Bezirkliches Vorkaufsrecht für die Kastanienallee 86 ausüben – Verdrängung des „Tuntenhauses“ durch Immobilienspekulation abwenden

Das Bezirksamt wird ersucht, sein Vorkaufsrecht für die Kastanienallee 86 zugunsten einer Genossenschaft, einer Stiftung oder eines landeseigenen Wohnungsunternehmens auszuüben.

Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ist das „Tuntenhaus“, ein soziokulturelles queeres Wohnprojekt mit vulnerablen und von Diskriminierung betroffenen Mieter*innen, durch einen Vorkauf besonders zu schützen. Das Haus muss in dauerhaft gemeinwohlorientierte Hand überführt werden, um Verdrängung zu verhindern und die Bewohner*innen dauerhaft abzusichern.

Weiterhin wird das Bezirksamt ersucht, sich beim Senat des Landes Berlin dafür einzusetzen, dass dieser die finanziellen Voraussetzungen dafür schafft, dass eine Genossenschaft oder ein landeseigenes Wohnungsunternehmen den Vorkauf wahrnehmen kann. Hierfür muss aus dem Landeshaushalt die Genossenschaftsförderung sowie ein Zuschuss durch den Senat freigegeben werden. Bei der Bemessung der Fördersumme ist den Kosten für den Bestandserhalt/die Bestandssicherung im Rahmen der behördlichen Auflagen besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

Einreicher:

Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen, gez. BV Almuth Tharan, BV Christoph Göring, BV Silke Gänger

Fraktion Die Linke, gez. BV Max Schirmer, BV Maria Bigos, BV Oskar Lederer, BV Fred Bordfeld

Fraktion der SPD, gez.BV Roland Schröder, BV Birgit Mickley, BV Mike Szidat


Begründung:

Das „Tuntenhaus“ in der Kastanienallee 86 ist ein über die Grenzen Berlins hinaus bekanntes queeres Wohnprojekt, das seit 1990 für gesellschaftlichen Zusammenhalt steht. Hier lebt eine Hausgemeinschaft von 36 queeren Menschen gemeinschaftlich zusammen. Es ist zudem Anlaufstelle für von Diskriminierung betroffener queerer Menschen. Solche Strukturen und solidarischen Lebensmodelle machen Berlin aus und sind angesichts der zunehmenden Gewalt und Ausgrenzung gegenüber queeren Menschen dringend notwendig.

Darüber hinaus ist das „Tuntenhaus“ auch durch sein soziales und kulturelles Engagement für den gesamten Kiez essenziell. Es leistet wichtige gemeinwohlorientierte Arbeit wie beispielsweise eine regelmäßige offene Küche mit günstigem oder kostenlosem Essen für alle sowie eine Essensverteilstation für Bedürftige und  nichtkommerzielle Hoffeste.

Der schlechte Zustand des Hauses lässt bei einem privaten Verkauf nur eine Luxusmodernisierung oder einen Abriss der geschützten Gebäude als wirtschaftlich sinnvoll erscheinen. In beiden Szenarien ist die Verdrängung des Hausprojektes und seiner Mieter*innen nicht zu verhindern. Angesichts der Situation auf dem Berliner Wohnungsmarkt ist es unwahrscheinlich, dass ein solches Projekt ein neues Haus finden würde. Bei einem Abriss würde zusätzlich noch ein erheblicher Schaden für das baukulturelle Erbe der Stadt Berlin entstehen.

Durch das bezirkliche Vorkaufsrecht könnte das Haus in dauerhaft gemeinwohlorientierte Hand überführt werden, um Verdrängung zu verhindern und Bewohner*innen und Projekt dauerhaft abzusichern. Zwar ist das kommunale Vorkaufsrecht seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. November 2021 (BVerwG 4 C 1.20) massiv eingeschränkt und gilt nur noch beim Ankauf von Gebäuden mit deutlichen städtebaulichen Missständen. Im Fall der Kastanienallee 86 liegt eine Einschätzung des Bezirks vor, dass das Vorkaufsrecht hier rechtskonform angewendet werden kann. Das Vorkaufsrecht muss bis Mitte Mai 2024 gezogen werden, danach läuft die dreimonatige Frist ab.

Bei der Bereitstellung der erforderlichen finanziellen Mittel kann und muss das Land Berlin unterstützend eingreifen, etwa durch die Aufhebung der Sperre für die Genossenschaftsförderung und die Berücksichtigung der Kosten für die Beseitigung von baulichen Mängeln bei der Ermittlung des förderfähigen Kaufpreises. Das Land hat sich den Erhalt und die Weiterentwicklung Berlins als Regenbogenhauptstadt zur Aufgabe gemacht. Der Erhalt des „Tuntenhauses“ ist dafür ein wesentlicher Baustein.