Satt und trocken reicht nicht! Für menschenwürdige Unterkünfte: Der Senat muss Integration mitdenken

In die Kavalierstraße kommt vorerst keine Flüchtlingsunterkunft. Die Bäume bleiben stehen. Das ist ein Sieg für den Bezirk, den Grüne, Linke und CDU gemeinsam erwirkt haben. Gleichzeitig setzen wir uns dafür ein, Flüchtlinge besser zu integrieren.

Wir haben uns seit 2021 für den Erhalt der grünen Innenhöfe eingesetzt, gegen den Plan der Wohnungsbaugenossenschaft Gesobau, dort Wohnblocks hineinzusetzen. Berlin braucht dringend Wohnungen. Aber es muss auch eine lebenswerte Stadt bleiben. In den Nachkriegsbauten sind die Wohnungen klein, dafür schuf man große Innenhöfe mit vielen Bäumen. Eine solche Bauweise mit kühlendem Schatten ist gerade in Zeiten des Klimawandels sinnvoll. Um trotzdem neue Wohnungen zu schaffen, erarbeiteten wir mit den Anwohnerinnen einen Gegenentwurf: Nur ein Wohnblock, dafür Aufstockung um eine Etage. Die Gesobau und der Senat haben diesen Kompromiss abgelehnt. Da die Bezirksverordneten wiederum den Plan der Gesobau ablehnten, griff der Senat zu einem Trick. Per Sonderbaurecht sollten die gleichen Wohnblocks gebaut werden, aber zunächst Flüchtlinge einziehen. Dieses Sonderrecht für Flüchtlinge setzt die Mitbestimmung von Bürgerinnen und Bezirk außer Kraft.
Ein solches Sonderbaurecht ist sinnvoll. Wenn wie 2015 oder beim Ausbruch des Ukraine-Krieges tausende Menschen bei uns Schutz suchen, muss der Staat schnell handeln können. Aber wenn die akute Krise vorbei ist, müssen wir darüber nachdenken, wie wir Menschen in Not gut unterbringen wollen. Unterkünfte mit mehreren hundert Plätzen erschweren die Integration. Dort ist es eng, laut, anonym. Es herrscht oft eine aggressive Atmosphäre – lernen für den Deutschtest ist kaum möglich. Gewalt richtet sich gegen Frauen, Kinder und Menschen, die nicht der Norm entsprechen, etwa wenn sie schwul sind oder nicht religiös.

Besonders dramatisch ist die Situation in abgelegenen Gegenden. Im Gewerbegebiet Storkower Straße, zwischen S-Bahn-Ring und Volkspark Prenzlauer Berg, leben 2300 Menschen in Flüchtlingsunterkünften, weitere in einer Wohnungslosenunterkunft. Kinder spielen zwischen Parkplätzen, Gewerbebaracken und Kaufland. In Buch leben 1500 Geflüchtete, davon fast 600 in der Groscurthstraße. In der Buchholzer Straße in Heinersdorf fasst die Unterkunft 400 Personen. Auch in den Innenhöfen der Kavalierstraße sollen 400 Menschen unterkommen, Schul- und Kitaplätze gibt es dort jetzt schon zu wenig. Die Anwohnenden sind bei solch großen Einheiten mit der Integration überfordert – selbst wenn alle Zeit und Lust hätten, dabei zu helfen, könnten sie es nicht schaffen.

Die Innenstadtbezirke bringen nicht nur viel weniger Flüchtlinge unter, die Unterkünfte sind auch deutlich kleiner. Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten setzt dort Unterkünfte hin, wo es irgend geht – und in Pankow ist Platz. Mit Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf müssen zwei weitere Ostbezirke deutlich mehr Menschen aufnehmen als andere. So funktioniert die self-fulling Prophecy: Man schafft in Ostbezirken unmögliche Bedingungen für eine gute Integration und sagt dann: Die Ossis können es nicht! Besonders unfair dabei: Der Senat verteilt das Geld für Integration gleichmäßig auf alle 12 Bezirke, egal ob ein Bezirk 1500 oder 5000 Flüchtlinge aufnimmt. Hier muss sich etwas grundsätzlich ändern. Die Grünen in Pankow fordern vom Senat eine faire Verteilung des Geldes und die Menschen dort unterzubringen, wo sie integriert werden können, in kleinen Einheiten, wo es Schulplätze gibt, wo ein Bus zum nächsten Deutschkurs fährt, wo Kinder Spielplätze finden und Nachbar*innen sich mit den Zugezogenen treffen können.

– Hannah Wettig