Kleine Anfrage KA-0778/IX Schlosspark Niederschönhausen – Denkmalschutz, Baumpflanzungen und Biotopverbund 17. April 202417. April 2024 Das Bezirksamt wird um folgende Auskunft gebeten: In Pankow ist neben dem Schlosspark Buch, der u.a. wg. der Vorkommen des Eremits als FFH-Gebiet [1] gemeldet ist, im Rahmen der Biotopverbundplanung 2016 [2] auch im Schlosspark Niederschönhausen insbesondere auf Eichen-Habitate angewiesene Arten kartiert: „Der Heldbock hat in Berlin Pankow seinen Verbreitungsschwerpunkt im Schlosspark Schönhausen. Die im Jahr 2015 durchgeführte Untersuchung erbrachte 25 aktuell besiedelte Lebensstätten des Heldbockes.“ […] „Der Eremit wurde 2015 auch im Schlosspark Schönhausen nachgewiesen. An insgesamt neun Brutbäumen konnte von einer Besiedlung ausgegangen werden.“ Im Waldzustandsbericht 2023 [3] wird besonders der Zustand der Eichen als dramatisch eingeschätzt, diese sind jedoch für die heimische Artenvielfalt unverzichtbar [4]. In der neuen Studie der TU Berlin [9] wurde auch der Schlosspark untersucht, im Pressebericht [10]: „Der Schlosspark Schönhausen in Pankow schnitt unterdurchschnittlich ab: „Im Park Schönhausen sehen wir hohe Schädigungsraten“ […]. Gesunde Bäume gebe es gar keine, die Hälfte der Bäume sei mittel bis schwer, die andere Hälfte sehr schwer geschädigt. „Hier besteht wirklich erheblicher Handlungsbedarf.“ 1. Gibt es im Bereich des äußeren Schlossparks Niederschönhausen Einschränkungen durch den Denkmalschutz (z.B. eine Veränderungssperre), und falls ja a) welche Behörden / Instanzen genau sind betroffen und verantwortlich, Innerhalb des äußeren Schlossparks Schönhausen gibt es teilweise Einschränkungen für den Bereich, der als Gartendenkmal geschützt ist (siehe https://fbinter.stadt- berlin.de/fb/index.jsp?loginkey=zoomStart&mapId=denkmal@senstadt&bbox=391842,5 826207,392862,5826854) . Zuständigkeiten betreffen für das Gartendenkmal die Landesdenkmalbehörde und die Untere Denkmalschutzbehörde (das beinhaltet auch die vorhandenen, bzw. neue Baumstandorte und den Erhalt der Bäume als Teile des Denkmals). Im Rahmen von Genehmigungsverfahren entscheidet die Untere Denkmalschutzbehörde des Bezirks Pankow im Einvernehmen mit dem Landesdenkmalamt. Veränderungen an einem Gartendenkmal sind bei der Unteren Denkmalschutzbehörde grundsätzlich zu beantragen. Dazu gehören Neupflanzungen, Fällungen und Rodungen, die Sanierung, Erneuerung und der Abbruch von Kleinarchitekturen im Gartendenkmal, Reparaturen, Erneuerungen und Veränderung von Wegen usw. Für den Artenschutz ist das Umwelt- und Naturschutzamt und für die Pflege und Unterhaltung des Parks das Straßen- und Grünflächenamt (SGA) zuständig. b) welche genauen Verwaltungsakte gibt es und wie ist deren jeweilige Rechtskraft, Derzeit existieren keine belastenden denkmalrechtlichen Verwaltungsakte. c) welche Einschränkungen gibt es genau (z.B. bzgl. der Pflanzung von Bäumen)? Der rund 300 Jahre alte Schlosspark erfuhr seit seiner Errichtung zahlreiche Veränderungen: von einem an holländischen Vorbildern orientierten Barockgarten über einen Rokokolustgarten, fand bis 1831 die Umgestaltung durch den königlichen Gartendirektor Peter Joseph Lenné in einen englischen Landschaftspark statt, eine seiner wichtigsten Gestaltungsphasen, die bis heute prägend und nachvollziehbar sind. So wurde der Lauf der Panke verändert und lineare, barocke Strukturen aufgelöst. Andere Elemente, wie die auf das Schloss zulaufende gerade Allee, wurden allerdings erhalten und in die neue Gestaltung mit einbezogen. Eine weitere tiefgreifende Veränderungsphase ging einher mit der Nutzung des Schlosses als Amtssitz von Wilhelm Pieck. In diesem Zuge wurde der Schlosspark in einen inneren, einzig Regierungs- und Repräsentationszwecken dienenden Parkbereich und einen äußeren, öffentlichen zugänglichen Bereich eingeteilt. Heute zeichnet sich der äußere Schlosspark durch kleine waldartige Bereiche, Wiesenflächen und Alleen sowie sanft geschlängelte Wege und die frei windend wirkende Panke aus. Der Landschaftspark nach englischem Vorbild ist mit wirkungsvollen Blickachsen durchsetzt. Diese Gestaltung gilt es grundsätzlich zu erhalten. Es sind im Park bereits vorzufindende Baumarten zu pflanzen, wie beispielsweise Eichen, Buchen, Platanen und Kastanien. Für bestimmte Bereiche gibt es Nachweise der historischen Bepflanzung, die auch zukünftig wiederaufzunehmen ist. Hier ist die Große Allee, die im 19. Jahrhundert mit verschiedenen Eichenarten gesäumt wurde, ein Beispiel. Rückschnitte an bestimmten Bäumen sind regelmäßig vorzusehen, um bestimmte Blickachsen zu erhalten. Eine Nachpflanzung von im Schlosspark typischen Bäumen wird aus denkmalrechtlicher Sicht grundsätzlich begrüßt, um Alleen und waldartige Bereiche wieder zu ergänzen und Fehlstellen zu schließen. 2. Gab es seit 2015 weitere Kartierungen von Heldbock und/oder Eremit im Schlosspark Niederschönhausen, und falls ja mit welchen Ergebnissen? Falls Nein, ist durch eventuelle Änderungen der Habitate u.a. durch Stürme und Trockenheit eine erneute Kartierung sinnvoll – weil durch eine Schwächung der Bäume zwar sogar ein Aufwuchs der Population möglich ist, gleichzeitig aber mit dem drohenden Verlust von älteren Bäumen die langfristige Sicherung von Habitaten bedroht ist? Es liegen keine weiteren Kartierungen vor. In wie weit es durch klimatische Veränderungen zu Ausfällen von bereits bekannten Habitats- oder Potentialbäumen kam, ist der Unteren Naturschutzbehörde (uNB) nicht bekannt. Aus Sicht der uNB besteht aktuell kein Grund für eine neue Kartierung. Die uNB wird bei notwendigen Schnitt- und Fällarbeiten seitens des SGA immer informiert. 3. Welche Kartierungen und sonstigen Untersuchungen, Konzepte wären für die Erfordernisse des besonderen Artenschutzes und/oder im Rahmen einer Fortschreibung der Biotopverbundplanung im Bereich des Schlossparks Niederschönhausen notwendig? Zur flächendeckenden Erfassung der Vorkommen von Heldbock und Eremit ist ein Gutachten zur Erfassung der xylobionten Käfer im Bürgerpark und Schönholzer Heide (unter Einbeziehung der vielen alten Straßenbäume im näheren Umfeld) erforderlich. In beiden Parkanlagen wurden Eremiten/Heldböcke zufällig gesichtet. Die Ergebnisse des Gutachtens liefern einen Überblick potentieller und tatsächlicher Lebensräume xylobionter Käfer in den Parkanlagen, wodurch Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der Käfer unternommen werden können. Bedeutsame Biotopverbundstrukturen entlang des Pankegrünzugs sowie der Straßenbäume ließen sich damit aufwerten und die Wanderung und Ausbreitung der Arten fördern. Um die Erfordernisse des Artenschutzes vollumfänglich abzudecken, wäre ein mit allen Fachämtern (Straßen- und Grünflächenamt, Denkmalschutzbehörde, Umwelt- und Naturschutzamt) abgestimmtes Parkpflegewerk erforderlich. 4. Welche Maßnahmen wurden seit der Erfassung 2015 im Schlosspark Niederschönhausen vorgenommen, um die Population a) des Heldbocks, b) des Eremits zu erhalten? Die Baumpflege im gesamten Park erfolgt sehr schonend und zumindest vom Bezirksamt aktuell ausschließlich aufgrund der Gewährleistung der Verkehrssicherheit. Soweit die Populationen dem SGA bekannt sind, kann direkt eine Rücksichtnahme erfolgen. Ansonsten wird vor jeder Baumpflegemaßnahme der Baum nach Lebensstätten besonders geschützter Arten abgesucht. 5. Hat das Bezirksamt geprüft oder liegen Erkenntnisse vor a) welche weiteren Bäume außer Eichen (beim Eremit z.B. auch schneller wachsende Platanen oder andere Bäume, die große Höhlen bilden könne) im Schlosspark Niederschönhausen als Habitatbäume infrage kommen, Eine solche Prüfung liegt seitens des Bezirksamtes nicht vor. Beim Eremiten, der nicht an Eichen gebunden ist, ist das Vorkommen abgängiger Weichholzarten (z.B.: Linde, Buche) wichtig. b) durch welche Strukturen die Entwicklungsstadien der Arten Heldbock und Eremit gefördert werden können? Fördernde Strukturen werden ausschließlich aus abgängigen Bäumen, der für die Entwicklung der Käfer erforderlichen Arten, gebildet. 6. Wie viele Bäume, die als Habitatbäume dienen könnten (beim Heldbock Eichen, aber für den Eremiten auch z.B. Platanen und andere Bäume, die große Höhlen bilden können) wurden seit der Kartierung 2015 im Schlosspark Niederschönhausen a) gefällt, Insgesamt gingen seit 2015 23 Stiel-Eichen im Schlosspark Schönhausen verloren. Darüber hinaus gingen seit 2015 332 weitere Bäume mit einem Stammdurchmesser über 80 cm verloren. Ob diese Bäume für den Eremiten geeignete Höhlen und ausreichend Mulmvorrat aufwiesen, ist nicht bekannt. b) gepflanzt? Da neu erfasste Naturverjüngungen im Kataster wie Neupflanzungen erfasst werden, kann zu Pflanzungen selbst, keine Auskunft gegeben werden. Der Park beinhaltet unzähligen Baum-Aufwuchs durch Naturverjüngung, zum einen durch standortgerechte Arten, wie Esche, Erle, Hainbuche, Ulme, Wildkirsche und nichtstandortgerechte Arten, wie Robinie, Linden, Walnuss und leider auch den sich rasant ausbreitenden Spitzahorn. Die standortfremde Stieleiche verbreitet sich durch Naturverjüngung gar nicht im Schlosspark Schönhausen. Für den Eremiten und den Heldbock wurden keine Bäume gepflanzt. Für den Eremiten ergibt sich das aus der reichen Naturverjüngung und beim Heldbock wäre es nicht zielführend, da die Population verschwunden ist, bevor die Bäume einen Durchmesser von 73 cm erreicht haben und neugepflanzte Bäume den Status „Habitatbaum“ erreichen würden. 7. Wann plant das Bezirksamt Nachpflanzungen von (möglichen) Habitatbäumen für Heldbock und Eremit im Schlosspark Niederschönhausen – auch unter dem Kriterium, dass eine zu große Generationen-Lücke bei diesen Habitatbäumen eine Stabilisierung der vorkommenden geschützten Arten erschweren oder verunmöglichen könnten? Aktuell sind keine Pflanzungen vom Bezirksamt geplant. Die Stützung der Heldbockpopulation durch Neupflanzungen wurde bereits in den 1990er Jahren von den beratenden Entomologen des Bezirksamts als nicht realistisch betrachtet. 8. Welche Verantwortung ergibt sich aus den karierten Vorkommen von Heldbock und Eremit für die beteiligten Behörden, und können unverzügliche Maßnahmen (wie z.B. Baumpflanzungen) für den Artenschutz vom Denkmalschutz so eingeschränkt werden, dass damit den Zielen des Artenschutzes nicht mehr entsprochen werden kann? Neupflanzungen sind mit dem SGA abzusprechen. Bei Fällungen und Schnitten an vorhandenen Habitatbäumen müssen vor deren Durchführung durch das SGA beauftragte Gutachter die Situation beurteilen und die daraus resultierenden Maßnahmen zur Vorgehensweise bei den Schnittarbeiten und für Ersatzmaßnahmen mit der uNB abgesprochen werden. Der Schutz und die Verbesserung des Lebensraums von Heldbock und Eremit liegen grundsätzlich nicht im Widerspruch mit denkmalrechtlichen Belangen. In der Vergangenheit wurde dies in der Praxis bereits bewiesen: Abgängige Eichenbestände, die Lebensraum des Heldbocks sind, wurden im Schlosspark Schönhausen abgesperrt, so dass eine Gefährdung für Erholungsnutzende, z.B. durch Astbruch, ausgeschlossen werden konnte. Ebenso wurde bereits der Errichtung einer Totholzpyramide aus einer zu fällenden Eiche zugestimmt, um das Habitat von Eremit und Heldbock zukünftig in den erhaltenen Baumstämmen zu sichern. 9. Wieso ist der Schlosspark Buch als FFH-Gebiet gemeldet, der Schlosspark Niederschönhausen jedoch nicht – und ergibt sich daraus, dass der besondere Artenschutz der Arten u.a. Eremit (Rote Liste Kategorie 2, FFH II, IV prioritär) und Heldbock (Rote Liste Kategorie 1, FFH II, IV) im Schlosspark Niederschönhausen einer höheren Abwägung unterliegt und weniger Relevanz hat? Die Unterschutzstellung liegt in der Zuständigkeit der obersten Naturschutzbehörde und wurde von dieser abgewogen und entschieden. Hier hat der Bezirk keine Zuständigkeit. Die Population des Heldbocks im Park Schönhausen wurde bereits seit den 1950er Jahren des letzten Jahrhunderts wegen der sehr geringen Individuendichte, in Kombination mit der fehlenden Naturverjüngung der Stieleiche, als ökologisch instabil betrachtet. Gerade in Berlin und Brandenburg gäbe es unzählige Standorte, die sich für Eichennachwuchs sehr gut eignen. Die künstlich entwässerten Überflutungsmoore im Panketal zählen allerdings nicht dazu. Aus diesem Grunde sind in der Vergangenheit auch Umsetzungsversuche der Art durch die zuständige Senatsverwaltung durchgeführt worden. Der besondere Artenschutz unterliegt im Schlosspark Niederschönhausen keiner höheren Abwägung als im Schlosspark Buch. Ein Heldbock oder Eremit hat im Schlosspark Buch keine höhere Relevanz als im Schlosspark Schönhausen. 10. Was ist in bei Zielkonflikten prioritär zu beachten, der Artenschutz (NatSchG Bln inkl. Biotopverbund, BNatSchG, EU FFH-Richtlinie und internationalen Abkommen zum Artenschutz wie Rio) von streng geschützten Arten Eremit und Heldbock oder die Vorstellungen des Berliner Denkmalschutzes (vgl. [5-8])? Naturschutz und Denkmalschutz sind gleichberechtigt. Artenschutz und Denkmalschutz können daher nicht zu Lasten des jeweils anderen Schutzgutes abgewogen werden. Es ist aus denkmalrechtlicher Sicht jedoch wünschenswert, Möglichkeiten zu eruieren, wie Ziele des Artenschutzes mit der geringstmöglichen Beeinträchtigung für das Gartendenkmal erreicht werden können. [1] FFH-Gebiet Schlosspark Buch: https://www.berlin.de/sen/uvk/natur-und- gruen/naturschutz/schutzgebiete/naturschutzgebiete/schlosspark-buch-und- angrenzende-waldflaeche/ [2] Biotopverbundplanung 2016: https://www.berlin.de/ba-pankow/politik-und- verwaltung/aemter/umwelt-und-naturschutzamt/dokumente/biotopverbund-pankow- stand-10_2016.pdf [3] https://www.berlin.de/forsten/waldschutz/waldzustandsberichte/ [4] https://berlin.nabu.de/modules/presseservice/index.php?popup=true&db=presseservice _berlin&show=9342 [5] https://www.dbu.de/OPAC/ab/DBU-Abschlussbericht-AZ-26220.pdf [6] https://naturschutz-und-denkmalpflege.projekte.tu- berlin.de/media/pdf/Hilsberg_Rechtsgutachten_Endv_Nov2011.pdf [7] https://naturschutz-und-denkmalpflege.projekte.tu- berlin.de/pages/recht/naturschutzrecht.php [8] https://naturschutz-und-denkmalpflege.projekte.tu- berlin.de/pages/recht/verkehrssicherung/haeufige-fragestellungen/baumerhaltung- kontra-weg/denkmalschutz—naturschutz.php [9] https://www.tu.berlin/ueber-die-tu-berlin/profil/pressemitteilungen- nachrichten/historische-parkanlagen-leiden-unter-klimastress-bundesweite-studie- kommt-zu-alarmierenden-ergebnissen [10] https://www.tagesspiegel.de/berlin/mehr-als-die-halfte-der-baume-geschadigt- klimastress-setzt-auch-berliner-parks-zu-11114806.html