Warum 26 Eschen fallen sollen für einen Schulweg, der keiner ist

Bürgerveräppelung im Bötzowkiez

Werneuchener Wiese - Foto: Axel Lüssow
Foto: Axel Lüssow

Die 26 Pankower Eschen an der Kniprodestraße haben es bundesweit zu einigem Ruhm geschafft. Die NDR-Satiresendung „extra 3“ spießte den Verwaltungsirrsinn um die Eschen auf, sogar „Bild der Frau“ berichtete über die geplanten Fällungen. Hoffentlich hilft das bundesweite Kopfschütteln bei der Entscheidungsfindung, wenn die Bezirksverordneten am 16. November erneut darüber entscheiden, ob die Bäume stehen bleiben dürfen.

Denn für deren Fällung gibt es keine irgendwie verständlichen Gründe. Vor zwei Jahren gab es die noch. Auf der Werneuchener Wiese am Volkspark Friedrichshain soll eine temporäre Ersatzschule gebaut werden, eine sogenannte Schuldrehscheibe, die als Ausweichort dient für Schulen, die saniert werden. Deren Haupteingang sollte an der Kniprodestraße liegen. Dort ist derzeit kein asphaltierter Gehweg, sondern Wiese und eben jene Eschenallee. Wenn dort hunderte Schüler*innen jeden Tag zur Schule gingen, wäre an dieser Stelle ein barrierefreier Gehweg erforderlich.

Schulbau gedreht

Die Eschenallee ist nun aber sehr hübsch, die Anwohnenden gehen dort gern spazieren und überhaupt sollte uns jeder Baum in Pankow lieb und teuer sein – denn Jahr für Jahr werden es weniger. Der Anwohner*innenverein Pro Kiez Bötzowviertel e. V. machte mobil gegen die geplanten Fällungen. Unsere Fraktion Bündnis 90/Die Grünen schaute sich die Pläne für den Schulbau an und befand: Das ist sowieso keine gute Idee, den Haupteingang an die vielbefahrene Kniprodestraße zu legen. Denn Schüler*innen in großen Pulks vorm Schuleingang drängeln, schubsen und raufen – darum gehören Schuleingänge in ruhige Straßen, wenn irgend möglich. Und es ist dort möglich: Die Margarete-Sommer-Straße führt ebenfalls zur Schule – eine ruhige Straße, die eher als Parkplatz als zum Durchfahren genutzt wird.

Die bündnisgrüne Fraktion teilte das dem damaligen grünen Verkehrsstadtrat Vollrad Kuhn mit. Der wiederum ging zu seinem damals für Schulbau zuständigen Kollegen Torsten Kühne von der CDU. Beide fanden: Das ist eine gute Idee. Sie ließen das prüfen und die Pläne neu erstellen. Die Schule wurde gedreht, sodass der Haupteingang nun zur Margarete-Sommer-Straße liegen soll. Dazu gibt es noch zwei Seiteneingänge, aber keinen zur Kniprodestraße. Dort wird es nur noch eine Feuerwehreinfahrt geben. Das erläuterten die beiden Stadträte auch den Anwohnenden bei einer Bürgerversammlung.

Der Jubel war groß: Eschen gerettet! So vernünftig und bürgernah kann Bezirkspolitik manchmal sein! Doch dann entdeckte irgendwer im Bezirksamt, dass man beim Land Geld für Schulwege beantragen kann. Scheint selbstverständlich, aber in der ewig klammen Bezirksverwaltung, die dem Senat alles abringen muss, ist es immer ein Grund zu feiern, wenn man irgendwo einen Topf mit Geld entdeckt – auch wenn man das Geld gar nicht braucht. Also wurde flugs das Geld beantragt und mangels anderer Ideen für Schulwege, die zu bauen wären, behauptete das Amt einfach, die Eschenallee werde zum Schulweg. Die nach der Wahl nun zuständige CDU-Stadträtin, Manuela Anders-Granitzki, sah keine Veranlassung einzuschreiten.

Amtlicher Schabernack

Die Bürger*innen fühlten sich zu Recht getäuscht. Im Mai brachten sie mit Unterstützung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Antrag zum Erhalt der Eschen in die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) ein. Es war schmerzlich mit anzusehen, wie einige Bezirksverordnete die Bürger*innen als naiv darstellten. Sie warfen ihnen vor, sie hätten keine Ahnung von Gesetzen, missachteten die Bedürfnisse von gehbehinderten Kindern. Es war offensichtlich: Die werten Kolleg*innen kannten die Pläne nicht, wussten nicht, dass der Schuleingang dort gar nicht sein würde, oder wollten es nicht wissen. Der Bürgerantrag wurde gegen die Stimmen der Bündnisgrünen abgelehnt.

Aber der Schabernack ging noch weiter. Als hätte man die Bürger*innen nicht schon genug veräppelt, verschickte das Amt nun auch noch Bußgeldbescheide. Das Vergehen: Pro Kiez hatte mit Tesafilm Info-Flyer an den Eschen angebracht. Das, so das Amt, könne die Bäume beschädigen. Wohlgemerkt: Die Bäume, die das Amt sowieso demnächst fällen will.

Nun ist die Fällung erst einmal verschoben. Pro Kiez hat erfolgreich 1403 Unterschriften für einen Einwohner*innenantrag gesammelt. Darum wird der Antrag am 16. November in der BVV verhandelt. Der Bürgermeister hat versprochen, dass bis dahin keine Säge angelegt wird. Wir hoffen, dass sich die Bezirksverordneten der anderen Fraktionen bis dahin die Pläne angesehen haben.

Hannah Wettig ist Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen Pankow.

Dieser Text ist ursprünglich in der Pankower Post, der Zeitung der bündnisgrünen BVV-Fraktion Pankow, erschienen. PDFs aller vier Regionalausgaben finden Sie hier.