderen zuständigen Ämtern für die sehr kostspieligen
Nachrüstungen der Glasfassaden keine Gelder vorhanden sind, konnte nichts erreicht
werden.

[1] Drucksache 19/1201 vom 26.9.2023: https://pardok.parlament-
berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/DruckSachen/d19-1201.pdf
[2] Drucksache 18/3968 vom 10.8.2021: https://pardok.parlament-
berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/DruckSachen/d18-3968.pdf
[3] https://www.wabe-berlin.info/die-wabe/
[4] https://www.campusberlinbuch.de/de/loc
[5] https://www.berlin.de/stadtbibliothek-pankow/bibliotheken/stadtteilbibliothek-
karow/
4
[6] https://robert-havemann-gymnasium.de/schulfilm
[7] https://www.grundschule-amhohenfeld.de/schule/
[8] https://grundschule-im-panketal.de/?q=schule/ein-rundgang-durch-unsere-schule
[9] Vogelsterben an Glasfassaden – ein verkanntes Problem:
https://umweltzoneberlin.de/2019/10/21/vogelsterben-an-glasfassaden-ein-
verkanntes-problem/
[10] BUND-Studie Vogelschutz und Glasarchitektur im Stadtraum Berlin:
https://www.bund-berlin.de/service/publikationen/detail/publication/vogelschlag/
[11] Anfrage „Vogelschutz und Vogelschlag an Glas in Berlin“ https://pardok.parlament-
berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/s18-18577.pdf
[12] Anfrage „Vogelschlag an Glasscheiben“: https://pardok.parlament-
berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/s18-15567.pdf
[13] Beschluss des Sachverständigenbeirats für Naturschutz und Landschaftspflege zum
Thema „Vogelfreundliches Bauen mit Glas zur Vermeidung von Vogelschlag“:
https://www.berlin.de/sen/uvk/_assets/natur-
gruen/naturschutz/sachverstaendigenbeirat/beschluss_2018_08_29b_vogelfreundliches_
bauen_mit_glas.pdf
[14] Vogelfreundliches Bauen mit Glas und Licht: https://www.berlin.de/sen/uvk/natur-
und-gruen/naturschutz/artenschutz/freilandartenschutz/vogelfreundliches-bauen-mit-
glas-und-licht/