Kleine Anfrage KA-0778/IX

Schlosspark Niederschönhausen – Denkmalschutz, Baumpflanzungen und Biotopverbund

Das Bezirksamt wird um folgende Auskunft gebeten:
In Pankow ist neben dem Schlosspark Buch, der u.a. wg. der Vorkommen des Eremits als
FFH-Gebiet [1] gemeldet ist, im Rahmen der Biotopverbundplanung 2016 [2] auch im
Schlosspark Niederschönhausen insbesondere auf Eichen-Habitate angewiesene Arten
kartiert: „Der Heldbock hat in Berlin Pankow seinen Verbreitungsschwerpunkt im
Schlosspark Schönhausen. Die im Jahr 2015 durchgeführte Untersuchung erbrachte 25
aktuell besiedelte Lebensstätten des Heldbockes.“ […] „Der Eremit wurde 2015 auch im
Schlosspark Schönhausen nachgewiesen. An insgesamt neun Brutbäumen konnte von
einer Besiedlung ausgegangen werden.“
Im Waldzustandsbericht 2023 [3] wird besonders der Zustand der Eichen als dramatisch
eingeschätzt, diese sind jedoch für die heimische Artenvielfalt unverzichtbar [4]. In der
neuen Studie der TU Berlin [9] wurde auch der Schlosspark untersucht, im Pressebericht
[10]: „Der Schlosspark Schönhausen in Pankow schnitt unterdurchschnittlich ab: „Im Park
Schönhausen sehen wir hohe Schädigungsraten“ […]. Gesunde Bäume gebe es gar
keine, die Hälfte der Bäume sei mittel bis schwer, die andere Hälfte sehr schwer
geschädigt. „Hier besteht wirklich erheblicher Handlungsbedarf.“

1. Gibt es im Bereich des äußeren Schlossparks Niederschönhausen Einschränkungen
durch den Denkmalschutz (z.B. eine Veränderungssperre), und falls ja
a) welche Behörden / Instanzen genau sind betroffen und verantwortlich,
Innerhalb des äußeren Schlossparks Schönhausen gibt es teilweise Einschränkungen für
den Bereich, der als Gartendenkmal geschützt ist (siehe https://fbinter.stadt-
berlin.de/fb/index.jsp?loginkey=zoomStart&mapId=denkmal@senstadt&bbox=391842,5
826207,392862,5826854) . Zuständigkeiten betreffen für das Gartendenkmal die
Landesdenkmalbehörde und die Untere Denkmalschutzbehörde (das beinhaltet auch die
vorhandenen, bzw. neue Baumstandorte und den Erhalt der Bäume als Teile des
Denkmals). Im Rahmen von Genehmigungsverfahren entscheidet die Untere
Denkmalschutzbehörde des Bezirks Pankow im Einvernehmen mit dem
Landesdenkmalamt. Veränderungen an einem Gartendenkmal sind bei der Unteren
Denkmalschutzbehörde grundsätzlich zu beantragen. Dazu gehören Neupflanzungen,
Fällungen und Rodungen, die Sanierung, Erneuerung und der Abbruch von
Kleinarchitekturen im Gartendenkmal, Reparaturen, Erneuerungen und Veränderung von
Wegen usw. Für den Artenschutz ist das Umwelt- und Naturschutzamt und für die Pflege
und Unterhaltung des Parks das Straßen- und Grünflächenamt (SGA) zuständig.
b) welche genauen Verwaltungsakte gibt es und wie ist deren jeweilige Rechtskraft,
Derzeit existieren keine belastenden denkmalrechtlichen Verwaltungsakte.
c) welche Einschränkungen gibt es genau (z.B. bzgl. der Pflanzung von Bäumen)?
Der rund 300 Jahre alte Schlosspark erfuhr seit seiner Errichtung zahlreiche
Veränderungen: von einem an holländischen Vorbildern orientierten Barockgarten über
einen Rokokolustgarten, fand bis 1831 die Umgestaltung durch den königlichen
Gartendirektor Peter Joseph Lenné in einen englischen Landschaftspark statt, eine seiner
wichtigsten Gestaltungsphasen, die bis heute prägend und nachvollziehbar sind. So
wurde der Lauf der Panke verändert und lineare, barocke Strukturen aufgelöst. Andere
Elemente, wie die auf das Schloss zulaufende gerade Allee, wurden allerdings erhalten
und in die neue Gestaltung mit einbezogen. Eine weitere tiefgreifende
Veränderungsphase ging einher mit der Nutzung des Schlosses als Amtssitz von Wilhelm
Pieck. In diesem Zuge wurde der Schlosspark in einen inneren, einzig Regierungs- und
Repräsentationszwecken dienenden Parkbereich und einen äußeren, öffentlichen
zugänglichen Bereich eingeteilt. Heute zeichnet sich der äußere Schlosspark durch kleine
waldartige Bereiche, Wiesenflächen und Alleen sowie sanft geschlängelte Wege und die
frei windend wirkende Panke aus. Der Landschaftspark nach englischem Vorbild ist mit
wirkungsvollen Blickachsen durchsetzt. Diese Gestaltung gilt es grundsätzlich zu erhalten.
Es sind im Park bereits vorzufindende Baumarten zu pflanzen, wie beispielsweise Eichen,
Buchen, Platanen und Kastanien. Für bestimmte Bereiche gibt es Nachweise der
historischen Bepflanzung, die auch zukünftig wiederaufzunehmen ist. Hier ist die Große
Allee, die im 19. Jahrhundert mit verschiedenen Eichenarten gesäumt wurde, ein Beispiel.
Rückschnitte an bestimmten Bäumen sind regelmäßig vorzusehen, um bestimmte
Blickachsen zu erhalten.
Eine Nachpflanzung von im Schlosspark typischen Bäumen wird aus denkmalrechtlicher
Sicht grundsätzlich begrüßt, um Alleen und waldartige Bereiche wieder zu ergänzen und
Fehlstellen zu schließen.

2. Gab es seit 2015 weitere Kartierungen von Heldbock und/oder Eremit im Schlosspark
Niederschönhausen, und falls ja mit welchen Ergebnissen? Falls Nein, ist durch
eventuelle Änderungen der Habitate u.a. durch Stürme und Trockenheit eine erneute
Kartierung sinnvoll – weil durch eine Schwächung der Bäume zwar sogar ein Aufwuchs
der Population möglich ist, gleichzeitig aber mit dem drohenden Verlust von älteren
Bäumen die langfristige Sicherung von Habitaten bedroht ist?
Es liegen keine weiteren Kartierungen vor. In wie weit es durch klimatische Veränderungen
zu Ausfällen von bereits bekannten Habitats- oder Potentialbäumen kam, ist der Unteren
Naturschutzbehörde (uNB) nicht bekannt. Aus Sicht der uNB besteht aktuell kein Grund für
eine neue Kartierung. Die uNB wird bei notwendigen Schnitt- und Fällarbeiten seitens des
SGA immer informiert.

3. Welche Kartierungen und sonstigen Untersuchungen, Konzepte wären für die
Erfordernisse des besonderen Artenschutzes und/oder im Rahmen einer
Fortschreibung der Biotopverbundplanung im Bereich des Schlossparks
Niederschönhausen notwendig?
Zur flächendeckenden Erfassung der Vorkommen von Heldbock und Eremit ist ein
Gutachten zur Erfassung der xylobionten Käfer im Bürgerpark und Schönholzer Heide
(unter Einbeziehung der vielen alten Straßenbäume im näheren Umfeld) erforderlich. In
beiden Parkanlagen wurden Eremiten/Heldböcke zufällig gesichtet. Die Ergebnisse des
Gutachtens liefern einen Überblick potentieller und tatsächlicher Lebensräume
xylobionter Käfer in den Parkanlagen, wodurch Maßnahmen zum Schutz und zur
Förderung der Käfer unternommen werden können. Bedeutsame Biotopverbundstrukturen
entlang des Pankegrünzugs sowie der Straßenbäume ließen sich damit aufwerten und die
Wanderung und Ausbreitung der Arten fördern. Um die Erfordernisse des Artenschutzes
vollumfänglich abzudecken, wäre ein mit allen Fachämtern (Straßen- und
Grünflächenamt, Denkmalschutzbehörde, Umwelt- und Naturschutzamt) abgestimmtes
Parkpflegewerk erforderlich.

4. Welche Maßnahmen wurden seit der Erfassung 2015 im Schlosspark
Niederschönhausen vorgenommen, um die Population a) des Heldbocks, b) des
Eremits zu erhalten?
Die Baumpflege im gesamten Park erfolgt sehr schonend und zumindest vom Bezirksamt
aktuell ausschließlich aufgrund der Gewährleistung der Verkehrssicherheit. Soweit die
Populationen dem SGA bekannt sind, kann direkt eine Rücksichtnahme erfolgen.
Ansonsten wird vor jeder Baumpflegemaßnahme der Baum nach Lebensstätten
besonders geschützter Arten abgesucht.

5. Hat das Bezirksamt geprüft oder liegen Erkenntnisse vor
a) welche weiteren Bäume außer Eichen (beim Eremit z.B. auch schneller wachsende
Platanen oder andere Bäume, die große Höhlen bilden könne) im Schlosspark
Niederschönhausen als Habitatbäume infrage kommen,
Eine solche Prüfung liegt seitens des Bezirksamtes nicht vor. Beim Eremiten, der nicht an
Eichen gebunden ist, ist das Vorkommen abgängiger Weichholzarten (z.B.: Linde, Buche)
wichtig.
b) durch welche Strukturen die Entwicklungsstadien der Arten Heldbock und Eremit
gefördert werden können?
Fördernde Strukturen werden ausschließlich aus abgängigen Bäumen, der für die
Entwicklung der Käfer erforderlichen Arten, gebildet.

6. Wie viele Bäume, die als Habitatbäume dienen könnten (beim Heldbock Eichen, aber
für den Eremiten auch z.B. Platanen und andere Bäume, die große Höhlen bilden
können) wurden seit der Kartierung 2015 im Schlosspark Niederschönhausen
a) gefällt,
Insgesamt gingen seit 2015 23 Stiel-Eichen im Schlosspark Schönhausen verloren.
Darüber hinaus gingen seit 2015 332 weitere Bäume mit einem
Stammdurchmesser über 80 cm verloren. Ob diese Bäume für den Eremiten
geeignete Höhlen und ausreichend Mulmvorrat aufwiesen, ist nicht bekannt.
b) gepflanzt?
Da neu erfasste Naturverjüngungen im Kataster wie Neupflanzungen erfasst werden, kann
zu Pflanzungen selbst, keine Auskunft gegeben werden. Der Park beinhaltet unzähligen
Baum-Aufwuchs durch Naturverjüngung, zum einen durch standortgerechte Arten, wie
Esche, Erle, Hainbuche, Ulme, Wildkirsche und nichtstandortgerechte Arten, wie Robinie,
Linden, Walnuss und leider auch den sich rasant ausbreitenden Spitzahorn. Die
standortfremde Stieleiche verbreitet sich durch Naturverjüngung gar nicht im Schlosspark
Schönhausen.
Für den Eremiten und den Heldbock wurden keine Bäume gepflanzt. Für den Eremiten
ergibt sich das aus der reichen Naturverjüngung und beim Heldbock wäre es nicht
zielführend, da die Population verschwunden ist, bevor die Bäume einen Durchmesser
von 73 cm erreicht haben und neugepflanzte Bäume den Status „Habitatbaum“
erreichen würden.

7. Wann plant das Bezirksamt Nachpflanzungen von (möglichen) Habitatbäumen für
Heldbock und Eremit im Schlosspark Niederschönhausen – auch unter dem Kriterium,
dass eine zu große Generationen-Lücke bei diesen Habitatbäumen eine
Stabilisierung der vorkommenden geschützten Arten erschweren oder verunmöglichen
könnten?
Aktuell sind keine Pflanzungen vom Bezirksamt geplant. Die Stützung der
Heldbockpopulation durch Neupflanzungen wurde bereits in den 1990er Jahren von den
beratenden Entomologen des Bezirksamts als nicht realistisch betrachtet.

8. Welche Verantwortung ergibt sich aus den karierten Vorkommen von Heldbock und
Eremit für die beteiligten Behörden, und können unverzügliche Maßnahmen (wie z.B.
Baumpflanzungen) für den Artenschutz vom Denkmalschutz so eingeschränkt werden,
dass damit den Zielen des Artenschutzes nicht mehr entsprochen werden kann?
Neupflanzungen sind mit dem SGA abzusprechen. Bei Fällungen und Schnitten an
vorhandenen Habitatbäumen müssen vor deren Durchführung durch das SGA
beauftragte Gutachter die Situation beurteilen und die daraus resultierenden
Maßnahmen zur Vorgehensweise bei den Schnittarbeiten und für Ersatzmaßnahmen mit
der uNB abgesprochen werden.
Der Schutz und die Verbesserung des Lebensraums von Heldbock und Eremit liegen
grundsätzlich nicht im Widerspruch mit denkmalrechtlichen Belangen. In der
Vergangenheit wurde dies in der Praxis bereits bewiesen: Abgängige Eichenbestände,
die Lebensraum des Heldbocks sind, wurden im Schlosspark Schönhausen abgesperrt, so
dass eine Gefährdung für Erholungsnutzende, z.B. durch Astbruch, ausgeschlossen
werden konnte. Ebenso wurde bereits der Errichtung einer Totholzpyramide aus einer zu
fällenden Eiche zugestimmt, um das Habitat von Eremit und Heldbock zukünftig in den
erhaltenen Baumstämmen zu sichern.

9. Wieso ist der Schlosspark Buch als FFH-Gebiet gemeldet, der Schlosspark
Niederschönhausen jedoch nicht – und ergibt sich daraus, dass der besondere
Artenschutz der Arten u.a. Eremit (Rote Liste Kategorie 2, FFH II, IV prioritär) und
Heldbock (Rote Liste Kategorie 1, FFH II, IV) im Schlosspark Niederschönhausen einer
höheren Abwägung unterliegt und weniger Relevanz hat?
Die Unterschutzstellung liegt in der Zuständigkeit der obersten Naturschutzbehörde und
wurde von dieser abgewogen und entschieden. Hier hat der Bezirk keine Zuständigkeit.
Die Population des Heldbocks im Park Schönhausen wurde bereits seit den 1950er
Jahren des letzten Jahrhunderts wegen der sehr geringen Individuendichte, in
Kombination mit der fehlenden Naturverjüngung der Stieleiche, als ökologisch instabil
betrachtet. Gerade in Berlin und Brandenburg gäbe es unzählige Standorte, die sich für
Eichennachwuchs sehr gut eignen. Die künstlich entwässerten Überflutungsmoore im
Panketal zählen allerdings nicht dazu. Aus diesem Grunde sind in der Vergangenheit
auch Umsetzungsversuche der Art durch die zuständige Senatsverwaltung durchgeführt
worden.
Der besondere Artenschutz unterliegt im Schlosspark Niederschönhausen keiner höheren
Abwägung als im Schlosspark Buch. Ein Heldbock oder Eremit hat im Schlosspark Buch
keine höhere Relevanz als im Schlosspark Schönhausen.

10. Was ist in bei Zielkonflikten prioritär zu beachten, der Artenschutz (NatSchG Bln inkl.
Biotopverbund, BNatSchG, EU FFH-Richtlinie und internationalen Abkommen zum
Artenschutz wie Rio) von streng geschützten Arten Eremit und Heldbock oder die
Vorstellungen des Berliner Denkmalschutzes (vgl. [5-8])?
Naturschutz und Denkmalschutz sind gleichberechtigt. Artenschutz und Denkmalschutz
können daher nicht zu Lasten des jeweils anderen Schutzgutes abgewogen werden. Es ist
aus denkmalrechtlicher Sicht jedoch wünschenswert, Möglichkeiten zu eruieren, wie Ziele
des Artenschutzes mit der geringstmöglichen Beeinträchtigung für das Gartendenkmal
erreicht werden können.
[1] FFH-Gebiet Schlosspark Buch: https://www.berlin.de/sen/uvk/natur-und-
gruen/naturschutz/schutzgebiete/naturschutzgebiete/schlosspark-buch-und-
angrenzende-waldflaeche/
[2] Biotopverbundplanung 2016: https://www.berlin.de/ba-pankow/politik-und-
verwaltung/aemter/umwelt-und-naturschutzamt/dokumente/biotopverbund-pankow-
stand-10_2016.pdf
[3] https://www.berlin.de/forsten/waldschutz/waldzustandsberichte/
[4]
https://berlin.nabu.de/modules/presseservice/index.php?popup=true&db=presseservice
_berlin&show=9342
[5] https://www.dbu.de/OPAC/ab/DBU-Abschlussbericht-AZ-26220.pdf
[6] https://naturschutz-und-denkmalpflege.projekte.tu-
berlin.de/media/pdf/Hilsberg_Rechtsgutachten_Endv_Nov2011.pdf
[7] https://naturschutz-und-denkmalpflege.projekte.tu-
berlin.de/pages/recht/naturschutzrecht.php
[8] https://naturschutz-und-denkmalpflege.projekte.tu-
berlin.de/pages/recht/verkehrssicherung/haeufige-fragestellungen/baumerhaltung-
kontra-weg/denkmalschutz—naturschutz.php
[9] https://www.tu.berlin/ueber-die-tu-berlin/profil/pressemitteilungen-
nachrichten/historische-parkanlagen-leiden-unter-klimastress-bundesweite-studie-
kommt-zu-alarmierenden-ergebnissen
[10] https://www.tagesspiegel.de/berlin/mehr-als-die-halfte-der-baume-geschadigt-
klimastress-setzt-auch-berliner-parks-zu-11114806.html