Kleine Anfrage - KA-0332/IX

Staffelmahd von Mittel- und Seitenstreifen für Artenvielfalt und Klimaanpassung

Bezirksamt Pankow von Berlin
Abt. Ordnung und Öffentlicher Raum
Bezirksstadträtin

22.08.2022

Herr Bezirksverordneter
Axel Lüssow Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
über
den Vorsteher der Bezirksverordnetenversammlung
Pankow von Berlin
über
die stellv. Bezirksbürgermeisterin
Kleine Anfrage KA-0332/IX
über
Staffelmahd von Mittel- und Seitenstreifen für Artenvielfalt und Klimaanpassung

Das Bezirksamt wird um folgende Auskunft gebeten:

1. Wie setzt das Bezirksamt auf „Straßenbegleitgrün“-Rasenflächen das „Handbuch gute Pflege“ (HgP) [1] um – insbesondere Punkt 2.12.8 „besondere ökologische Pflegehinweise“ zu „Mähen“ und „Mähgut entfernen“? Wo in Pankow gibt es noch nicht in den Berichten zum BVV-Beschluss VIII-0911 genannte (Prototyp-)Flächen bei „Straßenbegleitgrün“, bei denen eine Staffelmahd durchgeführt wird, und wie ist der Plan des Bezirksamtes zum Ausbau dieser Pflegeweise?

Der Punkt 2.12.8 im HgP befasst sich mit dem Gebrauchsrasen. Im Straßenbegleitgrün müssen die Anforderungen an Gebrauchsrasen aber nicht erfüllt werden. Die Flächen sind in der Regel nicht für einen längeren Aufenthalt bestimmt. Im Gegenteil erfüllen die Rasen- bzw. Wiesenflächen im Straßenbegleitgrün ihre Aufgabe mehrheitlich als Abstands-, Versickerungs- oder Durchwurzelungsflächen für benachbarte Straßenbäume. In den Außenbereichen können sie auch vorhandene Biotope ergänzen. Gemäht wird 2–3 Mal im Jahr. Im überwiegendem Fall wird das Mahdgut danach beräumt. Eine Umstellung auf Staffelmahten ist auf den meisten Straßenbegleitgrünflächen nicht sinnvoll und wird auch nicht ausgebaut. Das begründet sich zumeist in den sehr kleinen, anthropogen stark gestörten Standorten, in denen die Minimumareale der meisten Organismen in Fauna und Flora unterschritten werden.

2. Bzgl. Seiten-/Mittelstreifen anbei Tram-Linien:
a) Was ist die maximale Höhe von Gräsern an Tram-Linien, die nach Einschätzung des Bezirksamtes für Verkehrssicherheit nicht überschritten werden darf, und auf welcher Basis erfolgt diese Einschätzung (z.B. Untersuchungen zur Verkehrssicherheit, Rundeschreiben des Senates, dokumentierte Vorfälle)?
b) Wer (SGA, BVG, …) ist für diese Mahd in welchen Abständen von der Tram-Linie zuständig bzw. verantwortlich?

Es gibt keine festgelegte maximale Höhe für Gräser an Tram-Linien. Hier ist immer der Einzelfall ausschlaggebend. Sobald die Verkehrssicherheit beeinträchtigt ist, muss zusätzlich zum Regelturnus gehandelt werden. Der jeweilige Eigentümer der Fläche ist auch für die Einhaltung der Verkehrssicherheit zuständig.

3. Bzgl. Seiten-/Mittelstreifen mit Gehwegen:
a) Was ist die maximale Höhe von Gräsern an Seiten-/Mittelstreifen mit Gehwegen, welche Gefährdung der Verkehrssicherheit liegt hier durch höheres Gras vor, und auf welcher Basis erfolgt diese Einschätzung (z.B. Untersuchungen zur Verkehrssicherheit, Rundeschreiben des Senates, dokumentierte Vorfälle),

Die maximale Höhe von Sichthindernissen betrifft 0,75 m. Die Gefährdung liegt dann vor, wenn ein Sichthindernis über der benannten Höhe besteht. Die Basis bilden die Empfehlungen für die Anlage von Hauptverkehrsstraßen (kurz EAHV). Die benannte Höhe betrifft dabei nicht unbedingt nur die Höhe des Grases selbst. Hinzu kommt häufig, wenn vorhanden, auch die Höhe der Grünfläche selbst, bzw. des Hochbeetes. Oft liegt das Niveau der Mittelstreifen höher.

b) Wie oft wird auf dem Mittelstreifen Schönhauser Allee zwischen Choriner Straße und U Senefelder Platz (vgl. Tagesspiegel [2]) gemäht und wird eine Staffelmahd praktiziert – und falls nein, wieso nicht? Ist die Beachtung des HgP, insbesondere die Staffelmahd an dieser Stelle Bestandteil von Ausschreibungen/Vergaben für ausführende Firmen?

Wir haben die Straßenbegleitgrünflächen auf eine 2-3 schürige Langgras-Mahd umgestellt. Hier findet eine Mahd im Juni/Juli und eine zweite Mahd in Abhängigkeit des Wachstums und die dritte Mahd im September/Oktober statt. Eine Umstellung auf Staffelmahten ist auf den meisten Straßenbegleitgrünflächen nicht sinnvoll und wird auch nicht ausgebaut. Auch die Anwendung des HgP betrifft den Gebrauchsrasen, welcher hier nicht vorliegt.

4. Welche Ressourcen (Personal, Geräte, Wirtschaftsflächen) oder Regelungen (Verkehrssicherheit, Fortschreibung des HgP) würde das Bezirksamt benötigen, um eine mehr Biodiversität unterstützende Mahd umzusetzen, die sich mehr an der von Pankower unterzeichneten Deklaration „Kommunen für Biologische Vielfalt“ [3] (BVV-Beschluss VIII-0402), der Klimaanpassung in Zeiten des Klimanotstands (BVV-Beschluss VIII-0916), der Berliner „Strategie Biologische Vielfalt“ [4] und „Charta für das Berliner Stadtgrün“ [5] orientiert?

Eine genaue Aufzählung ist uns in der Kürze der Zeit nicht möglich, hierzu sollte immer noch beachtet werden, dass Straßenbegleitgrünflächen mit hohem Verkehrsaufkommen und schwierig einzusehenden Kreuzungen Priorität bei der Einhaltung der Verkehrssicherheit haben. Zudem sind diese Flächen in der Regel nicht für einen längeren Aufenthalt bestimmt. Im Gegenteil erfüllen die Rasen- bzw. Wiesenflächen im Straßenbegleitgrün ihre Aufgabe mehrheitlich als Abstands-, Versickerungs- oder Durchwurzelungsflächen für benachbarte Straßenbäume. Die genannten Maßnahmen finden eher in geschützten Grünanlagen ihre Anwendung, wie z. B. unser Pilotprojekt in diesem Jahr.

https://www.berlin.de/ba-pankow/aktuelles/pressemitteilungen/2022/pressemitteilung.1203038.php

So z. B. die Wiese am Wilhelmsruher See oder auf dem Andreas-Hofer-Berg.

Im Allgemeinen fallen die Preise der Firmen bezogen auf die Fläche für eine 2-malige Mahd höher, als für eine 3-malige aus. Sehr viel preisintensiver sind Staffelmahten. In den verschiedenen Förderungen der Senatsverwaltungen werden Freiflächen an Schulen, Spielplätze, Straßenbäume oder auch Parkanlagen gefördert. Eine Förderung von Straßenbegleitgrün (außer Bäume) existiert nicht.

Die derzeit bestehenden Regelungen sind ausreichend.

5. Wäre es für die o.g. Ziele hilfreich und/oder zielführend, wenn
a) „Straßenbegleitgrün“ ein eigener Biotoptyp zugewiesen werde würde mit entsprechender qualifizierter Kartierung, und/oder ein Eintrag im Grünflächeninformationssystem (GRIS) und Berücksichtigung in den Produkten in der Kosten-Leistungs-Rechnung (KLR)?

Nein. Eine Gleichmacherei aller Straßenbegleitgrünflächen würde den unterschiedlichen Biotopen nicht gerecht werden. Aus Biotopschutzgründen ist eine Kartierung der jeweiligen Biotope nach Flächengröße und negativen Beeinträchtigungen (z. B. Länge des Flächenumfangs) evtl. sinnvoll. Hiernach kann man Prioritäten in der Pflege ableiten. In Pankow wird aktuell so vorgegangen.

b) Berlin speziellere Vorgaben erarbeiten würde ähnlich dem „Handlungsleitfaden Straßenbegleitgrün“ [6] aus Schleswig-Holstein,

Nein, Berlin ähnelt nicht dem Bundesland Schleswig-Holstein. Der dortige Handlungsleitfaden richtet sich eher an fachliche Laien. Erst mit zunehmendem Fachkräftemangel könnte so etwas, allerdings auf eine Großstadt ausgerichtet, Sinn ergeben.

c) Vorgaben an ausführende Firmen nicht erst nach Beschwerden von Bürger:innen (vgl. Tagesspiegel [2]), sondern durch entsprechende Ausschreibungen/Vergaben erfolgen würden?

Das Bezirksamt erhält in jedem Jahr Beschwerden darüber, dass Rasen oder auch Blumenwiesen im Sommer gemäht werden. Dass Mahten zum Erhalt der Wiesen dienen, ist leider nicht Allen bekannt. Mahten sind auch bei der Pflege von Schutzgebieten ein üblicher Vorgang und deren Notwendigkeit wird in der seriösen Fachliteratur häufig erklärt.

6. Der 2. Zwischenbericht vom 24.3.2020 zum BVV-Beschluss VIII-0911„Idyllisches Pankow für Wildbienen“ besagt: „In den nächsten 2-3 Jahren wird über das Grünflächeninformationssystem evaluiert, wie sich durch die aufwändigere Pflege das Erscheinungsbild, die Artenzusammensetzung und die Pflegekosten für mehrmalige Pflegeinsätze pro Flächen entwickeln werden.“. Der Berliner Koalitionsvertrag 2021-2026 besagt: „Das Grünflächeninformationssystem (GRIS) wird weiterentwickelt, dabei sollen Ausgleichs- und Ersatzpflanzungen und Standortfaktoren berücksichtigt werden.“. Welche Ergebnisse hat die Evaluation und/oder Weiterentwicklung des GRIS bisher ergeben, und was konkret ist hier von Seiten des Bezirksamtes und/oder nach Kenntnis des Bezirksamtes weiterhin geplant?

Die Ergebnisse der Wildbienenprojekte sind dem Bezirk nicht bekannt. Es wurden lediglich Flächen bereitgestellt.

Das GRIS steht nicht oder zumindest nur mit hohem Aufwand für das Handling mit Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zur Verfügung. Hintergrund ist, dass die für die Eingriffsbewältigung zuständigen Senatsverwaltung nicht mit dem GRIS arbeitet und demzufolge die Unteren Naturschutzbehörden ebenfalls nicht an das GRIS angeschlossen sind.

Das Bezirksamt entsendet lediglich Teilnehmer an eine zentrale GRIS-Gruppe, plant aber deren Zukunft nicht selbst. Vorschläge aus Pankow zur Verknüpfung des GRIS mit den Belangen der Unteren Naturschutzbehörden (insbesondere die Eingriffsbewältigung auf öffentlichen Flächen, Ersatzbaumpflanzungen), fanden bisher kein Interesse.

7. Wann darf die BVV mit einer ersten Stellungnahme des Bezirksamtes auf den Beschluss VIII-0900 „Grünflächen gestalten statt mähen – Pankow muss insektenfreundlich werden!“ vom 11.9.2019 rechnen?

Dem Bezirksamt ist es daran gelegen, die Drucksache so schnell wie möglich zu bearbeiten.

Manuela Anders-Granitzki

Kleine Anfrage auf der BVV-Seite: https://www.berlin.de/ba-pankow/politik-und-verwaltung/bezirksverordnetenversammlung/online/ka020.asp?KALFDNR=4114