Kleine Anfrage KA-0481/IX Wie sollen Verkehrsregeln in den Fahrradstraßen Pankows durchgesetzt werden? 10. März 202310. März 2023 Bezirksamt Pankow von Berlin Abt. Ordnung und Öffentlicher Raum Bezirksstadträtin Frau Bezirksverordnete Patrizia Flores Rivera, Fraktion Bündnis 90/Die Grünenüber den Vorsteher der Bezirksverordnetenversammlung Pankow von Berlin über den BezirksbürgermeisterDas Bezirksamt wird um folgende Auskunft gebeten: Vorbemerkung: Die Ossietzkystraße, die Stargarder Straße und die Oderberger Straße wurden seit dem Inkrafftreten des MobG BE im Bezirk Pankow angeordnet. Mit einem Rundschreiben an die Bezirke „Fahrradstraßen“ (2019), einem „Leitfaden zur Umsetzung von Fahrradstraßen in Berlin“ (2020) und dem „Radverkehrsplan Berlin“ (2021) hat die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung spezifiziert, mit welcher Gestaltung und welchen Maßnahmen quartiersfremder Kfz-Verkehr so reduziert werden soll, dass die Fahrradstraßen ihre Funktion im Radverkehrsnetz (gemäß des vom Senat beschlossenen Radverkehrsplan Berlin) erfüllen. Fahrradstraßen als Bausteine des Radverkehrsnetzes können ihre Funktion nur erfüllen, wenn sie ein attraktives Angebot für Radfahrende (auch unsichere) darstellen und so den Radverkehr bündeln. Mit großem Aufwand an Beschilderung (Abbiegegebote an jeder Kreuzung) wurde an bei-den Fahrradstraßen versucht, Durchgangsverkehr zur Beachtung der Verkehrsführung und damit Einhaltung der Regeln der StVO zu bewegen. Sowohl die Medienberichterstattung als die Rückmeldungen bei Mobilitätsverbänden belegen, dass ortsfremder Kfz-Durchgangsverkehr weiterhin zur Erlangung minimaler Zeitgewinne durch die beiden Fahrradstraßen abkürzt und dabei Radfahrende gefährdet. Der SenUVK-Leitfaden zur Umsetzung von Fahrradstraßen in Berlin von 2020 empfiehlt, die bereits mit der Anordnung der Fahrradstraße erfolgte Beschränkung des ortsfremden Kfz-Durchgangsverkehrs von Beginn an durchzusetzen. Wird die Verkehrsführung nicht durchgesetzt, können die Fahrradstraßen als Teil des Radverkehrsnetzes Berlin nicht die geplante Lenkungswirkung für den Radverkehr entfalten und sind bedroht, den Grund ihrer Anordnung (Radverkehr als vorherrschende Verkehrsart) zu verlieren. Deshalb empfiehlt der Leitfaden: „Dem unerwünschten motorisierten Durchgangsverkehr soll zudem begegnet werden mit − verkehrsrechtlichen Anordnungen von Einbahnstraßenregelungen − Verkehrseinrichtungen“, und zwar besonders bei hoher „…Wahrscheinlichkeit der Nichtbefolgung der straßenverkehrsrechtlichen Anordnungen aufgrund des hohen Verkehrsdrucks auf den Hauptverkehrsstraßen“ 1. Wann wurden die verkehrsrechtlichen Anordnungen für die Fahrradstraßen Ossietzkystraße, Stargarder Straße und Oderberger Straße vollzogen? Die Anordnungen wurden wie folgt vollzogen: • Ossietzkystraße zum 02.07.2020 • Stargarder Straße zum 17.12.2021 (nur Beschilderung) • Stargarder Straße zum 25.08.2022 (Fertigstellung der Fahrbahnmarkierungen) • Oderberger Straße zum 09.08.2022 a) Welche Maßnahmen wurden bislang unternommen, um die Befolgungsquote der Verkehrsregeln zu erhöhen (jeweils unterschieden nach o.g. Fahrradstraßen und Jahren) Folgende Maßnahmen wurden bislang unternommen: • Verteilung von Info-Flyern an alle Haushalte in den Fahrradstraßen sowie den umliegenden Straßen (nur bei den Maßnahmen Stargarder Straße und Oderberger Straße; zukünftig bei allen neuen Fahrradstraßen geplant) • Aufstellung von Info-Bannern an den Haupteinfahrten der Fahrradstraßen Ossietzkystraße, Stargarder Straße und Oderberger Straße über einen längeren Zeitraum (3-5 Monate) • Schwerpunkteinsätze der Polizei in allen Fahrradstraßen • Pressemitteilungen b) Wie wurden ortsfremde Autofahrende zusätzlich zu den Verkehrszeichen auf die geänderte Verkehrsführung hingewiesen? An allen Kreuzungen werden Nicht-Anlieger rechtzeitig mittels Vorschriftszeichen „Vorgeschriebene Fahrtrichtung“ auf das Einfahrverbot in die Fahrradstraße hingewiesen. Auf den Hauptverkehrsstraßen befinden sich zusätzlich große Hinweistafeln mit einer Vorwegweisung bzw. Ankündigung der Fahrradstraße. Von den Hauptverkehrsstraßen kommend werden Kfz-Führende somit mindestens zweimal auf die besonderen Einfahrtbeschränkungen hingewiesen. Anbieter von Navigationssystemen bzw. –Apps werden über neu eingerichtete Fahrradstraßen und die damit einhergehenden Beschränkungen des Kfz-Verkehrs informiert. c) Wie häufig fanden Schwerpunkkontrollen der Polizei statt? Die Frage kann das Bezirksamt nicht in eigener Zuständigkeit beantworten und hat sie deshalb an das zuständige Referat III B der Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport mit der Bitte um Zuarbeit weitergeleitet. Diese nimmt wie folgt Stellung: „Es ist regelmäßig nicht Angelegenheit der Innenverwaltung, Anfragen von Bezirksverordnetenversammlungen zu Themen der Inneren Sicherheit – dazu gehört auch die Darlegung der verkehrspolizeilichen Intervention in bestimmten Bereichen – zu beauskunften und zu begründen. Parlamentarisches Kontrollgremium für die Polizei Berlin ist der Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung (ISOA) des Abgeordnetenhauses von Berlin. Vor diesem Hintergrund bitte ich um Verständnis, dass eine dezidierte Mitteilung über verkehrspolizeiliche Maßnahmen in einem bestimmten Bereich nicht erfolgt und mithin die Frage zu 1. c) von hier nicht beantwortet wird.“ 2. Wann wurden die Anteile des Durchgangsverkehrs am Kfz-Verkehr (und damit die Regelmissachtungsquote) in den Fahrradstraßen jeweils erhoben und wie hoch sind diese Anteile jeweils (unterschieden nach den o.g. Fahrradstraßen)? 3. Wie viele Kfz durchfahren ohne Anliegen und damit unter Missachtung der Verkehrszeichen an einem durchschnittlichen Werktag (auf Basis der Verkehrszählungen) die beiden Fahrradstraßen (unterschieden nach den o.g. Fahrradstraßen) Falls die Antworten zu 2. und 3. belegen, dass sich selbst nach der Eingewöhnungszeit die Anteile an regelmissachtenden Kfz-Fahrenden nicht auf ein verträgliches Maß verringert haben sollten: Die Fragen 2 und 3 werden aufgrund des sachlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. In der Oderberger Straße wurden noch keine Verkehrszählungen durchgeführt. In der Ossietzkystraße fanden am 16.06.2021 und in der Stargarder Straße am 06.10.2022 Verkehrserhebungen zur Ermittlung der vorherrschenden Verkehrsart und des Anteils des motorisierten Durchgangsverkehrs statt. Der motorisierte Durchgangsverkehr wurde dabei jeweils nur vereinfacht zwischen den Hauptverkehrsstraßen betrachtet. Durchgangsverkehr, der über die in die Fahrradstraßen einmündenden Nebenstraßen ein- oder ausfährt, konnte aus Gründen der Aufwandsreduzierung und Wirtschaftlichkeit nicht berücksichtigt werden. Die ermittelten Werte stellen somit eine Annäherung an den tatsächlichen Kfz-Durchgangsverkehrsanteil dar. Dieser dürfte unter Einbeziehung der Nebenstraßen etwas höher sein, als die ermittelten Werte. Tab. 1 – Ergebnisse der Querschnittszählungen (vorherrschende Verkehrsart) Tab. 2 – Ergebnis der Ermittlung des Anteils Kfz-Durchgangsverkehr Stargarder Straße Tab. 3 – Ergebnis der Ermittlung des Anteils Kfz-Durchgangsverkehr Ossietzkystraße Die unterschiedliche Darstellung/Aufbereitung der Ergebnisse in den Tab. 2 und 3 ist auf die unterschiedliche Methodik der Zählung und Auswertung zurückzuführen. Die Ermittlung des Durchgangsverkehrsanteils erfolgte nur in einem 8-stündigen Zeitfenster zu den Verkehrsspitzenzeiten 07-10 Uhr und 14-19 Uhr. Dieser Zeitraum ist für die Beurteilung weiterer straßenverkehrsrechtlicher Maßnahmen ausreichend. Die mit der Frage 3 erfragte Anzahl der Kfz, die über einen gesamten Werktag die Verkehrszeichen missachten, liegt nicht vor. 4. Welche Maßnahmen hält die Straßenverkehrsbehörde Pankow für geeignet und erforderlich, wenn selbst Vorwegweisung und aufwändige Beschilderung mit Abbiegegeboten sich als wenig geeignet erwiesen haben, um die angeordnete Verkehrsführung durchzusetzen? Die Verkehrserhebungen wurden durch die für die Radverkehrsplanung zuständige Gruppe im Straßen- und Grünflächenamt (SGA) beauftragt und von einem unabhängigen Büro durchgeführt. Zuständig für die Auswertung der Zähl-Ergebnisse und für die Planung weiterer verkehrsbeschränkender Maßnahmen ist primär die Radverkehrsplanung. Die Straßenverkehrsbehörde (SVB) wird in der Planungsphase mit eingebunden. Sie entscheidet jedoch erst nach Vorlage der Verkehrszeichenpläne inkl. Begründung sowie nach Anhörung der Polizei und der Straßenbaubehörde abschließend über die Anordnung der geplanten verkehrsrechtlichen Maßnahmen. In der Ossietzkystraße hat die für die Planung zuständige Abteilung bereits einen Verkehrszeichenplan für die Anordnung einer Durchfahrtsperre für Kfz am Majakowskiring angefertigt und bei der SVB eingereicht. Hier steht die verkehrsrechtliche Anordnung durch die SVB und damit auch die Prüfung der Eignung und Erforderlichkeit der verkehrsbeschränkenden Maß-nahmen noch aus. Für die Stargarder Straße prüft derzeit die für die Radverkehrsplanung zuständige Gruppe im SGA, ob weitere Maßnahmen zur Beschränkung des motorisierten Verkehrs erforderlich sind und, soweit dies zu bejahen ist, welche Möglichkeiten der Beschränkung hierfür in Frage kommen können. Hierbei wird auch die Gruppe KIS des Stadtentwicklungsamtes einbezogen. Nach Abschluss dieser Prüfung werden die in Frage kommenden Maßnahmen mit der SVB hinsichtlich der Anordnungsfähigkeit abgestimmt. Zu den geeigneten Maßnahmen zur Unterbindung des unerwünschten motorisierten Durchgangsverkehrs gehören gemäß Berliner Fahrradstraßenleitfaden u.a. Einbahnstraßenregelungen oder Verkehrseinrichtungen wie Diagonal- oder Durchfahrtsperren. Über die Eignung und Erforderlichkeit einer oder mehrerer dieser Maßnahmen kann zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht abschließend entschieden werden, da sich der Vorgang noch in Prüfung befindet. 5. Welche Einschätzung gibt die Polizei bezüglich der bisher erreichten Regelbefolgungsquote, welche Maßnahmen hält sie im Rahmen der Anhörung für geeignet (unterschieden nach den o.g. Fahrradstraßen)? Die Frage kann das Bezirksamt nicht in eigener Zuständigkeit beantworten und hat sie des-halb an das zuständige Referat III B der Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport mit der Bitte um Zuarbeit weitergeleitet. Diese nimmt wie folgt Stellung: „Eine statistische Erhebung von Daten im Sinne der Fragestellung erfolgt in der Polizei Berlin nicht. Die Prüfung, welche konkreten Maßnahmen in den jeweiligen Fahrradstraßen den Durchgangsverkehr einschränken oder verhindern können, obliegt der zuständigen Straßenverkehrs- und Straßenbaubehörde.“ 6. Welche Stelle trifft letztendlich die Entscheidung über geeignete und erforderliche Maß-nahmen, falls die Einschätzungen anzuhörender Stellen grundsätzlich voneinander abweichen? Vor jeder Entscheidung über die Anordnung von Verkehrszeichen sind die Straßenbaubehörde und die Polizei durch die SVB anzuhören. Die SVB entscheidet, ob und in welchem Umfang sie die Stellungnahmen aus dem Anhörungsverfahren berücksichtigt. Finaler Entscheidungsträger ist die SVB als maßgebliche Institution für die Ausführung und Anwendung der Straßenverkehrs-Ordnung. Manuela Anders-GranitzkiKleine Anfrage auf der BVV-Seite: https://www.berlin.de/ba-pankow/politik-und-verwaltung/bezirksverordnetenversammlung/online/ka020.asp?KALFDNR=4263