Kleine Anfrage - KA-0412/IX Werneuchener Wiese – Tesafilm oder Bürgerbeteiligung 7. Oktober 202218. Januar 2023 Bezirksamt Pankow von Berlin Abt. Ordnung und Öffentlicher Raum Bezirksstadträtin 25.10.2022 Herr Bezirksverordneter Axel Lüssow, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen über den Vorsteher der Bezirksverordnetenversammlung Pankow von Berlin über den Bezirksbürgermeister Kleine Anfrage KA-0412/IX über Werneuchener Wiese – Tesafilm oder Bürgerbeteiligung Das Bezirksamt wird um folgende Auskunft gebeten: 1. In der Vorhaben- und Projektliste des Bezirksamtes ist für das Gesamtvorhaben Werneuchener Wiese [1] für u.a. die Schuldrehscheibe und die Erschließung der gesamten Fläche eine Bürgerbeteiligung vorgesehen. In welcher Form wurde diese Beteiligung der von der Maßnahme betroffenen Bürger:innen durch das Bezirksamt gemäß den Pankower Leitlinien Bürgerbeteiligung [2] durchgeführt? Falls dies nicht erfolgte, welche Bürgerbeteiligung soll vom Bezirksamt für das Gesamtvorhaben Werneuchener Wiese, insbes. für die Schuldrehscheibe und die „Erschließung der gesamten Fläche“ (inklusive der nordwestlichen Fläche, vgl. KA-0263/IX) angeboten werden? Die Beteiligung der von der Maßnahme betroffenen Bürger:innen erfolgt wie folgt: – 31.08 2018 – Treffen mit den Gartenbauverbänden und Herrn Tino Schopf MdA (SPD) – 08.09.2019 Diskussionsveranstaltung mit Bezirksbürgermeister Sören Benn (Die Linke), Stadtentwicklungsstadtrat Vollrad Kuhn (Bündnis 90/Die Grünen) sowie dem Abgeordneten Tino Schopf (SPD) am Tag des offenen Denkmals – 28.5.2020 – Beteiligungsveranstaltung auf der Wiese – Gartengestalterische Aufwertung des Lenné-Meyer-Ehrenmals, Ausblick Entwicklungskonzept – 13.08.2020 öffentliche Präsentation und Diskussion des Vorentwurfs auf der Denkmalfläche Beteiligung und Information zum Entwicklungskonzept Werneuchener Wiese: – 20.11.2018 Beteiligung der engagierten Akteure am runden Tisch bei Baustadtrat Vollrad Kuhn mit Pro Kiez Bötzowviertel, GärtnerInitiative Arnswalder Platz, dem Verein Kunst & Gemüse und Vertreter des auf dem Gelände spielenden City Beach Berlin – Präsentation im Stadtentwicklungs-Ausschuss vom 8. Dezember 2020, die geplante anschließende Bürgerbeteiligung musste pandemiebedingt abgesagt werden – 24.6.2021 online Einwohnerversammlung mit Stadtrat Vollrad Kuhn und Pro Kiez Bötzowviertel e.V. (ohne Begleitung durch das Stadtentwicklungsamt oder das SGA) – Digitale Einwohnerversammlung am 24.08.2021 mit Stadtrat Vollrad Kuhn (ohne Begleitung durch das Stadtentwicklungsamt oder das SGA) – Ausführliche schriftliche Beantwortung von Fragen und Stellungnahmen der Pro Kiez Bötzowviertel eV Initiative in Vertretung von Herrn Meyer und Frau Wilfert – Regelmäßige Zwischenberichte zur Drs. VIII-0272 (Werneuchener Wiese als Bürgerwiese gestalten) – Vor-Ort-Termin bei Pro Kiez e.V. mit Herrn Johnke und der Bezirksstadträtin Frau Anders-Granitzki Anfang des Jahres – Vorstellung im Fachausschuss 2022 – klare mediale Begleitung – Beantwortung von sehr vielen Bürgeranfragen aus dem Büro der Bezirksstadträtin Zum Ende des Jahres 2022 ist eine detaillierte Information zu den Erschließungsmaßnahmen an der Werneuchener Wiese geplant. Neben Pressemitteilungen wird es dann eine grafisch aufbereitete Information zu der gesamten Erschließungmaßnahme auf mein.Berlin.de, der bezirklichen Homepage sowie Bannern/Plakaten direkt an der Werneuchener Wiese geben. Im Rahmen der Ausführungsplanung wird es weitere konkrete öffentliche Informationen zu der Entwicklung geben. 2. Können die Fördermittel des Programms nachhaltige Stadterneuerung ausgezahlt werden, bevor vom Bezirksamt ein Entwicklungskonzept inklusive Erschließungskonzept und erfolgter Bürgerbeteiligung vorgelegt wird? Das Gesamtkonzept von Fugmann Janotta Partner mit der Gruppe Planwerk, inklusive der Erschließungsmaßnahmen in der Grünanlage, an der Margarete-Sommer-Straße sowie der Kniprodestraße, liegt vor und wird in der in 1. genannten Information mittransportiert. Die Mittel des Förderprogramms Nachhaltige Erneuerung sind zugesichert. Da das Fördergebiet Prenzlauer Berg am Auslaufen ist, wird eine spätere bzw. zukünftige Finanzierung aus dem Programm Nachhaltige Erneuerung für die Werneuchener Wiese nicht mehr möglich sein. 3. In der Anfrage 19/12169 [3] antwortet das Bezirksamt bzgl. den alternativen Fachplanungen für Schulwegsicherheit mit Baumerhalt, die auch im BVV-Antrag IX-0237 [4] enthalten sind: „Die Alternativplanung ist dem Bezirksamt nicht bekannt.“. a) Ist es zutreffend, dass das Bezirksamt mit der Stadträtin für Ordnung/Straßen-Grünflächen, am 27. April 2022, 19 Uhr, ein Treffen mit dem Verein Pro Bötzowkiez e.V. und der Planerin hatte, bei dem auch diese alternativen Planungen vorgestellt wurden? Falls ja, wieso sind dem Bezirksamt diese Planungen angeblich nicht bekannt? b) Ist es zutreffend, dass das Bezirksamt mit der Stadträtin für Schule am 3. Mai 2022, 15 Uhr, ein Treffen mit dem Verein Pro Bötzowkiez e.V. und der Planerin hatte, bei dem auch diese alternativen Planungen vorgestellt wurden? Falls ja, wieso sind dem Bezirksamt diese Planungen angeblich nicht bekannt? Zu a) und b) Der BVV-Antrag IX-0237 wurde in der 6. BVV-Tagung am 04.05.2022 abgelehnt und liegt dem Straßen- und Grünflächenamt (SGA) daher nicht vor. Die Vorstellung der Alternativplanung in den Veranstaltungen am 27. April und 3. Mai 2022 wurde seitens der Vertreter des Vereins Pro Bötzowkiez e.V. angekündigt, jedoch vom Amtsleiter des SGA zurückgewiesen, da es bereits Anfang des Jahres ein Vor-Ort-Termin und im April 2022 in einem Antwortschreiben der Bezirksstadträtin für Ordnung und Öffentlicher Raum, Straßen- und Grünflächenamt an Herrn Meyer vom Verein Pro Bötzowkiez e.V. eine begründete Absage an den vom Verein geforderten Ausbau des Weges zwischen den Eschen erteilt wurde. 4. In der Fachpresse [5] wird dargestellt: „Anstatt der Bäume soll ein fünf Meter breiter Weg für Radfahrer, Passanten und eben die neuen Schulkinder entstehen – damit diese einen kurzen Schulweg haben […] Die Alternative wäre ein weitaus längerer Schulweg um das gesamte Gebäude herum, welche man den Kindern ersparen wolle.“. a) Wie viele Schüler:innen werden nach der aktuellen Schulwegprognose den Weg entlang der Kniprodestraße nutzen, der auf der gegenüberliegenden Seite des Haupteingangs der Schule liegt? Laut Schulamt gibt es für diesen Schulstandort keine Schulwegprognose. Es wäre in diesem Fall besonders schwierig, eine solche Prognose zu erstellen, da die Schuldrehscheibe im Laufe der Jahre von verschiedenen Schulen genutzt werden wird. b) Welcher Bereich des Bezirksamts (Schule, Straßen/Grünflächen, Hochbau (Facility Management) oder Stadtentwicklung) war/ist initiativ/federführend bei der Entscheidung zur Fällung der gesunden Bäume und diese Zuwegung zur temporären Schuldrehschreibe? In seiner Sitzung am 26.04.2022 hat sich das Bezirksamt zum Neubau eines Gehweges für die Erschließung der Schule und der geplanten Bürgerwiese an der Kniprodestraße bekannt. In der öffentlich tagenden BVV-Sitzung am 04.05.2022 wurde diese Entscheidung von den Bezirksverordneten bestätigt. 5. Das Bezirksamt hat Bürger:innen mit einem Bußgeld nach Baumschutzverordnung (BaumSchVO) sanktioniert, auch weil Info-Zettel mit Tesafilm an den für eine Fällung vorgesehenen Bäumen angebracht wurden (vgl. Medienberichte u.a. RBB, ZDF Länderspiegel „Hammer der Woche“, ARD Extra3 „Irrsinn der Woche“ [5]). In der Anfrage 0257/IX antwortet das Bezirksamt auf „Ist das Umkleben eines Baums mit Sig- nalband oder Tesafilm ein Delikt nach NatSchG Bln und/oder BaumSchVO“ jedoch mit: „Es handelt sich weder um eine Ordnungswidrigkeit noch um eine Straftat nach NatSchG Bln und/oder BaumSchVO.“. Das Straßen- und Grünflächenamt Pankow hatte Anfang Mai 2022 bei einer Routineüberprüfung von Grünanlagen im Bötzowkiez festgestellt, dass großflächig in zwei Parkanlagen im Kiez an sehr vielen Parkbänken, an Mauerwerken, an Lichtmasten auf der Straße, an Verkehrszeichenmasten auf der Straße, auf Spielplätzen und an Straßenbäumen unerlaubt unzählige Plakate angebracht waren. Das unerlaubte Anbringen von Plakaten in Grünanlagen und an Bäumen in einer derart erheblichen Anzahl erfüllt den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit. Hierfür wurde von dem zuständigen Ordnungsamt Pankow der verantwortlichen Vorstandsvorsitzenden des Vereins Pro Kiez Bötzowviertel e.V. als Verursacherin der Plakataktion ein Verwarnungsgeldangebot unterbreitet. Dieses Angebot wurde angenommen. Zu den Straßenbäumen, an denen Plakate aufgehängt wurden, gehörten in der Tat auch einige der zu fällenden Bäume. Allerdings ist an dieser Stelle auch darauf hinzuweisen, dass die Ordnungsgelder nicht konkret auf diese einzelnen Bäume bezogen ausgesprochen wurden, sondern in Hinblick auf die Gesamtheit aller Plakate in deren erheblicher Anzahl sowie aller genannten Örtlichkeiten. Anderslautende Pressemitteilungen gehen fehl. a) Wie viele Bußgelder nach BaumSchVO hat das Bezirksamt seit 2017 bis heute verhängt, weil u. a. Flyer mit Tesafilm an Bäumen befestigt wurden? Hierzu liegen keine gesonderten statistischen Erhebungen vor. Das im Ordnungsamt Pankow verwendete (und Berlin weit zum Einsatz kommende) Ordnungswidrigkeiten-Bearbeitungsprogramm „EUROWIG“ weist in seinem Statistikgenerator eine derart detaillierte Auswertung nicht aus. b) Wie tritt das Bezirksamt der Sorge entgegen, dass das Ordnungsrecht genutzt wird, um Kritik der Zivilgesellschaft am Handeln des Bezirksamts zu sanktionieren? Die Sorge ist aus Sicht des Ordnungsamtes Pankow unbegründet, denn die hier durchzuführenden Ordnungswidrigkeiten-Verfahren unterliegen strengen den gesetzlichen Bestimmungen des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (Ordnungswidrigkeitengesetz-OwiG) sowie – im Falle des Erlasses von Bußgeldbescheiden – der voll umfänglichen Nachprüfbarkeit in einem Einspruchsverfahren vor dem Amtsgericht Tiergarten. c) Der sanktionierte Verein Pro Bötzowkiez e.V. hat sich um den Bezirk verdient gemacht. Er rettete über 10 Jahre ehrenamtlich die Kurt-Tucholsky-Bibliothek, was den Kulturstandort und Verbund „Kiez und Kurt“ ermöglichte. Wie steht das Bezirksamt der Möglichkeit gegenüber, vor dem Verhängen von Bußgeldern andere Wege zur Ansprache der Zivilgesellschaft zu finden? Hierzu kann aus Sicht des Ordnungsamtes keine Auskunft erteilt werden. Nur so viel: Es wurde kein Bußgeldbescheid erlassen, sondern – in Anerkenntnis des Vorliegens einer minderschweren ordnungswidrigen Handlung – ein Verwarngeldangebot unterbreitet, welches der Verein auch angenommen hat. Manuela Anders-Granitzki [1] https://www.berlin.de/ba-pankow/aktuelles/vorhaben-und-projektliste/index.php/detail/282 [2] https://www.berlin.de/ba-pankow/politik-und-verwaltung/service-und-organisationseinheiten/sozialraumorientierte-planungskoordination/dokumente/leitlinien_buergerbeteiligung.pdf [3] https://www.berlin.de/ba-pankow/politik-und-verwaltung/bezirksverordnetenversammlung/online/vo020.asp?VOLFDNR=6176 [4] https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-12169.pdf [5] https://entwicklungsstadt.de/drehscheibe-in-pankow-schule-auf-zeit-am-volkspark-friedrichshain/ [6] https://twitter.com/extra3/status/1554050915178631170 Kleine Anfrage auf der BVV-Seite: https://www.berlin.de/ba-pankow/politik-und-verwaltung/bezirksverordnetenversammlung/online/ka020.asp?KALFDNR=4194